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Kryptografische Kunst – Geschichte und Relevanz von NFT

von Markus Schraml
Larva Labs, On NFTs

NFTs (Non-Fungible Token) sind Kryptowerte (digitale Darstellungen eines Wertes), die im Unterschied zu Kryptowährungen (z. B. Bitcoin) einmalig und nicht austauschbar (non-fungible) sind. Das bedeutet, dass ein NFT nur ein einziges Mal existiert, und das ist die Grundvoraussetzung für den Erfolg von NFTs als digitale Kunstwerke. Durch das Erzeugen (Minten) eines NFT und die Integration in die Blockchain kann das Eigentumsverhältnis wie bei klassischen Kunstwerken nachgewiesen werden.

Nun wird im Taschen-Verlag das erste umfassende Buch über dieses Thema unter dem Titel „On NFTs“ erscheinen. Darin legt Herausgeber Robert Alice die Geschichte und Bedeutung dieser digitalen Kunstform umfassend dar. Der Ursprung von NFTs findet sich in der Blockchain-Technologie (dezentrale Datenbank), die im Jahr 2008 durch die Veröffentlichung des Bitcoin-Whitepapers von Satoshi Nakamoto präsentiert wurde. Vorläufer sind Hal Finneys „Crypto trading cards“ oder Adam Backs Whitepaper für Hash-cash. ASCII Bernanke (2011) war das erste eigenständige „Kunstwerk“ auf der Blockchain, eingebettet von Dan Kaminsky. Es stellte ein Porträt des Kryptografen Len Sassaman dar und war einfach ein generiertes Bild, das auf der Blockchain gespeichert wurde.

Dieses Video gibt Einblick in die Produktion des Edelstahlschubers sowie des Druckvorgangs. © TASCHEN

Open Source und persönliches Eigentum

2014 schürfte (minted) Kevin McCoy „Quantum“. Es ist das erste Kunstwerk, das diese Bezeichnung auch verdient und das mithilfe von Hyperlink-Strukturen erstellt wurde, die heute in der gängigen NFT-Technologie zu finden sind. Was trieb einen Künstler wie McCoy, dessen Werke im MoMA und im Metropolitan Museum of Art vertreten sind, dazu, sich mit einer Technologie zu beschäftigten, die zu jener Zeit eher mit dem Darknet in Verbindung gebracht wurde? Die Antwort liegt in dem grundlegenden Wandel, den Bitcoin für die bis dato Randerscheinung der digitalen Kunst bedeutete. Es ist „die magische Alchemie, durch die alles Open Source und transparent ist und es dennoch immer noch und unbestreitbar die Idee des spezifischen Eigentums gibt“, zitiert Robert Alice in seiner Analyse den Künstler.

Erstes NFT-Kunstwerk, das jemals kreiert wurde – Kevin McCoy, Quantum (2014). © Kevin McCoy

„Diese Kombination des öffentlichen (demokratischen) und privaten (wirtschaftlichen) Lebens eines digitalen Kunstwerks löst für das Web 1.0 die utopischen Ziele der freien Zirkulation von Bildern und Kultur ein, während Web3 nun das Individuum (in diesem Fall den digitalen Künstler) als neuen Ort der wirtschaftlichen Zentralität etabliert. Digitale Kunstwerke können jetzt gleichzeitig geteilt und besessen werden“, schreibt Alice.

Daran, dass das Thema NFT-Kunst ab 2020 – 21 in die Höhe schoss, hat auch Robert Alice selbst einen entscheidenden Anteil, denn er war der erste Künstler, von dem ein Werk in einem großen Auktionshaus versteigert wurde (2020): „Portraits of a Mind (2019 – ). Dies ebnete den Weg zur Versteigerung von Beeples „Everyday: The First 5000 Days“ (2021) für 69 Millionen US-Dollar. Im Hinblick auf den Schauwert gibt die Auswahl von 101 Künstlern (aus 32 Ländern) bzw. der Abdruck ihrer Werke in diesem 600-seitigen Buch einen fundierten Einblick in die Szene. Dabei sind die künstlerischen Zugänge und Ausdrucksformen so unterschiedlich wie bei Kunstwerken und Künstlern in der physischen Welt. So ist etwa das künstlerische Thema von Dmitri Cherniak die Automatisierung bei der Erstellung von Kunstwerken. Bekanntheit erlangte das „Ringers“-Projekt des in Toronto geborenen New Yorkers. Das einfache Konzept, Schnüre um Stifte zu wickeln, führte in dem algorithmisch generierten Projekt zu 1.000 einzigartigen und dennoch zusammenhängenden Kunstwerken.

