Home Architecture Stadtraumveränderung in Montréal – mehr Platz für Fußgänger

Stadtraumveränderung in Montréal – mehr Platz für Fußgänger

von Simone Hofgrunde
Provencher_Roy, Phillips Squear Montreal

Städte werden zunehmend grüner und menschenfreundlicher. Wo einst viel Autoverkehr für viel Lärm sorgte, bewegen sich heute Fußgänger und Radfahrer in ruhigerer Atmosphäre. Vielerorts ist das noch Zukunftsmusik, aber ein Beispiel für gelungene Umgestaltung kommt aus der kanadischen Metropole Montréal. Die Stadtregierung plant, die Raumaufteilung zugunsten von Fußgängern zu verändern. Der Parkraum soll eliminiert und die Gehwege verbreitert werden. Generell soll das Zentrum der Stadt grüner werden.

Ein konkretes Exempel dafür ist die Umgestaltung der zentral gelegenen Sainte-Catherine St. West. Auf einer Länge von sechs Blocks hat das Architekturbüro Provencher_Roy aus einer vierspurigen Autostraße eine Promenade für Fußgänger gemacht, wo nur mehr eine einzige Spur für Autos zur Verfügung steht. Autos, Fahrradfahrer und Fußgänger teilen sich den Raum. Die neue gemeinsame Straße schafft eine Art linearen Platz, der das zuvor unzusammenhängende Netz von Plätzen, Denkmälern und historischen Gebäuden zu einer kontinuierlichen Stadtlandschaft verbindet. In die Straße eingelassene Bronzeplatten dienen als städtische Markierungen und weisen auf die großen Kaufhäuser und Geschäftsgebäude der Jahrhundertwende hin, die dieser Gegend ihr geschichtsträchtiges Erbe verleihen.

Neu verlegt wurde ein modulares Pflaster, dessen Farben – von Dunkelgrau bis Hellgrau – die unterschiedlichen Nutzungszonen markieren und somit beispielsweise eine Fahrspur von einer Spur rein für Fußgänger trennen sollen. Ob Grau-Abstufungen tatsächlich für Klarheit sorgen, darf bezweifelt werden. Wahrscheinlich setzen die Kanadier hier eher auf gegenseitige Rücksichtnahme. Ergänzend dazu wurde auch die Dichte der Baumpflanzungen verändert. Bäume wurden in ruhigeren Bereichen zusammengefasst und in belebteren Zonen ausgedünnt. Die Idee dahinter ist, bessere Ruhezonen dort zu schaffen, wo es sich anbietet.

Phillips Square

Ungefähr auf halber Strecke liegt der Phillips Square, der erweitert und als wichtiger Anziehungspunkt im Kern der Innenstadt hervorgehoben wurde, wie in einem Plan aus dem Jahr 1841 bereits vorgesehen. Als zeitgemäße Interpretation des englischen Gartenplatzes verfügt er über breitere Bürgersteige, üppige Bepflanzung und offene Sichtachsen. Das Denkmal von Eduard VII. wurde neu beleuchtet. „Wir haben buchstäblich eine romantische Oase im Herzen der Innenstadt geschaffen und ich hoffe, dass die Montréaler diesen wieder erwachten Garten, die Belebung durch seine schattigen Bereiche und seine Wasserspiele annehmen werden, während sie den Blick auf die historischen Gebäude genießen, die ihn umrahmen“, sagt Sonia Gagné, Partnerin und Architektin bei Provencher_Roy, die das Projekt leitete.

Stadtmobiliar von Michel Dallaire

Wichtig ist auch das neue Stadtmobiliar. Es wurde von Michel Dallaire designt. Der erfahrene Industriedesigner aus Quebec schuf eine einmalige visuelle Identität. Seine Bänke sind schlank und zurückhaltend – das Design der Fahrradparks wiederum wohl durchdacht. Insgesamt sorgen seine Ideen für Ordnung auf den Bürgersteigen und verbessern den Fluss im Raum.

Mehr Bäume

Mit der Neugestaltung wird die Vegetation um 46 % erhöht. Es wurde die 14-fache Anzahl der derzeitigen Bäume gepflanzt. In ihrer Begrünungs-Strategie beschränken sich Provencher_Roy auf fünf Baumsorten, die aufgrund ihrer Toleranz gegenüber städtischer Umweltverschmutzung und ihrer generellen Robustheit prädestiniert sind, um die Artenvielfalt zu fördern. Am Phillips Square blieben die bestehenden Bäume erhalten, und neue wurden entlang der Ränder hinzugefügt. In den angelegten Blumenbeeten wurde ein eher wildromantisches Konzept verfolgt und jede Lieblichkeit vermieden. Von oben betrachtet wirkt der Platz wie ein englischer Barockgarten im Kleinformat.

Das Redesign der Sainte-Catherine St. West geht Hand in Hand mit der Neuentwicklung des Quartier des Spectacles im Osten und dem Plan von neuen Wohnblöcken weiter im Westen, woraus ein zusammenhängendes und grüneres Herz für die Stadt geschaffen werden soll. Montréals ausgesprochenes Ziel ist es, das grünste Stadtzentrum Nordamerikas zu werden.


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