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10 Jahre Magis Proust

von Markus Schraml
Magis Proust, red

Der „Poltrona di Proust“ ist das wohl bekannteste „Re-Design“ von Alessandro Mendini. 1978 für die Ausstellung „Incontri ravvicinati di architettura“ (Nahe Begegnungen mit Architektur) im Palazzo dei Diamanti in Ferrara kreiert, ließ sich Mendini dafür von Rokoko-Stühlen und von Marcel Prousts Roman „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ inspirieren. Die Form aus der Vergangenheit, ein üppig verzierter, handgeschnitzter Sessel, holt Mendini in die Gegenwart, indem er in ganz im pointillistischen Stil von Paul Signac übermalt. Diese einheitliche, schreiende Farbgebung macht dieses Stück zu einem bilderstürmenden Wegbereiter der Postmoderne. Der Poust-Sessel war der erste in einer Reihe sogenannter „Re-Designs“, in denen Mendini seine Theorien über die Wichtigkeit des historischen Kontextes von Design mit der Bedeutung des Aussehens der Oberfläche in einer schnelllebigen Welt kombinierte.

Zuerst produzierte Cappellini den Proust-Sessel getreu dem Original in Holz und im bekannten pointillistischen Look und das bis heute. Immer wieder wurden neue Varianten wie etwa der Proust Geometrica veröffentlicht. Ein Produkt für die breite Masse war er aber nie, bis Eugenio Perazza (Magis) eines Tages im Jahr 2010 Mendini anrief und ihm vorschlug, den Proust industriell herzustellen – und zwar nicht aus Holz, sondern aus Kunststoff. Mendini war von dieser Idee sofort begeistert und das Magis-Team machte sich an die Arbeit. Mittels Rotationsformverfahren gelang es, den Sessel mit all seinen barocken Formen und opulenten Kurven aus recyclingfähigem Polyethylen herzustellen.

Die größte Herausforderung war es, den Charakter der farbenfrohen Oberfläche zu imitieren. Dafür wurde schließlich mehrfarbiges Granulat verwendet. 2011 stellte das italienische Unternehmen den ersten Magis Proust vor und 2021, zum 10-jährigen Jubiläum, bringt Magis eine neue mehrfarbige Version auf weißer Basis heraus.

Der Proust-Sessel wirkt auf den Betrachter / die Betrachterin unmittelbar und kraftvoll ein. Zur Design-Community scheint er zu sagen: Schaut auf die Designgeschichte und macht sie euch respektlos zunutze. Der Proust ist auch ein Paradebeispiel für den Zusammenhang von Struktur und Oberfläche, wobei Letztere die zeitgemäße Oberhand behält. Der Sehnsucht nach althergebrachten Formen wird mit der im Grunde kleinen Abweichung einer einheitlichen, kunterbunten Farbgebung ein Strich durch die Rechnung gemacht. Mendinis Proust ist der Antagonist zum Bierernst der Bauhäusler, welchem hier radikale Lebensfreude entgegengehalten wird, die sich vor allem aus einem speist – Humor.

Alessandro Mendini auf einem monochromen Proust-Sessel von Magis. © Magis

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