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Design that Educates 2020 – Gestaltung, die bildet

von Markus Schraml
Design that Educates 2020

Dass Architektur und Design das Potenzial haben, bildend zu wirken, ist für die Organisatoren von „Design that Educates” keine Frage, sondern ein Umstand, den es zu ehren gilt. Mit den „Design that Educates Awards“ (DtEA), die heuer zum zweiten Mal verliehen wurden, sollen die weltweit besten Ideen in der gebauten Welt sowie der Gestaltung in kleinerem Rahmen ausgezeichnet werden. Das Thema des Preises geht auf die Forschungen von Dr. Peter Kuczia zurück, der den Begriff „Bildende Bauten” geprägt hat. Gesponsert wird der Award von der Solarlux GmbH, für die Durchführung ist die Laka Foundation verantwortlich. Im Vergleich zum Vorjahr wurde der Wettbewerb um eine Kategorie erweitert. Neben architectural design, product design und universal design wird 2020 auch ein Preis für responsive design vergeben. Zusätzlich verlieh die 13-köpfige Jury einen Preis unter dem Titel emerging designers und Hauptsponsor Solarlux wählte zwei Projekte aus, die mit dem Solarlux Choice-Award ausgezeichnet wurden.

Gewinner in der Kategorie Architektur ist ein Projekt der Bjarke Ingels Group (BIG) und SLA – das „Amager Bakke“. Für Copenhill haben die Architekten von BIG sowie die Landschaftsarchitekten von SLA eine Müllverbrennungsanlage mit einem urbanen Freizeitzentrum kombiniert. Internationale Aufmerksamkeit erregte das Projekt aufgrund einer Skipiste, die über das Dach der Anlage führt. Es gibt aber auch einen Naturpark, eine Kletterwand, einen Wanderweg sowie ein Ausbildungszentrum zum Thema Umwelt. Die 88 Meter hohe Müllverbrennungsanlage mit einer Dachneigung von bis zu 45 Grad stellt nicht nur eine Herausforderung für (dänische) Skifahrer dar, sondern vor allem für die Landschaftsgestalter, denn die schwierigen Wind- und Wetterbedingungen, verlangten nach spezieller Vegetation. Dazu kam die Wärme der Anlage unter dem Dach. Diesen herausfordernden Lebensbedingungen begegnete SLA mit verschiedenen Tests sowohl im Hinblick auf geeignete Pflanzen als auch Materialien. Das Ergebnis ist ein üppiges, robustes Naturdesign, das die Nutzung des Dachparks das ganze Jahr über ermöglicht. Übrigens verwandelt die Müllverbrennungsanlage jährlich 440.000 Tonnen Abfall in Energie und versorgt damit 100.000 Häuser mit Strom und Heizung.

Als bestes Produktdesign wurden die „Alma – Therapy Dolls“ von Yaara Nusboim ausgezeichnet. Die junge Gestalterin, die ihren Abschluss am Shenkar College of Engineering and Design (Israel) gemacht hat, designte Spielzeuge für Kinder, die mit emotionalen Problemen zu kämpfen haben. Die Holzpuppen sollen Teil des therapeutischen Prozesses sein. „Während meiner Recherche zu diesem Thema war ich überrascht, dass bis heute sehr wenig spezielles Spielzeug für die Behandlung verwendet wird, obwohl die Bedürfnisse von Therapeuten und Patienten danach verlangen. Normales Spielzeug kann das nicht bieten. Das war meine Motivation für das Projekt: Spezielles Spielzeug zu entwerfen, das auf die Behandlung von Kindern mit emotionalen Problemen zugeschnitten ist, damit sie sich leichter mit ihrer inneren Welt verbinden können“, erklärt Nusboim. Für das Projekt hat die Designerin mit Kinderpsychologen und -therapeuten zusammengearbeitet. Die Form der Puppen basiert auf den Informationen, welche die Experten ihr vermittelten. Die Puppen sollen die Bandbreite der Emotionen darstellen, die bei Therapiesitzungen auftauchen können: Angst, Schmerz, Leere, Liebe, Wut oder Sicherheit. Es war eine enorme Herausforderung, Emotionen zu designen. Nusboim bekennt: „Die meiste Zeit habe ich damit verbracht, die entsprechende Form für die jeweilige Emotion zu finden. Und die richtige Balance zwischen figurativer Darstellung und Abstraktion zu erreichen.“

