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Deutscher Nachhaltigkeitspreis Design – nominierte Visionen

von Markus Schraml
DNP 2021

Die Nominierten des Deutschen Nachhaltigkeitspreis Design 2021 stehen fest. Nach der Premiere dieses Preises im letzten Jahr hatten nun wieder Agenturen, Studierende und Start-ups bis Mitte Mai Zeit, ihre Ideen und Innovationen einzureichen. Dass sich das Selbstverständnis von Designer*innen rapide verändert hat, zeigen zahlreiche nachhaltige Produkte und Systeme, mit denen die Kreativen schon seit geraumer Zeit für Aufsehen sorgen. Umweltbewusstsein, Ressourcenschonung und die Kreislaufwirtschaft stehen heute auf der Agenda der meisten Absolvent*innen von Designschulen. Nicht mehr der schöne „Schein“, die Ästhetik allein zählt, sondern wie die Dinge produziert und welche Materialien überhaupt dafür verwendet werden, sind Thema. Deshalb ist ein Siegel wie der Deutsche Nachhaltigkeitspreis geradezu prädestiniert dafür, um Designleistungen, die an einem positiven Wandel mitarbeiten, vor den Vorhang zu holen.

Projekte und Produkte, die es auf die Nominierungsliste des Deutschen Nachhaltigkeitspreises geschafft haben, sind in bereits auf dem Markt erhältliche Erzeugnisse und Visionen unterteilt. Letztere sind besonders interessant, weil sie in die Zukunft weisen. Zu den visionären Ideen zählen zum Beispiel kreislauffähige Herrensandalen (Reslides), die als Bausatz ausgeliefert werden, oder zirkuläres Brillenleasing, wo Insektenfarm, Chitosanproduktion und Verarbeitung miteinander kombiniert werden (madeLocal, ein Projekt an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle).

Batterietechnologie der nächsten Generation

Schon sehr viel konkreter ist die Technologie der High Performance Battery GmbH in der Schweiz. Die in diesem Unternehmen versammelten Experten arbeiten an grünen Feststoffakkus. Mit einer erheblichen Verbesserung der Energie- und Ressourceneffizienz, dem Fehlen kritischer Rohstoffe und einer Leistung, die mit der Zeit nicht nachlässt, kann man hier von der fünften Generation der Batterietechnologie sprechen. Der Unterschied zu den derzeit verwendeten Lithium-Ionen-Akkus liegt in der sogenannten Deckschicht. Lithium-Ionen-Akkus altern, weil auf ihren Anoden durch Laden und Entladen eine Deckschicht entsteht. Diese wächst über die Zeit und mit jedem Gebrauch. Dies verbraucht Kapazität und erhöht den Innenwiderstand, deshalb nimmt die Leistung des Akkus ab. Mit der neuen Batterietechnologie bildet sich beim ersten Laden eine sehr dünne Deckschicht, die danach nicht mehr wächst. Durch die Verwendung eines patentrechtlich geschützten Elektrolyten (Festionenleiter) werden Innenwiderstand und Kapazität über die Lebensdauer hinweg konstant bleiben, glauben die Experten rund um CEO und Verwaltungsratspräsidenten Prof. Dr. Günther Hambitzer. Diese nahezu unbegrenzte Lebensdauer eröffnet neue Möglichkeiten, wie sie zum Beispiel für Speichertechnologien in der Energiewende benötigt werden. Stichwort Zwischenspeicher für Wind- und Sonnenenergie.

