Lehm als Baustoff ist seit Jahrtausenden bekannt und wurde weltweit eingesetzt. Das reicht von Siedlungen aus Lehmziegeln in Catal Hüyük in Anatolien (vor 10.000 Jahren) über das Lehmziegelgewölbe im Grabmal Ramses II. in Ägypten (5000 v. Chr.) bis herauf zu Fachwerkbauten mit Lehmausfachungen im mittelalterlichen Europa. Im Weinviertel in Österreich bestand die dörfliche Architektur um das Jahr 1900 fast zur Gänze aus Lehmbauten, wie das Netzwerk Lehm berichtet. Ab Mitte des 20. Jahrhunderts geriet das Bauen mit Lehm im Westen in Vergessenheit. Aber bereits in den 1980er-Jahren fand eine langsame Rückbesinnung statt.
Vorgefertigte Lehmbauteile
Lehm ist eine energieeffiziente, ökologische Alternative zu herkömmlichen Baumaterialien. Heute sind eine ganze Reihe von Webseiten zu diesem Thema online und die Angebotspalette ist breit. Sie reicht von Stampflehmwänden und Stampflehmböden bis zu leichteren Stampflehmschalen. Wichtig für das Bauen mit Lehm ist die Trocknungszeit. Dieser heiklen Phase kommt das Thema Vorfertigung entgegen, denn die Fertigteilbauweise ermöglicht eine wetterunabhängige Produktion, da die Trocknung komplett im Werk stattfindet, wie der Lehmbau-Pionier Martin Rauch schreibt. Er gründete seine Firma Lehm Ton Erde im Jahr 1999. Ihm und seinen Forschungen ist es zu verdanken, dass sowohl die technischen Möglichkeiten als auch die ästhetischen Potenziale dieses Materials wieder aufs Tapet kamen. Für das Projekt ERDE PURE Walls – mit vorgefertigten Stampflehmbauteilen – erhielt Rauch einen New European Bauhaus Prize 2021.
Als loses Rohmaterial lässt sich Lehm vielfältig für die verschiedensten Einsatzgebiete aufbereiten, versichert der Dachverband Lehm e.V. und schreibt: „Er kann als Schüttung in Zwischenböden eingebracht werden, als Mörtel oder Putzmischung verarbeitet oder zu Steinen oder Platten geformt werden. Er lässt sich auch erdfeucht zu massiven Wandkonstruktionen stampfen. Eine Vielzahl verschiedener Zusätze wie Stroh- oder Holzhäcksel, Hanffasern oder Hobelspäne sorgen für unterschiedliche Festigkeiten, Elastizität oder wärmedämmende / wärmespeichernde Eigenschaften.“
Lehm als industrielles Baumaterial
Für das Bauen mit Lehm ist Spezialisten-Wissen notwendig, denn die Zusammensetzung des Lehms ist immer unterschiedlich, aber entscheidend. Nicht jeder Aushub kann einfach als Baumaterial weiterverwendet werden. Das heißt, der Umgang mit Lehm ist schwierig. Dies möchte EMPA-Forscherin Ellina Bernard ändern, indem sie Standards für die Zusammensetzung und die mechanische Belastbarkeit definiert. So soll ein sauberes Baumaterial für die industrielle Anwendung entstehen. Ihr Projekt wird vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) mit einem „Ambizione“-Grant gefördert.
Im Gegensatz zu Zement, den chemische Bindungen zusammenhalten, gehen die feinen Tonmineralien im Lehm bei der Lufttrocknung physikalische Bindungen ein. Eine Stabilität wie die von Beton ist auf diese Weise nicht zu erreichen. Deshalb sucht Bernard nach einem stabilisierenden Bindemittel. Unterstützung erhält sie dabei vom Geologen Raphael Kuhn, der derzeit an seiner Dissertation über Lehm-Zusatzstoffe arbeitet. Ein vielversprechender Kandidat ist Magnesiumoxid. Dieser Stoff würde die Trocknungszeit verkürzen und sollte durch die Bildung von Nanokristallen der Klumpenbildung im Lehm entgegenwirken. Gleichzeitig glauben die Wissenschaftler, dass diese Beimischung nur sanft in die vorteilhafte Mikro- und Nanostruktur der lehmigen Elementarteilchen eingreifen würde. In ersten Laborexperimenten erreicht das Team mit verschiedenen Lehm-Rezepturen eine Druckfestigkeit von bis zu 15 Megapascal – ein Vielfaches von unbehandeltem Lehm.
Grundsatzinfos des Energieinstitut Vorarlberg, Stampflehmwände
Bei Stampflehmwänden wird erdfeuchter Lehm in stabile Schalungen eingefüllt und verdichtet. In der Außenanwendung verfügt Stampflehm neben seiner optisch eigenen Erscheinung über eine hohe Beständigkeit in Farbe und Aussehen, sofern er gegen aufsteigende Feuchtigkeit und Schlagwetter geschützt wird. Im Innenraum wirken sich Stampflehmwände positiv auf das Raumklima aus.
Stampflehmböden
Sie lassen sich in verschiedenen Farbnuancen ohne Eigenspannung und somit fugenlos verlegen. Stampflehmböden sind feuerfest, widerstandsfähig und nach einer Oberflächenbehandlung mit Wachs, Öl oder Kasein auch pflegeleicht. Ein Stampflehmboden wird in mehreren Schichten und in einem Zeitraum von einigen Wochen von Profis eingebracht.
Lehmsteinwände
Wände aus Lehmziegeln vereinen die positiven Eigenschaften von Lehm mit den Vorteilen der Verarbeitung genormter Bauprodukte. Sie sind leicht zu bearbeiten und halten als Unterkonstruktion den üblichen Belastungen stand. Da Lehmsteine nicht bei hohen Temperaturen gebrannt, sondern einfach getrocknet werden, ist ihr ökologischer Fußabdruck minimal.