Der Hype um das Thema Biodesign verstellt den Blick auf den wahren Status Quo dieser vielversprechenden Entwicklung. Die Medien schenken Biomaterialien, Biofabrikation und Biotechnologie seit einigen Jahren verstärkt ihre Aufmerksamkeit. Tatsächlich werden diese Felder vor allem in der Forschung immer weiter und tiefer bearbeitet, vielfach sind daran auch Designer beteiligt. Bester Gradmesser dafür ist die Themenwahl und -vielfalt bei diversen Designfestivals, wie der Dutch Design Week in Eindhoven oder dem London Design Festival. So wählte etwa die London Design Fair „Biomaterialien“ zum Material of the Year. Die dazu in die Truman Brewery in Shoreditch eingeladenen Aussteller beschäftigen sich großteils mit der Verwertung von organischen Abfällen aus der Agrarindustrie. Das Projekt Totomoxtle von Fernando Laposse verwandelt die Blätter alter mexikanischer Maissorten in ein neuartiges Furniermaterial. Gleichzeitig wird damit der Gefahr entgegengewirkt, dass die Vielfalt an verschiedenen Maissorten in Mexiko aufgrund der Globalisierung verloren geht. Laposse kooperiert dazu seit 2016 mit einigen Familien in Tonahuixtla. Das Studio Chip[s] Board (Gründer: Rowan Minkley, Rob Nicoll) kreiert aus Kartoffel-Abfällen Produkte, die dem Modell der Kreislaufwirtschaft entsprechen. Unter anderem Parblex™ Plastics, ein lichtdurchlässiges Bioplastik-Material, das sich für Mode und Interieur anbietet. Der Niederländer Tjeerd Veenhoven wiederum arbeitet seit mehreren Jahren an Projekten, die die ungenutzten Palmblätter des Betelnuss-Baumes weiterverwenden. So entwickelte er Palmleather, ein vielseitig verwendbares Material, das eben nicht von Ölpalmen, sondern von Blättern, der in Indien weiterverbreiteten Areca-Palme fallen. Dieses Material ist extrem billig und für jeden verfügbar. Veenhoven strebt danach, nicht nur ein ökologisches Material zu kreieren, sondern auch soziales Unternehmertum zu unterstützen. Die Technologie, um das Rohmaterial zu verarbeiten, wird Open Source zur Verfügung gestellt. „Eine Innovation ist wenig wert, wenn sie nicht in das reelle Leben der Menschen implementiert wird. Auch mit Palmleather ist das nicht anders. 2010 habe ich in meinem Studio in Groningen die ersten Tests gemacht und die Technologie über die Jahre weiterentwickelt. Aber die größte Herausforderung ist es, eine Wertschöpfungskette für ein komplett neues Material aufzubauen“, sagt Veerhoven. Aus dem lederähnlichen Material kann von billigen Sandalen bis zu High-End-Konsumgütern alles hergestellt werden. Seit 2017 gibt es neben den Produktionsstätten in Südindien auch eine Fabrik in der Dominikanischen Republik. Aus den dortigen, etwas anderen Palmblättern werden die Palmleather Rugs produziert, die international erfolgreich sind. Das italienische Studio High Society kreiert Leuchten aus Industrieabfällen. Johannes Kiniger und Giulia Farencena Casaro verwenden dafür Hanfreste, Weintrester sowie die bei der Tabakherstellung weggeworfenen Blätter und Stängel. Mit jeder verkauften Leuchte unterstützt das Studio außerdem eine Initiative gegen Drogenabhängigkeit in Bolzano.