Raum für Menschen, nicht für Autos

Ein typisches Projekt, das zeigt, wie strategisch und übergreifend Designer*innen heute denken, kommt von der Designfirma Designit. Mit dem VeloHUB wollen sie eine Plattform schaffen, die dazu dienen soll, die Transformation hin zu autofreien Städten zu unterstützen. Im Kern ist es eine Bauanleitung, wie man bestehende städtische Parkplätze in flexible Erfahrungsräume für Mobilität, soziale Interaktionen, grüne Community-Begegnungsorte und Mikrounternehmen verwandeln könnte. Die Initiative will das modulare Konzept über partizipative Gestaltungsprozesse weiterentwickeln und plant hierzu eine Crowdfunding-Kampagne. VeloHUB wurde bereits mit einem Mobilitäts-Award des Rats für Formgebung ausgezeichnet und ist nun eben auch für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis nominiert. Auf der bald stattfindenden IAA Mobility will Designit nun erstmals eine physische Umsetzung des Konzepts zeigen. „Dass die entwickelte Idee schon vor ihrer Premiere so gut ankommt, freut uns sehr“, sagt Danusch Mahmoudi, Initiator und Managing Director von Designit Germany. „Die IAA Mobility gibt uns die tolle Gelegenheit, unseren Prototypen für ein breites Publikum erlebbar zu machen und unsere Gespräche mit Marken, Unternehmen, Städten und Kommunen weiterzuführen.”

Mit dem VeloHUB soll eine Plattform geschaffen werden, die dazu dient, die Transformation hin zu autofreien Städten zu unterstützen. © Designit

Platzhalter im urbanen Raum

Mit dem öffentlichen Raum beschäftigen sich auch Lasse Schlegel und David Schwarzfeld. Die beiden Studenten wollen ihn von unerwünschter Werbung befreien, die in Städten massiv auftritt. Mit der Aktion „Platzhalter“ schufen sie einen Gegenentwurf zu konventioneller Außenwerbung in der Innenstadt von Hannover. Schlegel und Schwarzfeld kritisieren die „Werbeverschmutzung unserer Innenstädte“. Dem setzen sie den Plan entgegen, vorhandene Werbeflächen zu mieten und zu transformieren, sodass sie vielfältiger genutzt werden können. Mit Unterstützung der Stiftung FUTURZWEI und des FONDS Soziokultur hat bereits eine Aktion vom 9. bis 19. Juli 2021 stattgefunden. Statt Werbung wurden zehn Motive platziert, die zu Gemeinschaft, Spiel und Solidarität ermutigen sollten. Interessant ist dieses Projekt deshalb, weil es die grundsätzliche Frage stellt, ob der urbane Raum nicht auch ganz anders aussehen könnte und ob der Mensch sich mit dem abfinden muss, was ihm vorgesetzt wird.

Handtaschen der Zukunft

Auch Melina Bucher wurde für ihre Taschen aus 100 % pflanzenbasiertem Leder für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis nominiert. Seit 2019 produziert das Label vegane und nachhaltige Handtaschen. Gründerin Melina Bucher: „Mit meiner Philosophie stehe ich für ehrliche, transparente und ethische Luxusmode. Damit möchte ich Konsumenten und andere Brands zur Veränderung inspirieren und ermutigen“. Nun geht Bucher den nächsten Schritt in Richtung Nachhaltigkeit und arbeitet gemeinsam mit dem Start-Up Natural Fiber Welding aus den USA am Markteintritt von Accessoires aus vollständig bio-basiertem Leder. Damit ist Melina Bucher nach eineinhalb Jahren Entwicklung eine der ersten Marken, die mit dem Pflanzenlederentwickler Mirum™ ein Produkt in den Markt einführt. Es handelt sich um Handtaschen aus pflanzenbasiertem Leder, das ohne den Einsatz erdölbasierter Rohstoffe auskommt. Das Material ist nicht nur 100 % natürlich und plastikfrei, sondern auch für die Kreislaufwirtschaft entwickelt. Der patentierte Herstellungsprozess erlaubt es, Mirum™ nach der Nutzung wieder zu verwenden, um neues Mirum™ herzustellen oder es als Nährstoff in den natürlichen Kreislauf zurückzugeben.

Die neue Generation der Melina Bucher-Taschen wird aus 100 % biobasiertem Leder gefertigt. © Melina Bucher

Ende September wird die unabhängige Expert*innenjury über die Finalist*innen und Sieger*innen entscheiden. Die Preisverleihung findet im Rahmen des 14. Deutschen Nachhaltigkeitstages Anfang Dezember statt. Die Veranstaltung in Düsseldorf wird auch live gestreamt.


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