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Die Balance der Gegensätze – Space Copenhagen

von Markus Schraml
Signe Bindslev Henriksen und Peter BSpace Copenhagen Anders Schønnemann

Signe Bindslev Henriksen und Peter Bundgaard Rützou gründeten ihr Designstudio Space Copenhagen 2005. 15 Jahre später leiten sie ein Büro, dass vor allem mit seinen Interieurgestaltungen für Restaurants wie dem berühmten Noma Zeichen setzte. In ihren Arbeiten führen sie das enorme skandinavische und speziell dänische Erbe im Möbeldesign weiter, in dem sie mit jedem neuen Projekt versuchen, eine Balance der Gegensätze zu finden: Industriell und organisch, skulptural und minimal, Licht und Schatten, klassisch und modern. Sie selbst nennen ihre Herangehensweise „Poetischer Modernismus“ und konzentrieren sich mit einer „Ästhetik der Langsamkeit“ auf Werte wie Qualität und Langlebigkeit. Dabei setzen sie funktionellen Notwendigkeiten intuitive Formen gegenüber und zeigen dabei immer ein elementares Interesse am Menschen. Vielfach führen ihre gestalterischen Überlegungen zu charakterstarken Materialien (Holz, Metall, Stein etc.), die nicht von schrillen Farben überdeckt werden, um deren wahren Kern zu offenbaren.

Die Restaurant-, Hotel- und privaten Projekte sind aber nur eine Seite der Medaille, das Team von Space Copenhagen brilliert auch im Design von Möbeln für Marken wie Benchmark, Mater, GUBI oder Stellar Works. Jüngst präsentierte das Studio im Rahmen der 3 Days of Design in Kopenhagen eine umfangreiche Accessoires-Serie für &Tradition sowie zwei neue Leuchten und einen Hocker für Fredericia.

Im formfaktor-Interview sprechen Signe Bindslev Henriksen und Peter Bundgaard Rützou über ihren Designanspruch, ihr Interieur für das neue Le Pristine in Antwerpen und ihre Liebe zur Stadt Kopenhagen.


formfaktor: Als Skandinavier können Sie auf ein enormes Design-Erbe bauen. Auf eine Designsprache, die sehr bekannt ist und weltweit geschätzt wird. Wie gehen Sie mit dieser Geschichte um?

Space Copenhagen: In der Folge der skandinavischen Meister wurde die Design-Community durch den Erfolg ein wenig zahm, fast ruhig gestellt. Mit der Zeit stellte sich jedoch heraus, dass nicht nur diese Manifestation den Kern der Designsprache ausmacht, sondern vielmehr eine Herangehensweise und eine Perspektive auf das Leben selbst. Zum Beispiel eine Reihe grundlegender Werte, die die nordische Lebensweise, unsere Wahrnehmung von Gesellschaft, Materialismus, Kultur und Handwerk widerspiegeln. Sich zurückzulehnen und Raum für Wiederentdeckungen zu lassen, war unser Weg nach vorne – im Vertrauen auf unsere Herkunft, unsere Neugier und unsere Identität. Unser Leben heute unterscheidet sich von dem vor einem halben Jahrhundert, und einige Dinge haben sich geändert. Aber andererseits neigen wir dazu, zu vergessen, dass die meisten Dinge, die unsere inneren Bedürfnisse und Präsenz ausmachen, dies nicht getan haben.

formfaktor: Sie haben Space Copenhagen im Jahr 2005 gegründet. Das bedeutet, dass Sie heuer ihr 15-jähriges Jubiläum feiern. Was waren Ihre Ziele, als Sie begonnen haben und wie hat sich das alles entwickelt?

Space Copenhagen: Zeit ist so ein mystisches Gebilde, – sie fühlt sich so neu, nah und gleichzeitig so lang an. Wir begannen voller Idealismus, dass Design eher eine Erfahrung als ein Produkt unserer Arbeit sein müsse. Wir haben uns selbst und uns gegenseitig versprochen, dass Neugier und Motivation im Vordergrund unserer Aufmerksamkeit stehen und unsere Richtschnur sein muss. Eine Erfahrung führt zur nächsten und wir verändern uns, während wir sie durchlaufen. Wie wir sehen, innehalten, denken, reagieren, uns bewegen – dies scheint immer noch die Formel zu sein.

formfaktor: Was waren entscheidende Schritte in Ihrer Karriere?

Space Copenhagen: Der Start unseres Studios war der wichtigste Schritt, eine Entscheidung, tatsächlich eine Reise in eine ungewisse Zukunft anzutreten. Zu lernen, außerhalb unseres gewohnten Rahmens zu arbeiten und international zu werden, war ein weiterer Schritt. Dabei haben sich Türen und Sichtweisen voller Freude, Erfahrungen und Möglichkeiten eröffnet.

formfaktor: Was ist also das Geheimnis Ihres Erfolges?

Space Copenhagen: Glück, harte Arbeit – ohne die geht es sicher nicht -, Timing, Talent – wie immer man das definiert -, Mut, Neugier und Verlangen.

formfaktor: Sie beschreiben Ihren Designansatz als Poetischen Modernismus. Wie definieren Sie diesen Begriff?