Oder Refik Anadol, dessen „Living Architecture: Casa Batlló“ (2022) bei Christie’s für immerhin 1,38 Millionen Dollar verkauft wurde. Der in Istanbul geborene, heute in Los Angeles lebende Künstler beschäftigt sich mit den Herausforderungen und Möglichkeiten, die das Ubiquitous Computing für die Menschheit mit sich bringt sowie mit der Frage, was es bedeutet, im Zeitalter von KI ein Mensch zu sein. Er untersucht, wie sich die Wahrnehmung von Zeit und Raum verändert haben, angesichts eines Alltags, der von (digitalen) Maschinen dominiert wird.

Der Zugang zu NFTs kann auf unterschiedliche Art erfolgen. Bilden Erfahrungen in IT und Computerwissenschaften oft einen Ausgangspunkt, so finden sich auch Persönlichkeiten aus der klassischen Kunstwelt darunter, die ihren Wirkungskreis ins Digitale erweitert haben. Ein Beispiel ist Urs Fischer. Der Schweizer feierte Erfolge mit seinen Zeichnungen, Objekten, Installationen oder haushohen Skulpturen, lange bevor NFTs das Licht der Welt erblickten. Mit seinen digitalen Kunstwerken löste er sich dann aber von den physischen Limitationen. Etwa mit der CHAOS-Serie (2021-22), wo er 1.000 unterschiedliche Alltagsgegenstände zusammenstellte und sie paarweise arrangierte, um sie in ihrer Gegensätzlichkeit wirken zu lassen.

Theorie und Perspektiven

In einer Reihe von Essays werden in „On NFTs“ von verschiedenen Autoren unterschiedliche Aspekte des Themas beleuchtet: So präsentieren in „On Crypto Art“ Jason Bailey, einer der ersten Kommentatoren und Sammler auf diesem Gebiet, und Alex Estorick, Chefredakteur von Right Click Save, ihre Interpretation des Begriffs Kryptokunst und der Bewegung, die er hervorgebracht hat. Sofia Garcia, eine führende Kuratorin im Bereich der algorithmischen Kunst, zeichnet die Geschichte von den 1960er-Jahren bis zu ihrer Renaissance auf der Blockchain nach. Eine der einflussreichsten Künstlerinnen im NFT-Bereich, Rhea Myers, steuert den Aufsatz „On Chain“ bei, der sich mit der Idee von Smart Contracts und der Blockchain selbst als künstlerischem Medium befasst. Mit Beiträgen von Beeple, Refik Anadol, Brendan Dawes, Emily Xie, Erick Calderon, Harm van den Dorpel und Ry David Bradley wirft das Kapitel „On Process“ ein Licht auf die Studiopraktiken und -prozesse, die bei der Herstellung technisch komplexe Arbeiten zum Einsatz kommen.

Insgesamt ergibt dies ein voluminöses Werk, eine Art Landkarte aus Stimmen von Theoretikern und Praktikern, die die Welt der kryptografischen Kunstform NFT vielfältig erläutern und veranschaulichen. Dem Taschen-Verlag und Herausgeber Robert Alice ist es hoch anzurechnen, dass dieses digitale Thema in geballter Form seinen erklärenden Niederschlag in der physischen Buchwelt findet. Wobei die beiden Welten gar nicht so weit entfernt sind, denn wie Alice weiß: „Ohne Text existiert kein Bild auf der Blockchain. Ob es sich um eine codebasierte On-Chain-Arbeit oder einen Link zu einem dezentralen Dateiserver handelt, Text ist der Strom und die Währung, die NFTs hervorbringt und sichert.“

On NFTs. Collector’s Edition. Hg. Robert Alice, Hardcover im Schuber, 36 x 50 cm, 11,2 kg, 604 S., mit einem Booklet, 21 x 29,7 cm, 24 S., (Nr. 1–2.500), Preis: € 750 (ab 29. März verfügbar, kann vorbestellt werden).

Ebenfalls gibt es das Buch in einer zweiten limitierten Collector’s Edition mit Edelstahlschuber (€ 1.500) sowie in vier limitierten Art Editions (je 1-100) mit je einem NFT, einem signierten Print des NFTs und dem Buch On NFTs im Edelstahlschuber (verfügbar ab 1. Mai 2024, Preise zwischen 2.250 und 4000 Euro).



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