Home Architecture Stadt Wien will ihre Gemeindebauten mit Holz aufstocken

Stadt Wien will ihre Gemeindebauten mit Holz aufstocken

von Markus Schraml
proHolz Student Trophy, Modulus

Im Rahmen der proHolz Student Trophy 2020 wurden die besten Ideen für Aufstockungen aus Holz auf bestehende Wiener Gemeindebauten prämiert. Bei dem Wettbewerb von proHolz Austria, Stadt Wien und Wiener Wohnen wurden 127 Beiträge aus sieben Ländern eingereicht. Eine Fachjury wählte davon drei Siegerprojekte aus. „Die Wettbewerbsbeiträge zeigen eindrucksvoll, welche Möglichkeiten der durch neue Technologien revolutionierte moderne Holzbau gestalterisch bietet und wie mit durchdachten Aufstockungslösungen eine Umkehr zu smartem, sozial nachhaltigem sowie klima- und ressourcenschonendem Weiterbauen in den Städten gelingen kann. Aus vielen guten Einreichungen sind letztlich würdige Siegerprojekte mit Realisierungspotenzial, das die Stadt Wien sicher zu nutzen weiß, hervorgegangen“, sagt Juryvorsitzender Maximilian Rudolf Luger (Architekten Luger & Maul).

In einem Europa, in dem viele Städte ihr „Immobilien-Silber” vorschnell an private Investoren verscherbelt haben, wird Wien für den extrem hohen Anteil an Gemeindebauten (Wohnbauten in Eigentum und Verwaltung der Stadt) bewundert. Das Programm der Stadt, das 1919 startete, wurde nach dem 2. Weltkrieg zügig fortgesetzt. Gerade diese Bestandswohnbauten der Nachkriegszeit eignen sich aufgrund einheitlicher Grundrisse und der geringen Bebauungsdichte von damals besonders gut für Aufstockungen. Laut einer Studie von BOKU Wien und alpS GmbH (Attic Adapt 2020) eröffnen die zwischen 1950 und 1970 errichteten Gemeindebauten durch Erweiterungen um ein oder zwei Geschosse nach oben die Möglichkeit von bis zu 7.600 neuen Wohnungen. „Das Potenzial der Gemeindebauten der Nachkriegszeit zu nutzen, ist Teil der Strategie der Stadt Wien zur Schaffung von zusätzlichem Wohnraum. Wir sind an systemhaften Lösungen, die auf viele dieser Gebäude übertragbar sind, interessiert und werden – anknüpfend an die Ergebnisse der proHolz Student Trophy 2020 – solche auch zur Umsetzung bringen“, erläutert Andreas Meinhold, WSE Wiener Standortentwicklung GmbH.

Die Wettbewerbsausschreibung suchte Entwürfe für Aufstockungen aus Holz auf drei ausgewählte Wiener Wohnbauten der 1960er-Jahre. Von den Studierenden waren Lösungen mit dem Baustoff Holz gefordert, die nicht nur vielfach übertragbar sein sollten, sondern die auch leistbare Wohnungen mit guten Grundrissen und einen Mehrwert für die bereits dort Wohnenden in Form von neu entstehenden Gemeinschaftsflächen, Loggien oder Balkonen mitbringen sollten. Zudem wünschten sich die Auslober Klimaverbesserungen durch Fassaden- oder Dachflächenbegrünungen.

Die Preisträger sind ein Team der TU München mit dem Projekt „AUFgewertet“, ein Duo der FH Joanneum Graz mit seiner „Wohncollage“ sowie das Projekt „Modulus“ von Studierenden der Universität für angewandte Kunst Wien. Modulus“ entwickelten Monika Kalinowska, Denys Karandiuk und Weronika Moscicka auf der Basis von drei Modultypen für Bad und Küche, Wohnraum und Loggia. Dadurch entstehen lang gestreckte Raumzellen, die auf dem Dach längs und quer gestapelt werden und zu beiden Seiten auskragen. „Sie bilden einen räumlich komplexen Dachaufbau mit schönen Innen- und Außenräumen. Die Lifte betonen die Vertikalität der Plattenbauten und stellen einen schönen Gegenpunkt zu den liegenden Röhren auf dem Dach dar“, urteilt die Jury, die vor allem die elegante neue Erscheinung und das schlüssige Konstruktionssystem hervorhob.

AUFgewertet“ von Sofia Kholodkova, Yana Shcherbakova und Katharina Kögl der Technischen Universität München berücksichtigt vor allem auch das städtebauliche Umfeld. Die Gebäudeecke wird durch eine markante Erhöhung des Aufbaus betont und mit Gemeinschaftsräumen belegt. Raummodule und Elementbauweise erlauben die Vorfertigung und ermöglichen flexible Wohnungsgrundrisse und Wohnungsgrößen. Das Bausystem kann gut auf andere Bauten übertragen werden.

Viktoria Harzl und Fabian Lazarus von der FH Joanneum Graz stapelten in ihrem Projekt „Wohncollage“ Raumzellen zweigeschossig auf den Bestand und entwarfen ein flexibel nutzbares „Holzregal“, das vor den Bestandsbau platziert wird. Die neue Gebäudeschicht verbindet Alt und Neu, integriert die Lifte und ermöglicht den Bestandsmieter*innen, ihre Wohnung zu erweitern. Dafür wurden unterschiedliche Fassadenmodule entwickelt, die in das Holzraster eingesetzt werden können.

Bis 2027 soll Wien zur 2-Millionen-Metropole werden. Aufgrund dieses rasanten Bevölkerungswachstums benötigt die Stadt dringend zusätzlichen Wohnraum. Aufstockungen bestehender Wohnbauten bieten die Chance, Wien in die Höhe wachsen zu lassen und neuen Wohnraum zu schaffen, ohne noch mehr Bodenflächen zu verbrauchen. Das Material Holz bringt dafür viele bautechnische Vorteile mit. „Das geringe Gewicht von Holz bringt statische Vorteile. Der hohe Vorfertigungsgrad im Holzbau ermöglicht schnelles und störungsarmes Bauen – ein besonders wichtiger Faktor bei Bautätigkeiten an bereits bewohnten Gebäuden. Nicht zuletzt trägt Holz als nachwachsendes und CO2-bindendes Baumaterial zum Klimaschutz und zur Dekarbonisierung der Städte bei“, wirbt Richard Stralz, Obmann von proHolz Austria für das Bauen mit Holz. Die proHolz Student Trophy wurde 2020 erstmals international ausgeschrieben. Zahlreiche Hochschulen haben kooperiert und eigene Lehrveranstaltungen zur Bauaufgabe durchgeführt. „Diese fruchtbare, internationale Zusammenarbeit mit den Hochschulen wollen wir in der nächsten Ausgabe der proHolz Student Trophy ebenso fortführen wie die Kooperation mit Städten und das Augenmerk auf das Zukunftsthema Verdichtung“, meint Stralz.

Hier ein Livestream der Preisverleihung der proHolz Student Trophy 2020:


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