Home Architecture Umbrella House von Kazuo Shinohara auf dem Vitra Campus

Umbrella House von Kazuo Shinohara auf dem Vitra Campus

von Sebastian Zerlach
Vitra Design Museum, Umbrella House

Der Einfluss des japanischen Architekten Kazuo Shinohara (1925 – 2006) als Lehrer und Theoretiker ist immens. Die Arbeiten von Toyo Ito, Kazuo Sejima, Kazunari Sakamoto oder Itsuko Hasegawa stehen mit der „Shinohara-Schule“ in Verbindung. Zu den Architekten-Medienstars gehörte Shinohara allerdings nie, wie Hubertus Adam in der NZZ anlässlich des Todes Shinoharas schrieb. „Kleine Einfamilienhäuser waren es, die Shinoharas Ruhm begründeten“. Ganz in diesem Sinne wurde ein Meisterwerk aus Shinoharas sogenanntem Ersten Stil, das 1961 in Tokio errichtete Umbrella House, nun auf dem Vitra Campus in Weil am Rhein wiederaufgebaut.

Unter dem namensgebenden Schirm, also dem Dach, findet gerade mal eine Kleinfamilie Platz. Zur Zeit seiner Entstehung war diese pyramidenförmige Dachform nur in Tempelanlagen üblich. Shinohara wendete diese fernöstliche Bautradition nun aber auf einen Wohnbau an. Zudem verwendete er einfache, kostengünstige Materialien wie Zementfaserplatten für die Fassade.

Von Tokio nach Weil am Rhein

Vitra hat das Haus übernommen, da es an seinem bisherigen Standort in Tokio einem Straßenbauprojekt Platz machen musste und abgerissen werden sollte. Das in Holzständerbauweise gebaute Haus wurde im Sommer 2020 sorgfältig demontiert. Dann machte sich die Holzkonstruktion aus japanischer Zeder, japanischer Kiefer und Douglasie sowie alle weiteren Teile des Hauses gut verpackt auf die Reise nach Europa. Der Wiederaufbau auf dem Vitra Campus in Weil am Rhein begann im September 2021 in enger Abstimmung mit dem Tokyo Institute of Technology und konnte nun abgeschlossen werden.

Das Umbrella House ist das kleinste und eines der letzten noch erhaltenen Wohnhäuser aus dem Ersten der vier Stile von Shinohara. Auf einer Grundfläche von 55 m² finden die Küche mit Esstisch, ein Wohnraum, ein Badezimmer und ein traditionelles Tatami-Zimmer mit 15 Tatami-Matten in halber Größe Platz. Das leicht höher gelegene und mit einer flachen Decke versehene Tatami-Zimmer kann durch fünf Schiebetüren (Fusuma) vom Wohnraum abgetrennt werden. Die sichtbare Schirmstruktur des Daches überspannt ein ca. 4 m hohes Raumvolumen, das die bescheidene Grundfläche größer erscheinen lässt. Über eine Leiter wird der halbhohe Raum über dem Tatami-Zimmer erschlossen, der als Stauraum diente. Die Möbel wurden von Kazuo Shinohara selbst und vom Designer Katsuhiko Shiraishi entworfen. Das Mobiliar des Hauses besteht sowohl aus Originalmöbeln als auch aus Nachbauten.

Historische Aufnahme des Umbrella House in Tokio ca. 1963 – 1964. Sie zeigt, dass durch die beachtliche Höhe die geringe Grundfläche ausgeglichen wird. © Akio Kawasumi

„Meine feste Überzeugung, dass ein Haus ein Kunstwerk ist, entstand aus der Auseinandersetzung mit diesem kleinen Haus. Ich wollte die Kraft des Raumes in der Doma (Raum mit Lehmboden, Anm.) eines alten japanischen Bauernhauses zum Ausdruck bringen, hier mithilfe der geometrischen Struktur eines Karakasa (japanischer Regenschirm aus geöltem Papier, Anm.)“, sagte Shinohara im Oktober 1962. (Auf Englisch wurde der Text erstmals in The Japan Architect im Februar 1963 publiziert)

Das Umbrella House wird ab Sommer 2022 auf dem Vitra Campus als Ort für kleinere Zusammenkünfte dienen. Neben dem geodätischen Dom von Buckminster Fuller/George Howard (1975) und einer Tankstelle von Jean Prouvé (1953) ist es das dritte historische Gebäude, das auf den Vitra Campus versetzt wurde.


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