Home Architecture Wie der urbane Raum grüner wird?

Wie der urbane Raum grüner wird?

von Markus Schraml
The Courtyard, Ronald Lu & Partners

Durch die Veränderungen des weltweiten Klimas sind Architekten gefordert, resiliente Lösungen für Gebäude zu finden, damit sie höheren Wasserspiegeln, heftigen Stürmen und Tsunamis widerstehen können. Besonders davon betroffen sind Metropolen in Küstennähe wie etwa Singapur oder Hongkong. In beiden asiatischen Großstädten wird bereits seit Jahren daran gearbeitet, Bauwerke nachhaltiger zu gestalten. Ein Hauptprotagonist in diesen Bestrebungen ist das 1976 in Hongkong gegründete Architekturbüro Ronald Lu & Partners (RLP).

Das Büro hat für sich den Begriff des biophilen Designs als Fokus definiert. Kein Wunder also, dass es eine eigene Abteilung für „Nachhaltiges Design“ gibt. Direktor dieser Abteilung ist MK Leung, mit dem FORMFAKTOR ein Interview über die zentralen Fragen im Bereich der umweltfreundlicheren Architektur in besonders dichten urbanen Räumen geführt hat. Extreme Elemente verlangen nach widerstandsfähigen Gebäuden, betont Leung. Damit eng verknüpft sei das Thema der Urbanisierung, ohne dadurch die Natur zu verdrängen. „Wir müssen regenerative Gebäude schaffen, um die Biodiversität in Städten zu erhöhen“, sagt Leung. Ein Weg, dies zu tun, ist, die Gebäude grüner zu gestalten.

FORMFAKTOR: Was muss man berücksichtigen, wenn man Gebäude direkt bepflanzt?

MK Leung: Es gibt viele Gebäude, denen die Begrünung einfach „angehängt“ wurde, was zu Konflikten zwischen Natur und Menschen führt. Das sind Gebäude, bei denen unüberlegt Pflanzen und Bäume, oft nicht heimische Arten, für die Begrünung verwendet wurden oder die zum Beispiel unerwünschte Schädlinge oder Insekten anziehen. Die Erhaltung schlecht geplanter und schlecht integrierter natürlicher Elemente erfordert viel Aufwand, Kosten und Ressourcen wie Wasser. Der wichtigste Faktor bei biophilem Design ist zu wissen, wie und welche natürlichen Elemente integriert werden können, insbesondere in städtischen Umgebungen mit hoher Dichte. Architekten müssen das Mikroklima von Hochhäusern berücksichtigen. Wie wirken Fauna und Flora speziell von lokalen, angepassten Arten zusammen. Auch muss man das vertikale Mikroklima verstehen, das sich verändert, je höher man hinaufsteigt.

FORMFAKTOR: Es geht also um mehr als nur einfach Pflanzen auf ein Gebäude zu setzen?

MK Leung: Biophiles Design bedeutet, Gebäude zu einem Teil der Natur zu machen, indem natürliche Formen integriert werden, auf Unterschiede von Tageslicht, Luftströmen und Temperatur geachtet wird und Gebäude für die natürliche Umgebung geöffnet werden.

FORMFAKTOR: Apropos Luftströme. In ihren Projekten verwenden sie häufig natürliche Belüftung.

MK Leung: Wir verwenden oft passive grüne Designelemente wie Low-E-Glas und auch natürliche Belüftung, um die Übertragung von Sonnenwärme zu reduzieren und Gebäude auf natürliche Weise zu kühlen. Eine bessere städtische Belüftung kann durch Kühlung mittels Luftwegen, Nicht-Gebäudebereiche, der Gebäudeporosität und Rücksetzungen erreicht werden. Zudem gibt es alternative Beschattungs- und Kühlmethoden wie Überdachungen und Wasserspiele wie Spray Parks oder Splash Pads. Eine weitere Strategie zur Reduzierung des Kühlenergieverbrauchs ist die Gebäudedurchlässigkeit, insbesondere in den niedrigen Zonen von Hochhäusern. Durch den Einsatz einer kreativen Anordnung der Gebäudemasse können wir städtische Luftwege öffnen, die die Belüftung eines Gebäudes und seiner Umgebung verbessern.

Das preisgekrönte „Treehouse“ in Hongkong ist ein „grüner“ Wolkenkratzer. Die biophile Gestaltung beinhaltet einheimische Bäume, ein künstliches Feuchtgebiet, Sky Gardens sowie grüne Außen- und Innenwände. © Ronald Lu & Partners

FORMFAKTOR: Im Hinblick auf die Verbindung von Mensch und Natur in Städten ragt das Projekt „The Courtyard“ heraus. Was sind die wichtigsten Eigenschaften dieses Hochhauses?