Ebenfalls in London, im Rahmen der Messe 100% Design, präsentierte die Designagentur MaterialDriven die Ausstellung Material Studio. Darin wurden 30 innovative, zum Teil neue Materialien und ihre Macher vorgestellt. Die chilenische Designerin Margarita Talep entwickelt in ihrem Projekt Desintegra.me unterschiedliche Arten von Bioplastik aus Algen. Die zugesetzten Farbstoffe stammen aus organischen Abfällen. Die Alge entpuppt sich als sehr vielseitiger Grundstoff, der sowohl zu starrem als auch flexiblem Bioplastik verarbeitet werden kann. Clémence Groin-Rigaux fokussiert in ihrer Arbeit auf Abfälle aus der Fleischindustrie. Ihr Material besteht aus Blut, Knochen, Fett, Haut, Haaren und sogar dem Urin von Tieren, die geschlachtet wurden. Rigaux hat den Anspruch, nicht nur den enormen Abfall dieser Industrie zu vermindern, sondern generell die Wahrnehmung darauf bei den Menschen zu verändern. Das niederländische Biotechnologie-Unternehmen Hoekmine ist auf die Erforschung und Herstellung von Farben aus Bakterien spezialisiert und wie Genetik das Farbverhalten von Bakterien verändern kann. Die Kernkompetenz des Teams liegt in der Anpassung von mikrobiellen Farben an Biosensoren und Biomaterialien. Die Technologie hat enormes Potenzial im Hinblick auf die Massenherstellung von biologisch abbaubaren, nachhaltigen und ungiftigen Farben, die nicht gemacht wurden, sondern gewachsen sind. Ebenfalls im Bereich Biotechnologie ist Elissa Brunato tätig. Sie kreiert bunt-schimmernde Pailletten aus in der Natur reichlich vorhandener Zellulose, einem Material, das leicht, fest und kompostierbar ist. Die Bio Iridescent Sequin schimmern von Natur aus ohne chemische Zusätze und sind deshalb eine nachhaltige Alternative für die Mode- und Textilindustrie. Das US-amerikanische Unternehmen Goodfellow hat sich auf die Produktion von umweltfreundlichen Materialien spezialisiert. Wie etwa die PLAs (Polyactic Acid) Granulate. Dabei handelt es sich um natürliches Polyester, das aus der Fermentation von Bakterien gewonnen wird. Es ist Bioplastik, das sich in der Erde, in Kompost oder marinem Sediment ohne schädliche Rückstände zersetzt. Das interdisziplinäre, britische Designstudio TY Syml arbeitet mit Myzel zur Entwicklung von Materialien. Aus den fadenförmigen Zellen (Hyphen) eines Pilzes oder Bakteriums hat das Team zum Beispiel die Leuchte SILO oder 3D-Fliesen entwickelt, die sehr widerstandsfähig, leicht und an ihrem Lebensende kompostierbar sind.
Das Zeitalter der Bio-Symbiose
Biodesign war auch einer der Schwerpunkte der Dutch Design Week 2019 in Eindhoven. So führte die Bio Design Route vorbei am „Growing Pavilion“ von Pascal Leboucq, der der Frage nachging, welche Rolle biobasierte Materialien im Bauwesen spielen können über die Ausstellung „Chemarts“ im Veem, wo neue Konzepte für die Verwendung von holz- und zellulosebasierten Materialien, die von Studierenden und Professoren der Aalto Universität erforscht werden, präsentiert wurden bis hin zum „Biomaterials Archive“ von Studierenden der Design Academy Eindhoven, in dem Biodesign-Objekte, DIY-Maschinen, gewachsene Materialien sowie Materialien aus recyceltem Abfall gezeigt wurden. Diese jungen Designer nehmen die Sache selbst in die Hand, züchten Organismen und recyceln, was das Zeug hält. Sie präsentierten Alternativen zu Leder, Kunststoff, Marmor, Baumwolle, MDF und vieles mehr.
Unter den diesjährigen Kuratoren des Festivals war auch Jalila Essaïdi, die sich auf biobasierte Materialien und Bio-Art spezialisiert hat und mit Projekten wie „bulletproof skin“ oder „Mestic“ internationales Aufsehen erregte. Außerdem ist sie die Gründerin von BioArt Laboratories. Ebendort (einem ehemaligen Militärkomplex innerhalb eines Waldes) initiierte sie für das Festival verschiedene Ausstellungen zum Thema Biodesign: „Ich bin froh, dass BioArt und Biodesign so gute Akzeptanz finden auf der Dutch Design Week. Als ich vor 10 Jahren an der Schnittstelle von Biotechnologie und Kunst zu arbeiten begann, wurde das als nicht normal angesehen. Wir bewegen uns jetzt vom menschen-zentrierten Anthropozän hin zu einer Ära der Symbiose aus Natur, Technologie und Gesellschaft“, ist Essaïdi überzeugt. Die BioArt Laboratories in Strijp waren ohne Zweifel einer der Hotspots der DDW. In ihrem „Symbiocene Forest“ wurden die Kernprinzipien des Symbiozäns (Mensch, Natur und Technologie leben in Symbiose) veranschaulicht: volle Kreislauffähigkeit, die Eliminierung jeglicher giftiger Substanzen, vollständige und sichere biologische Abbaubarkeit aller vom Menschen benutzten Materialien sowie die nahtlose Integration von Technologie in physische und lebende Systeme.