Space Copenhagen: Das Ziel ist, eine Parallele der Relevanz zwischen Intuition und Pragmatismus zu erreichen. Dass Design, räumliche Beziehungen, Objekte und das Leben selbst davon profitieren, Synergien zwischen Funktion, Pragmatismus, Klugheit und Organisation zu schaffen, – gepaart mit unserer Intuition und Sensibilität. Unsere Wünsche und Neigungen tauchen auf, um unsere inneren Bedürfnisse zu klären. Es sind ganzheitliche Begriffe und Muster, die man am besten durch Metaphern und nicht durch Spezifikationen beschreibt. Die Dualität unserer Präsenz, das menschliche Spektrum.

formfaktor: Sie definieren Ihren Ansatz auch als „Slow Aesthetics“.

Space Copenhagen: Bei „Slow Aesthetics“ geht es um Qualität und Langlebigkeit. Es bezieht sich auf Aspekte wie den langsamen Dingen im Leben mehr Aufmerksamkeit zu schenken, um sicherzustellen, dass die Gründe für bestimmte Entscheidungen klar sind. Um nicht zu sehr abgelenkt zu werden, da es heutzutage sehr viele visuelle Störungen gibt, auf dem Weg von A nach B. Vor allem geht es darum, ein Handwerk, eine Fähigkeit, ein Material und das Leben zu feiern und dabei Spuren zu hinterlassen.

formfaktor: Sie haben an einer Reihe faszinierender Restaurant-Projekten gearbeitet – wie das Geranium in Kopenhagen, das Kul oder das erste Noma. Was ist die Herausforderung, wenn Sie solche Projekte umsetzen?

Space Copenhagen: In erster Linie sind diese Restaurants soziale Räume. Orte, an denen man den Alltag hinter sich lassen kann, um die Hervorbringungen äußerst begabter Köche zu genießen. Mit ihrer Kreativität und Disziplin schaffen sie elementare Erlebnisse, die über unsere Erwartungen hinausgehen und einen bleibenden, wertvollen Eindruck hinterlassen. Es ist sehr faszinierend, Projekte zu entwerfen, die letztlich zu Orten werden, wo man mit Freunden und der Familie zusammensitzt und absolute Freude empfindet. Dies erfordert ein Gleichgewicht von Tafel, Glas, Bewegung und dem räumlichen Rahmen. Köche sind richtige Zauberer, die mithilfe der Architektur ihren Zauber vervollständigen wollen. Ein Spiel, auf das unser Interesse zu reagieren scheint. Jedes Restaurant, jeder Koch ist ein Puzzle und ein Mysterium für sich.

formfaktor: Ich muss sie über Ihre Beziehung zu Farben fragen, denn in Ihren Interieurs finden sich kaum lebendige Farbtöne. Vor allem Ihre frühen Restaurant-Projekte sind sehr dunkel und elegant (mit Metall-Akzenten). Mit den Jahren scheinen Ihre Interieurs ein wenig freundlicher geworden zu sein, wie im Geist 2.0, aber die Farben sind immer noch auf Schwarz, Weiß, Braun, Beige, Grau und blasses Grün reduziert.

Space Copenhagen: Unsere Basispalette ist ziemlich zurückhaltend. Dies knüpft an unsere Vorstellung von „Slow Aesthetics“ an, indem sie Raum lässt und Respekt zeigt für die eigenen Farben und Qualitäten natürlicher Materialien. So zeigen sie offen ihre Eigenschaften und werden mit einem Sinn für Anmut transformiert. Wir verwenden schon Farben, aber meistens als Akzente in Stoffen, Vorhängen usw. und oftmals in einer verwitterten Tönung: Töne von Rot, Erde, Wasser und Luft.

formfaktor: Ein neues Projekt von Ihnen ist das Le Pristine-Restaurant in Antwerpen. Wie setzen Sie dort Materialien, Texturen und auch Kunst ein?

Space Copenhagen: Wir verwendeten hier die großen flämischen Meister – Vermeer, Rubens, Brueghel – als Referenz für die Farbpalette von gedämpften, warmen, rostigen Rottönen, milchigem Schwarz, Sand- sowie Grautönen und arbeiten eng mit zahlreichen Kunsthandwerkern und Handwerkern zusammen, um ein wirklich maßgeschneidertes Bild von Texturen, Materialien und Referenzen zu kreieren. Dieses Restaurant war eine wundervolle Teamleistung, in gewissem Sinne orchestral. Unsere Aufgabe war es nicht, jedes Element in ein konkretes Design zu überführen, sondern die unterschiedlichen Talente und Motivationen jedes Künstlers zu belassen und einen bestimmten Raum damit auszustatten. Besonders interessant sind die Architektur des Gebäudes aus den sechziger Jahren, das dem barocken Nachbargebäude über einen Innenhof aus dem 17. Jahrhundert gegenübersteht, das inspirierende Team von Küchenchef Sergio Herman und das Ensemble von Künstler*innen, das einen Rahmen aus lokalen und historischen Referenzen geschaffen hat.

formfaktor: Auf der einen Seite haben Sie sehr viele Interieurs umgesetzt, andererseits arbeiten Sie auch für viele bekannte Möbelhersteller. Was ist für Sie der Unterschied im Gestalten eines gesamten Interieurs im Vergleich zum Design eines Stuhls, Tisches oder Sofas?