MK Leung: Die Courtyard-Residenz in Kowloon nutzt das „Urban Forest“-Konzept, das darauf abzielt, jeden Bewohner mit der natürlichen Welt zu verbinden, indem jeder Blick, jede Ebene und jede Türschwelle in einem Gebiet mit einer der höchsten Bevölkerungsdichten der Welt begrünt wird. Mit über 50 % Grünfläche verfügt der Wohnturm über private grüne Balkone, grüne Terrassen, Innenhöfe und einen Sky Garden. Dies filtert Luftschadstoffe, reduziert den städtischen Hitzeinseleffekt und schafft letztendlich ein neues Mikroklima.

Das Courtyard-Design erzeugt auch ein Luftvolumen in Bodennähe – was in dichten Stadtumgebungen wichtig ist. Wir haben Platz für Stadtbäume in der unteren Zone geschaffen, wovon Anwohner und Fußgänger gleichermaßen profitieren. Sie bieten außerdem Widerstandsfähigkeit gegen starke Winde wie Taifune und sind nach Süden ausgerichtet, um sicherzustellen, dass sie ausreichend Sonnenlicht erhalten.

Das „Courtyard“-Design verbindet einzelne nachhaltige Elemente zu einem integrierten Ökosystem. Die verbundenen Höfe sind für Vögel und Insekten frei zugänglich. Damit soll die Biodiversität im Bezirk erhöht werden. © Ronald Lu & Partners

FORMFAKTOR: Wie beeinflussen grünere Gebäude und Städte das Wohlbefinden bzw. die Gesundheit der Menschen?

MK Leung: Die Forschung der letzten Jahrzehnte hat gezeigt, dass der Kontakt mit der Natur in Form von biophilem Design das menschliche Wohlbefinden auf vielfältige Weise verbessert: durch Stressabbau, Verbesserung der Stimmung und des Selbstwertgefühls, Beschleunigung der Genesung von Krankheiten und Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten und Arbeitsleistung.

FORMFAKTOR: RLP hat im Lauf der Jahre viele Gebäude in Hongkong umgesetzt und damit das Gesicht der Stadt mitgeprägt. Was ist das Besondere an dieser Stadt?

MK Leung: Hongkong ist eine wunderschöne, kompakte und höchst einzigartige Stadt. Das Besondere daran ist, dass es sich um eine vertikale, vernetzte, radikal durchmischte Stadt handelt, die über hocheffiziente Infrastruktur- und Verkehrssysteme verfügt. Der städtische Kern Hongkongs ist viel kompakter als der anderer Städte. Dieser ultradichte Kern ermöglicht es uns, große Landschaftsparks und Grüngürtel mit einem hohen Maß an Biodiversität zu haben. Trotz dieser Dichte sind wir bestrebt, lebenswerte Orte zu schaffen. Es gibt grüne Verbindungen und urbane Luftwege, horizontale und vertikale Verbindungen bei Projekten am Stadtrand, die die Stadt mit Natur, Wind und Licht verbinden.

FORMFAKTOR: Wie sehen ihre Visionen für lebenswertere Städte in einer zukünftigen Welt aus?

MK Leung: Das Konzept der zirkulären Stadt und regenerativen vertikalen Stadt ist sicherlich keine Science-Fiction Fantasie. Eine vollständige Verschmelzung von Natur und Gebäuden ist noch in weiter Ferne, aber eine naturnahe Stadt- und Gebäudegestaltung ist bereits da. Die Natur ist die beste Inspiration für Gebäude, die sich der Kreislaufwirtschaft verschrieben haben und die darauf abzielen, die Nutzung natürlicher Ressourcen zu optimieren und bei denen nichts verschwendet wird. Unsere Entwürfe zielen bereits darauf ab, die Flexibilität des Gebäudedesigns und das Potenzial für funktionale Anpassungen zu maximieren, um die Lebensdauer von Gebäudekomponenten zu verlängern und gleichzeitig den CO2-Fußabdruck von Baumaterialien zu minimieren. Als Nächstes müssen wir daran arbeiten, für Natur und Menschen geeignete vertikale Mikroklimata zu schaffen, die die Biodiversität auf Gebäuden in jeder Stadt erhöhen. Wir brauchen Natur, die gedeiht und sich regeneriert.


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