Das wachsende Material
Auch wenn die bisherigen Zeilen dieses Artikels anderes vermuten lassen, sind konkrete Biodesign-Produkte, die bereits im Massenmarkt angekommen sind, Mangelware. Zum Beispiel sind sie in der Modewelt nur im High-End Bereich zu finden. Kein Wunder, denn hinter jedem vermarktbaren (Textil)Produkt stehen viele Jahre Entwicklung, die erst einmal finanziert sein will. So wenig Biodesign im Markt vertreten ist, so lebendig ist die wissenschaftliche Szene. Dort geht es in wesentlichen Teilen um das Züchten von Zellen, um Material, das wächst und dessen DNS so beeinflusst werden kann, dass es genau die gewünschten Eigenschaften hat. Die Veranstaltung Biodesign Here Now im Container-Park von Open Cell in London zeigte eine Fülle von Ansätzen in diesem Bereich. Piero D´Angelo etwa ist ein Modedesigner, der Kleidung aus lebenden Organismen herstellt. Dafür verwendet er zum Beispiel den Schleimpilz, dessen Eigenschaften er so zu kontrollieren versucht, dass daraus vorgefertigte Muster entstehen, die mithilfe von Technologie in der Modeindustrie verwendet werden können. Aber der Schleimpilz hat noch sehr viel mehr drauf: So könnte er für sich selbst reparierende Stromkabel oder als Biosensor verwendet werden. Letzteres funktioniert über die Interaktion mit Enzymen, die von Bakterien in kontaminierten Gebieten produziert werden. Das heißt, der Schleimpilz würde bei umweltschädlichen Vorfällen einen Duft aussenden, der die Menschen darauf aufmerksam macht. D´Angelo absolviert derzeit seinen Master am Royal College of Art, Fachbereich: Fashion Womenswear. Ebenfalls mit Pilzen bzw. dem Myzel arbeitet Blast Studio. Paola Garnousset, Pieree de Pingon und Martin Detoeuf betrachten Abfall als wertvolle Ressource und kreieren aus diesem neuen „Rohstoff“ anspruchsvolle Designs. Mit ihrem Projekt „Lovely Trash“ sammeln sie gebrauchte Coffee-to-go-Becher und recyceln sie mittels Myzel. Das ist eine enorme Leistung, denn in Großbritannien war es bisher so, dass 99,75 % der Kaffeebecher auf der Mülldeponie landeten (30.000 Tonnen pro Jahr). Warum? Werden sich jetzt manche fragen, die bestehen doch aus Karton. Leider nicht. Der äußere Karton ist an der Innenseite mit einer dünnen Schicht Plastik beklebt. Beides ist sehr schwer zu trennen. Blast Studio schreddern und sterilisieren die Becher und setzen die dabei entstehende Masse dem Myzel aus. Das daraus gewonnene Material kann zur Herstellung von nachhaltigen Möbeln und Objekten verwendet werden. Blast ist übrigens die Abkürzung für Biological Laboratory of Architecture and Sensitive Technology.
Den Weltenbaum Yggdrasil aus der nordischen Mythologie hat sich der Hub for Biotechnology in the Built Environment, eine Initiative der Universitäten von Newcastle und Northumbria, zum Symbol erkoren. Wie in Eindhoven geht es auch dieser Wissenschaftlergruppe um ein Verständnis der Welt, das nicht anthropozentrisch ist. Im Rahmen von Biodesign Here Now stellten Thora H Arnardottir, Assia Stefanova, Dilan Ozkan und Sunbin Lee ihre jeweiligen Projekte vor. Allen gemein ist das Ziel, mithilfe von Biotechnologie neue umweltfreundliche Baumaterialien herzustellen. Dazu sei die Entwicklung einer neuen Generation von mikrobieller Technologien notwendig, mit denen eine Art neuer Bau-Metabolismus entstehen soll. Neue, lebende Materialien müssten entwickelt werden, die intelligent synthetisiert und/oder mittels mikrobieller Prozesse aktiviert werden können, sagt Ozkan. Einen wichtigen Teil in der Arbeit der Forscherinnen nimmt das bessere Verständnis