Kernfusion hat das Potenzial, die Energieprobleme der Zukunft zu lösen. In der weltweit größten Fusionsanlage Jet im britischen Culham bei Oxford wurde nun ein Experiment durchgeführt, bei dem 59 Megajoule Energie erzeugt werden konnten. Das ist die höchste Energieausbeute, die derartige Versuche jemals zustande gebracht haben. Allerdings liegt das letzte Experiment dieser Art mehr als 20 Jahre zurück. Der Grund dafür liegt am sehr selten vorkommenden Rohstoff Tritium, weshalb Forschungsteams ansonsten meist Wasserstoff oder Deuterium für Plasmaexperimente verwenden. In Vorbereitung auf das Großprojekt Iter (der Reaktor wird derzeit im südfranzösischen Cadarache gebaut) muss aber Tritium (bzw. ein Deuterium-Tritium-Gemisch) verwendet werden, denn dort wird dies ebenso sein.
„Die Physik in Fusionsplasmen können wir sehr gut erforschen, indem wir mit Wasserstoff oder Deuterium arbeiten, deshalb ist das der Standard weltweit“, erklärt Athina Kappatou vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (Garching, Deutschland), die mit ihren Institutskollegen Philip Schneider und Jörg Hobirk wesentliche Teile der europäischen Gemeinschaftsexperimente am Jet leitete. „Für den Übergang zum internationalen Fusionsgroßexperiment Iter ist es allerdings wichtig, dass wir uns auf die dort herrschenden Bedingungen vorbereiten.“
Das Vorbild Sonne
Fusionskraftwerke sollen nach dem Vorbild der Sonne die Wasserstoff-Isotope Deuterium und Tritium verschmelzen und dabei große Energiemengen freisetzen. Um das Jet-Experiment möglichst nahe an künftige Iter-Bedingungen heranzubringen, wurde von 2009 bis 2011 die frühere Kohlenstoff-Auskleidung des Plasmagefäßes durch eine Mischung aus Beryllium und Wolfram ersetzt, wie sie auch bei Iter geplant ist. Das Metall Wolfram ist widerstandsfähiger als Kohlenstoff. Dass sich diese Umbauten bezahlt gemacht haben, zeigt das jetzige Experiment. Bei Temperaturen, die zehnmal höher sind als im Zentrum der Sonne, wurden Rekordwerte an Fusionsenergie erreicht. Jet erzeugte mit Deuterium-Tritium-Brennstoff während einer fünf Sekunden langen Phase stabile Plasmen, die eine Energie von 59 Megajoule (entspricht einer Leistung von 11 Megawatt) in Form von Neutronen freisetzten. Das ist neuer Weltrekord.
Netto-Energie erst in größerem Maßstab
Allerdings ist die erzeugte Energiemenge noch immer kleiner als die benötigte Heizenergie. Erst mit dem größer dimensionierten Versuchskernfusionsreaktor Iter wird es möglich sein, Netto-Energie zu gewinnen. „Die jüngsten Experimente im Jet sind ein wichtiger Schritt hin zu Iter“, meint Sibylle Günter, wissenschaftliche Direktorin am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik. „Was wir in den vergangenen Monaten gelernt haben, wird es uns erleichtern, Experimente mit Fusionsplasmen zu planen, die wesentlich mehr Energie erzeugen als für ihre Heizung benötigt wird.“ Geht es nach Plan, soll Iter zehnmal so viel Energie freisetzen können, wie an Heizenergie ins Plasma eingespeist wird.