50 % der weltweiten Treibhausgasemissionen sind auf das Bauwesen zurückzuführen, sagte der renommierte Architekt Prof. Werner Sobek im Rahmen der AmCham Talks der Amerikanischen Handelskammer in Österreich. „Das Bauwesen alleine ist für mehr als 35 % des weltweiten Energieverbrauchs verantwortlich“, bezifferte Sobek die negative Rolle der Bauindustrie für die Klimakrise. Nimmt man den notwendigen Transport in die Rechnung hinein, ergibt dies 50 %.
Sobek forderte ein rasches Umdenken und Handeln in der Bauindustrie. Verwendete Materialien und Bauweisen müssten sich schnell ändern. Heute werde zum Beispiel der Bauschutt in der Regel nicht recycelt oder woanders weiter verarbeitet, sondern abgelagert. Ein zusätzliches Problem entstehe dadurch, dass dieser Schutt – weil Deponien in den Industrieländern keinen Bauschutt mehr aufnehmen – in andere Länder transportiert werde. Diese Schwertransporte würden die Umwelt zusätzlich belasten. „Die Bauindustrie verursacht im Jahr 10 Milliarden Tonnen Müll. Dass sind 320 Tonnen Abfall in der Sekunde“, sagte Sobek in seiner Keynote.
Der aktuelle Baustoffverbrauch beträgt 100 Milliarden Tonnen im Jahr. Das heißt: Pro Sekunde werden 3.200 Tonnen Material als Ressourcen abgebaut, zu Baustoffen verarbeitet und dabei um die halbe Welt transportiert, erläuterte Sobek. Industrieländer würden dabei ein Vielfaches von dem was ein Entwicklungsland verbraucht, konsumieren. „Um genauso viel bauen zu können, wie Industriestaaten müssten Entwicklungsländer in Summe 2.200 Gigatonnen Baustoffe erhalten. Das ist das Doppelte des aktuell weltweit Gebauten“, führte Sobek die Unmöglichkeit eines diesbezüglichen Ausgleichs vor Augen.
In seinem Vortrag warf der Architekt unter anderem der deutschen Bundesregierung vor, auf dem Energiesektor Einstiegstechnologien wie Photovoltaik kaputtgemacht zu haben. Er sieht einen großen Unterschied zwischen den Sonntagsreden der Politiker*innen und deren tatsächlichen Handlungen.
50 % Emissionen verursacht Bautätigkeit
Im Bereich der Emissionsreduktion von CO2 im Bauwesen wies Sobek auf die Tatsache hin, dass zwischen 40 – 50 % aller Emissionen, die ein Gebäude in seinem Leben verbraucht, bereits bei seiner Errichtung entstehen. In der Nutzungsphase seien es 35 – 45 % und in der Rückbauphase 10 – 15 %. Derzeit würden allerdings vor allem Maßnahmen für die Verringerung des Energieverbrauchs bzw. CO2-Ausstoßes in den Gebäuden selbst gesetzt. Der ganz große Brocken der Bautätigkeit hingegen würde völlig außer acht gelassen. Dies ist laut Sobek vor allem deswegen bedenklich, weil diese ersten 50 % in einer relativ kurzen Zeitspanne in die Atmosphäre gelangen, während die Lebenszeit eines Gebäudes auf 50 Jahre ausgelegt ist. Diese ersten 50 % seien deshalb 25 Mal schädlicher als die Emissionen, die nach und nach im Lauf von fünf Jahrzehnten in die Atmosphäre geblasen würden. „Keine der bisherigen Bauregulierungsmaßnahmen setzt hier an“, kritisierte Sobek
1,5-Grad-Ziel nicht erreichbar
Weitere negative Nachrichten hatte Werner Sobek im Hinblick auf die Erreichung der Paris-Klimaziele parat. Das 1,5-Grad-Ziel sei sicher nicht zu halten und selbst um unter 2 Grad zu bleiben, müssten auf der Stelle massive Änderungen auch im Bauwesen passieren. Sobek erinnerte noch einmal daran, was diese 2-Grad-Grenze eigentlich bedeute, die von Wissenschaftler*innen als „sehr gefährliche Grenze“ definiert wurde. Durch diesen Temperaturanstieg komme es nämlich zu einem Ausfall der landwirtschaftlichen Erträge im Bereich von 40 %. Mit Blick auf den Bevölkerungszuwachs würde dies bedeuten, dass viele Menschen verhungern. Das würden sie aber nicht einfach so tun, ohne sich zu wehren, glaubt Sobek. Massive soziale Unruhen würden die Folge sein.
Wie andere Redner, die mit diesem Thema an die Öffentlichkeit gehen, hofft auch Werner Sobek, dass seine Erklärungen und Klarstellungen helfen, die Menschen wachzurütteln. Vor allem die Entscheidungsträger*innen in Politik, Handel und Industrie.
Video des Vortrags von Prof. Werner Sobek. Die Ausführungen des Architekten beginnen etwa bei Minute 6.
Die AmCham Talks werden von der American Chamber of Commerce in Austria (AmCham Austria) veranstaltet. Eine Organisation, die den Ausbau und die Stärkung der Handelsbeziehungen zwischen Österreich und den USA fördert.