und auch die Vorhersagbarkeit der Interaktion von gebauter Umwelt und dem Mikrobiom ein. Durch Kultivierung oder Beeinflussung des Mikrobioms soll mit Gebäuden eine gesunde Umwelt geschaffen werden. Dies würde eine völlige Veränderung des Bauwesens bedeuten, mit Gebäuden, die nicht gebaut werden, sondern die wachsen. Dilan Ozkan erklärt: „Wir forschen an neuen Baumaterialien, die sich selbst aufbauen, die autonom sind. Wir kontrollieren das Wachstum des Myzels und das Ergebnis ist etwas, das lebt. Es geht um Gebäude, die wirklich wachsen. Wir schaffen für das Material nur die optimalen Bedingungen und dann wächst es von selbst. Diese völlig neue Art des Baumaterials ist unser großer Traum. Ich selbst bin gerade dabei, eine Art 3D-Drucker zu bauen, mit dem Nährstoffe ins Myzel eingeführt werden, um es auf eine bestimmte Weise wachsen zu lassen. Ich bin noch in der Testphase, am Ende werde ich alle Ergebnisse kombinieren und die Maschine bauen. Wir sind hier alle Architekten, aber in unserer Branche arbeiten die wenigsten auf diese Art. Ich denke aber, in der Architektur der Zukunft wird es nur um solche Dinge gehen.“
Biomaterial ≠ Biomaterial
Eine der bekanntesten Persönlichkeiten im Biodesign ist Suzanne Lee. Die in den USA lebende Britin ist eine Pionierin der Branche und hat den Begriff Biocouture geprägt. In New York hat sie Modern Meadow mitgegründet, ein Start-up, das erstmals ein organisch hergestelltes Material aus Collagen-Protein unter dem Namen Zoa™ vermarktet. 2014 gründete Lee Biofabricate, ein internationales Summit, das sich an der Schnittstelle von Design, Biologie und Technologie bewegt. Am 5. Dezember 2019 wird dieses Branchentreffen erstmals nicht in New York, sondern in London stattfinden. In der Liste der Redner finden sich unter anderen Adital Ela von CRIATERRA, Ginger Krieg Dosier von bioMASON, David Breslauer von Bolt Threads oder Karin Fleck vom Vienna Textile Lab. Am Rande der Veranstaltung Biodesign Here Now vergangenen September, zu der Lee als Keynote-Speaker eingeladen war, erklärte sie im FORMFAKTOR-Interview, warum Biodesign in der Industrie noch bei Weitem nicht angekommen ist und weshalb ein signifikanter Unterschied zwischen Biomaterial und Biofabrikation besteht. „Durch die starke Medienpräsenz bekommt man leicht den Eindruck, dass im Biodesign derzeit sehr viel passiert und dass eine neue Revolution im Gange ist. Aber das stimmt nicht. Die Realität sieht so aus, dass es auf der ganzen Welt vielleicht ein Dutzend Unternehmen gibt, die alle noch ganz am Anfang dessen stehen, was irgendwann einmal ein sehr weites Feld sein wird. Im 21. Jahrhundert wird Biodesign unser aller Leben in vielen verschiedenen Bereichen beeinflussen. Vom Essen über die Kleidung bis hin zu unseren Wohnungen. Aber es ist eine sehr lange Reise, auf der sehr komplexe, enorm innovative wissenschaftliche Herausforderungen zu überwinden sind“, stellt Lee klar. Die Ursache für den niedrigen Status Quo in Bezug auf die Marktreife sei in den langen Entwicklungszeiten zu finden, die notwendig seien, um Biomaterialien herzustellen. „Es gibt zum Beispiel die japanische Firma Spiber, ein Biotech-Unternehmen, das Mikroben zur Herstellung von Seide nutzt. Sie brauchten 12 Jahre, um das Material soweit zu entwickeln, dass man daraus eine Jacke machen kann. Von ihrem Moon Parka werden jetzt im Dezember gerade einmal 50 Stück präsentiert: 50 – nach 12 Jahren Arbeit, Millionen von Euro, Hunderten Wissenschaftlern. Wirkliche Innovationen brauchen in diesem Bereich sehr sehr lange“, sagt Lee.