Space Copenhagen: Der Unterschied liegt hauptsächlich in der Größenordnung. Objekte wie ein Stuhl oder Tisch beziehen sich auf körperliche Dimensionen und oft haben sie einen genau festgelegten Zweck. Dadurch sind der Fokus und das Ziel des Entwurfs in einem Rahmen mit weniger Variablen. Interieur und Architektur versuchen, eine Vielzahl von Verhaltensmustern und -zwecken mit einem anderen Level von Komplexität zu antizipieren. Das bedeutet, dass der Genauigkeitsgrad umfangreicher ist im Vergleich zu einem kleineren Maßstab. Je größer der Raum, desto mehr ist das Endergebnis eine Annäherung, und daher ist es sehr zufriedenstellend, von einer Größenordnung zur anderen zu wechseln.

formfaktor: Es gibt einige neue Designs von Ihnen. Zum Beispiel Accessoires für &Tradition, eine Leuchtenkollektion für Stellar Works und vieles mehr.

Space Copenhagen: Die Collect-Serie für &Tradition ist eine ambitionierte Kollektion, die von verschiedenen textilen Produkten wie Tagesdecken, Kissen und Decken bis hin zu Kerzenhaltern, Vasen, Leuchten, Pflanzgefäßen und vielem mehr reicht. Es fühlt sich befriedigend an, in dieses Reich von Objekten einzutauchen, die die Architektur, das Interieur als letzten Schliff vervollständigen und ergänzen. Ähnlich ist es bei unseren „Haro & Yama“-Kollektionen für Stellar Works oder auch bei den „Meadow und Fellow“-Leuchten für Frederica Furniture. Licht ist eine faszinierende Kategorie innerhalb des Designs und entscheidend für das Ambiente und die Wahrnehmung eines Ortes. Der Farbton, die Intensität und die Stärke von allem, was beleuchtet wird, und ebenso das Fehlen von Licht und das Spielen mit Schatten vermitteln ein Gefühl der Raumdimension und Intimität.

formfaktor: Sie haben Ihr Studio Space Copenhagen genannt und auch viele Ihrer Projekte in Kopenhagen umgesetzt. Wie ist Ihre Beziehung zu dieser Stadt, die Sie – wie ich annehme – lieben?

Space Copenhagen: Wir leben, atmen und arbeiten in Kopenhagen und hatten im Lauf des letzten Jahrzehnts das Vergnügen, mit unseren Projekten Beiträge zu leisten, die in die Persönlichkeit der Stadt eingeflossen sind. Teilzunehmen schafft eine gewisse Verbindung zwischen der Stadt und uns, die wir genießen und aus der wir Energie schöpfen. Es ist auf jeden Fall eine Freude, sich als Teil der Dinge zu fühlen, die sich verändern und weiterentwickeln, aber auch die Melancholie der Dinge, die ihre Zeit überlebt haben und verblasst sind. Das ist auch eine Schönheit – wir lieben unsere Stadt in der Tat. Allerdings waren in den letzten fünf bis acht Jahren zwei Drittel unserer Aufträge woanders – in anderen Städten, anderen Ländern und anderen Kulturen mit Menschen unterschiedlicher Herkunft und mit unterschiedlichen Geschichten. Reisen hat den Vorteil, dass es den eigenen Ort hervorhebt, von dem man kommt und die Aufmerksamkeit auf Elemente, Muster und Verhaltensweisen lenkt, die das eigene Zugehörigkeitsgefühl und die eigene Erziehung definieren.

formfaktor: Die meiste Zeit dieses Jahres waren wir alle mit einer außergewöhnlichen Situation konfrontiert. Wie sind Sie bisher durch diese Krise gekommen? Was können wir davon lernen?

Space Copenhagen: Wir vergessen oft, dass Veränderung die einzige universelle Konstante ist. Veränderung ist für unsere Existenz fundamental und die wichtigste Sache besteht darin, sich anzupassen. Es fühlt sich anstrengend an, den Komfort von gelernten Mustern, die zur Routine geworden sind, zu durchbrechen, aber manchmal sind unberechenbare Störungen nicht so schlimm. Das Leben ist eine Spirale, in der andere Dinge auftauchen, sich wiederholen und verändern, und kreative Unternehmen sind darin beinah verwurzelt.

Das Interview mit Space Copenhagen wurde schriftlich geführt.

Das Interieurdesign für The Stratford in East London (im Manhattan Loft Gardens Hochhaus) beweist einmal mehr Space Copenhagens Fähigkeit, Hotels mittels formaler Intuition und Zurückhaltung in der Farbgebung zu außergewöhnlichen Orten des Wohlfühlens zu machen. © Space Copenhagen 2019

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