In der Kategorie „universal design“ zeichnete die Jury die „Acoustic Mirrors“ des Projekts „The Boulevard of Physicists“ aus. Dabei handelt es sich um eine Gestaltung im öffentlichen Raum, dem historischen Boulevard prof. Zwierzycki im Stadtzentrum von Breslau. Er soll zu einem „Garten der Physik-Experimente“ umgeformt werden. Dazu sind eine Reihe von interaktiven Installationen unterschiedlichster Art geplant. Gleichzeitig soll der neue Pfad an Attraktivität und Funktionalität gewinnen. Sodass nicht nur die Installationen leicht zugänglich sind, sondern auch der Weg zum Fluss Odra. Generell will das Konzept das physikalische Phänomen des Wasserflusses reflektieren. Der Boulevard der Physiker soll in mehreren Phasen aufgebaut werden. In der ersten Phase wurden zwei Acoustic Mirrors (Akustikspiegel) entlang der Universität von Breslau installiert. Durch diese Spiegel kann Schall über eine bestimmte Entfernung übertragen werden. Personen, die an den jeweils gegenüberliegenden Spiegeln stehen, können kommunizieren (ohne Handy). Verantwortlich für die Gestaltung der „Acoustic Mirrors“ im „Boulevard of Physicists“ sind Anna Grajper und Sebastian Dobiesz von LAX laboratory for architectural experiments.

The Shed“ in New York City ist Gewinner in der Kategorie „responsive design“. Das 18.500 m² große Zentrum für Kunst widmet sich der Auftragserteilung, Produktion und Präsentation von Kunstwerken aus allen Disziplinen. „The Shed“ liegt auf einem Grundstück der Stadt, genau dort, wo die High Line auf den neuen Stadtteil Hudson Yards trifft. Das Besondere an den Galerien dieses Zentrums ist die Tatsache, dass sich ein Teil der Außenhülle verschieben lässt. Bei Bedarf gleitet sie auf einen angrenzenden Platz, womit die Ausstellungsfläche verdoppelt werden kann. Die „Umwandlung“ des Raums erfolgt mit Portalkran-Technologie im industriellen Maßstab. Damit kann die Stahl- und ETFE-Hülle innerhalb von fünf Minuten ausgefahren werden. Dazu ist gerade einmal die Kraft eines einzelnen Autos notwendig. Die unveränderlichen Teile des Gebäudes beherbergen zwei Ebenen an Galerie-Räumlichkeiten, ein 500 Plätze fassendes Blackbox-Theater, einen Proberaum, ein Kreativ-Labor, einen Raum für Events und ein Café. „The Shed“ nimmt die westlichen, zehn unteren Stockwerke eines Wohnturms ein. Das ausführende Architekturbüro Diller Scofidio + Renfro ließ sich für dieses gewagte Projekt von Cedric Prices „Fun Palace“ (1961) inspirieren. Ein flexibles Raumgestaltungskonzept, das der britische Architekt mit der Theater-Regisseurin Joan Littlewood entwickelt hatte, das jedoch nie umgesetzt wurde. Gleichwohl übte es Einfluss auf Architekten wie Richard Rogers und Renzo Piano aus. Im Pariser Centre Georges Pompidou wurden viele von Prices Ideen weiterentwickelt.