formfaktor: „Tragen Sie heute Biomaterialien?“
Suzanne Lee: „Nein. Fragen Sie mich, warum nicht?“
formfaktor: „Warum nicht?“
Lee: „Weil man keine kaufen kann. Tatsächlich habe ich vor etwa 10 Jahren Biomaterialien getragen, die ich selbst hergestellt habe. Aber dann habe ich damit aufgehört, weil es wirtschaftlich einfach nicht rentabel war. Heute ist die Ausgangssituation eine andere, bessere. Es gibt vom deutschen Unternehmen AMSilk Uhrenarmbänder – ich besitze selbst eines – und die kooperieren mit dem Luxus-Uhrenhersteller Omega. Sie haben ein Armband aus Spinnenseide entwickelt, das komplett auf Bakterienwachstum basiert. Das war wahrscheinlich das weltweit erste kommerzielle Produkt und es wurde im Januar 2019 präsentiert. Auch dieses Unternehmen hat 10 Jahre daran gearbeitet. Ich glaube, dass wir in den nächsten drei Jahren langsam mehr und mehr Produkte sehen werden, die auf den Markt kommen.“
Auch wenn die Modeindustrie nach alternativen, innovativen, nachhaltigen Materialien verlangt, wir es noch einige Jahre dauern bis Biomaterialien stärker im Markt vertreten sein werden. Das liege vor allem daran, dass Modehäuser zwar neue Materialien wollen, aber nur wenige bereit seien, auch die Forschung zu finanzieren, weiß Lee. Und sie warnt vor dem Biodesign-Hype und vor den vielen Hybrid-Materialien mit geringem Bio-Anteil, was eine Art Bio-Washing sei und alles andere als ökologisch. „Es gibt nicht das eine Biomaterial. Dieses Wort kann sehr viele verschiedene Dinge bedeuten. Wenn man zum Beispiel aus Mais ein Garn herstellt und es dann mit einem anderen Material, das nicht nachhaltig ist kombiniert, kann es das Label biobasiert tragen. Auf diese Weise definiert das USDA, das US Department of Agriculture, den Begriff Biomaterial. Man kann einen Teppich kaufen, der das Label bio-based trägt, aber nur 7 % Biomaterial enthält und 93 % Plastik. Aber rechtlich dürfen sie es bio-based nennen. Oder andere verarbeiten Abfälle aus der Agrarindustrie zu Produkten, die jedoch nur 50 % Bio enthalten, der Rest ist Polyurethan. Und woraus besteht Polyurethan? – aus Öl. Diese Hybrid-Materialien sind weder zu 100 % Biomaterial, noch zur Gänze Plastik – was zumindest recycelbar wäre. Das heißt, wir haben hier eine Art Frankenstein-Material, das man weder recyceln noch kompostieren kann“, bedauert Lee. Sie wünscht sich ein kritischeres Konsumentenverhalten. Menschen, die sich nicht von dem Wort Bio blenden lassen, sondern genau nachfragen, was denn tatsächlich in dem jeweiligen Biomaterial enthalten sei und wie es hergestellt werde. Sie rät zur Vorsicht: „Jeder verlangt nach einem Ersatz für Plastik, aber wir wollen nicht ein neues Plastik erschaffen. Etwas, das im Moment gut aussieht, aber nach ein paar Jahren finden wir heraus, dass wir fundamental falsch liegen. Außerdem müssen wir als Designer das gesamte System hinterfragen, nicht nur das Material, den gesamten Lebenszyklus und auf jedes Detail achten.“
Die Zukunft von Biodesign ist vielversprechend. Auf dem Weg dahin gilt es die Spreu vom Weizen zu trennen, also die wirklich nachhaltigen, kreislaufwirtschaftsfähigen Materialien und Entwicklungen von jenen zu unterscheiden, die sich nur mit dem Label Bio schmücken, weil unzureichende gesetzliche Richtlinien es ihnen erlauben. Um das zu erkennen, muss man von Fall zu Fall genau hinsehen und sich nicht auf das Etikett verlassen. Denn nur weil Bio draufsteht, muss noch lange nicht zukunftsfähige Nachhaltigkeit drinnen sein.
Biotech im Open Cell London
Open Cell ist eine einzigartige Einrichtung in direkter Nachbarschaft zum Londoner Shepherds Bush Market, in der Forscher, die sich mit Biotech befassen und sich in einer frühen Phase ihrer Arbeit und Karriere befinden, gefördert werden. Open Cell bietet günstigen Raum für Laboratorien an. Einem breiteren Publikum wurde Open Cell durch ihren Beitrag zur V&A-Ausstellung „FOOD: Bigger than the Plate“ bekannt. Thomas Meany und Helene Steiner, die Gründer von Open Cell, hatten dafür aus menschlichen Bakterien, Käse hergestellt. Open Cell wird unter anderem vom österreichischen Wissenschaftskollektiv Biotop unterstützt.