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Assisted Living im Smart Home

von Markus Schraml
Assisted Living Labor

Das Internet bietet Menschen, die aufgrund von Behinderungen an ihr Haus gebunden sind, die Möglichkeit mit der Außenwelt zu kommunizieren. Sind sie auch von starken motorischen Beeinträchtigungen betroffen, braucht es alternative Eingabetechnologien, um ein Tablet oder einen PC zu bedienen. Im FH Technikum Wien wird an solchen Technologien geforscht. Seit Mai 2019 gibt es dort ein Assisted Living Labor, indem fortschrittliche Anwendungen für Menschen mit körperlichen Einschränkungen entwickelt werden. Wichtig dabei ist vor allem die Flexibilität der Anwendungen, denn je nach verbleibender Restmotorik sind unterschiedliche Lösungen gefragt. Im Rahmen eines Pressegesprächs wurden einzelne konkrete Technologien präsentiert und vorgeführt.

Eingabetechnologien für PC oder Tablet werden etwa mit Muskeln, Eyetracking oder Sprache gesteuert. Ein Beispiel ist die an der FH Technikum entwickelte FlipMouse, die wie eine gewöhnliche Computer-Maus funktioniert, wobei der Stick aber mit minimalen Fingerbewegungen oder mit den Lippen bewegt werden kann. Oder die Kamera-Maus erkennt einfache Kopfbewegungen und übersetzt diese in Cursor-Bewegungen. In einem Smart Home können damit etwa Radio und TV bedient, Heizung, Klimaanlage und Rollos gesteuert oder Anrufe getätigt werden.

Spezielle Anwendungen für Menschen mit Behinderung sind bereits auf dem Markt, werden jedoch oft sehr teuer angeboten. Bei der Entwicklung AsTeRICS-Grid der FH Technikum Wien hingegen handelt es sich um eine Open Source-Web-Applikation, die frei zugänglich ist. Damit können Menschen mit eingeschränkter Ausdrucksfähigkeit kommunizieren oder die gesamte Gebäudeautomation gesteuert werden. Dies funktioniert über klar gestaltete Icons auf dem Bildschirm, womit Licht, Beschattung, Temperatur oder elektrische Geräte kontrolliert werden können.

Partner des Assisted Living Labor ist KNX Austria, ein Verein zur Unterstützung dieses Smart Home Systemstandards. Friedrich Praus, Studiengangsleiter „Smart Homes und Assistive Technologien“ an der FH Technikum Wien meint: „Ohne KNX würde es dieses Labor nicht geben“, denn die gesamten Komponenten für die Ausstattung des Labors wurden von KNX zur Verfügung gestellt. Partner aus der Industrie sind aber nicht nur als Sponsoren gefragt, sondern auch für Praktikumsplätze. Gleichzeitig sind die Absolventen*innen dieses Studienlehrgangs für die Industrie enorm wichtig, weil sie das Thema Smart Home ganzheitlich inklusive der zugrunde liegenden Software verstehen und kompetent eingreifen können. Markus Zack, Sprecher von KNX Austria und Produktmanager beim Gebäudetechnikspezialisten Siblik sieht in der FH Technikum Wien einen wichtigen Ideenbringer und die Absolventen*innen dieses Studienlehrgangs als extrem wichtige Fachkräfte, die der Industrie derzeit fehlen würden. „Die Studierenden, die hier einen Abschluss machen, sind wirklich sehr tief in der Praxis. Wir hatten zum Beispiel bei uns in der Firma (Siblik, Anm.) einen Studenten, der während eines dreimonatigen Praktikums aus drei bestehenden Produkten, die gar nicht für das Thema Assisted Living gedacht sind, ein AL-System zusammengebaut hat. Einfach die Kombination aus diesen drei Produkten plus ein wenig Software ergab eine tolle Überwachung eines Tagesablaufs eines älteren Menschen, wo jede Abweichung in einem mehrstufigen Plan gemeldet wird. Die Studierenden hier kommen eben aus der Praxis, sehen Möglichkeiten, die es am Markt noch nicht gibt, und sind fähig Dinge umzusetzen“, betont Zack.

Technologien, die an der FH Technikum Wien als Prototypen entwickelt werden, sind bereits im Einsatz. Einige wenige Menschen mit zum Teil starker Behinderung profitieren schon jetzt von diesen Entwicklungen. Um das Ganze auf eine breitere Basis zu stellen und es mehr Menschen zugänglich zu machen, ist die Industrie am Zug. Gründe sich mehr zu engagieren gäbe es genug. Zum Beispiel geht es bei diesen Anwendungen nicht nur um schwer und schwerst behinderte Menschen, sondern vor allem auch um ältere Personen, die dadurch sehr viel länger in ihren eigenen vier Wänden bleiben können. Ein großes Thema ist in diesem Zusammenhang die Sprachsteuerung. Markus Zack: „Generell sind seit ca. 2 Jahren Sprachsteuerungen stark im Kommen. Und daran denken auch Endkunden oder Elektrotechniker, dass diese Technologie jemand benutzen kann, der nicht mehr so mobil ist, wie er es zum Zeitpunkt des Hausbaus war. Er kann dadurch länger im Haus wohnen bleiben und doch noch alles bedienen. Wenn jemand zum Beispiel einen Schalter nicht mehr erreichen kann, ist die Sprachsteuerung ein probates, relativ günstiges Mittel.“

Die Entwicklung der assistierenden Technologien wird kontinuierlich fortgesetzt, wobei vor allem die Integration in die gesamte Gebäudesystemtechnik wichtig ist. Studiengangsleiter Friedrich Praus sieht großes Potenzial auch im Bereich Robotik. „Bei assistierenden Technologien ist das noch neu. Wir haben hier zum Beispiel einen Rollstuhl, der mittels Sensoren autonom fahren könnte. Das heißt, auch schwerst behinderte Personen könnten den benutzen. Hier wird sich einiges tun. Eine weitere Frage ist, was in Bezug auf die Gestensteuerung noch passieren wird und natürlich die Sprachsteuerung, die ja eigentlich auch noch in den Kinderschuhen steckt – allein was den Datenschutz betrifft. Was ich hier auch unterrichte, ist, dass die Daten möglichst immer lokal, also zuhause bleiben sollten. So haben wir das auch hier im Labor umgesetzt. Denn wenn so eine Sprachsteuerung über irgendwelche Cloud-Server in Amerika läuft, hat man keine Wahl. Nur die, sie nicht zu verwenden.“ Gerade in dieser Beziehung hat der KNX Standard große Vorteile, denn er funktioniert auch ohne Internetanbindung.

[su_note note_color=”#f1f1f2″ radius=”10″]Im Rahmen des Projekts „Wissensdrehscheibe für Barrierefreie Technologien“, das von der Stadt Wien (MA 23) gefördert wird und am 1. September 2019 startet, stellt die FH Technikum Wien Expertise zu den Themen Smart Home und Assistive Technology für Unternehmen, Organisationen und andere Interessenten*innen zur Verfügung. Es geht um die Entwicklung von individuellen Lösungen für einen barrierefreien Zugang zu Informationstechnologien.[/su_note]

 

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