Der „emerging designers“-Award geht an ein Gemeinschaftsprojekt im südafrikanischen Kapstadt, das Guga S‘Thebe Theatre. Es handelt sich um ein 560 m² großes Theater- und Kulturzentrum, das zwischen 2013 und 2015 unter mithilfe von Studierenden und der lokalen Bevölkerung entstanden ist. Beteiligte Büros und Universitäten waren das Georgia Institute of Technology (Atlanta, USA), die Technische Hochschule Aachen, die Peter Behrens School of Arts in Düsseldorf, das Kölner Ingenieurbüro imagine structure sowie CS Studio Architects in Kapstadt. Für das Projekt konnten noch eine Reihe weiterer Kooperations- und Unterstützungspartner gewonnen werden. Im Kern ist das Guga S‘Thebe Theater in Langa, dem ältesten Township in Kapstadt, ein Zentrum für Kinder. Aber ganz dem Namen entsprechend zieht das Zentrum auch Jugendliche, Künstler und sogar Touristen an. Dieses auf Nachhaltigkeit ausgerichtete, selbst initiierte Design + Build-Projekt wurde gemeinsam mit der örtlichen Gemeinde entwickelt. Neben Theaterproduktionen finden hier auch Konzerte, Gottesdienste, Eheschließungen und – vielleicht am wichtigsten – Festivals statt. Jüngere Mitglieder der Community sollen dadurch positiv beeinflusst werden, vor allem im Hinblick auf die Entwicklung der Gemeinschaft selbst. Die Architekten erweiterten das bestehende Kulturzentrum mit einem großen, flexiblen Mehrzweckraum mit Innen- und Außenbereichen. Die Erweiterung besteht aus elf kombinierten, wiederverwendeten Schiffscontainern und bietet einen Aufführungsraum mit mehrstufigen Konfigurationsmöglichkeiten für maximal 200 Personen.

Sponsor Solarlux nahm sich die Freiheit, für 2020 gleich zwei Projekte vor den Vorhang zu bitten. Den „Solarlux Choice“-Award erhalten das experimenta heilbronn von sauerbruch hutton und Phonotype von Walda Verbaenen. Das Experimenta-Gebäude ist eine Art räumliches Werkzeug zum Lernen und Verstehen. Die Architektur des Gebäudes fungiert praktisch selbst als illustratives Objekt. Demonstriert werden die Überwindung der Schwerkraft, die Reaktion auf Sonne und Licht, der Schutz vor Hitze und Kälte sowie die Beziehung von architektonischem Raum und Mensch. Wissenschaftliche Neugier wird hier mittels Raum und Konstruktion angeregt. Fürwahr eine Architektur, die lehrt. Das Gebäude steht übrigens im Zentrum von Heilbronn auf einer Insel im Neckar. „Phonotype“ ist eine neue Schrift, die von der Belgierin Walda Verbaenen entwickelt wurde. Es geht darum, die niederländisch / flämische Sprache leichter erlernbar zu machen. So werden Buchstaben, wenn sie länger ausgesprochen werden müssen, gestreckt. Wenn für Buchstaben unterschiedliche Aussprachen möglich sind, wird dies auf andere Weise dargestellt. Buchstabenkombinationen, die einen anderen Klang bilden wiederum, sind miteinander verbunden. Auf diese Weise soll für Lernende, die Aussprache visuell klarer werden. Zusätzlich wurden Töne aufgezeichnet, die als erweiterte Aussprache-Hilfe als QR-Codes gespeichert wurden. Die Schwierigkeit speziell im Niederländischen besteht in unterschiedlichen Doppelklängen, hauptsächlich in den Vokalen.

Die offizielle Preisverleihung wird im Rahmen der Konferenz „Architektur im Foyer 2020“ auf dem Solarlux Campus in Melle (Deutschland) stattfinden. Die Konferenz besteht aus einer Ausstellung der ausgezeichneten Arbeiten, Präsentation der Preisträger, Workshops sowie Vorträgen namhafter Architekten und Designer. Für die kostenlose Teilnahme ist eine Anmeldung erforderlich. Der genaue Termin wird aufgrund der derzeitigen Coronamaßnahmen-Situation erst bekanntgegeben.


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