Das Wort Kokeshi bezeichnet in Japan traditionelle, gedrechselte Holzfiguren, die seit über 150 Jahren als Kinderspielzeug hergestellt werden. In der Regel bestehen die stilisierten, bemalten menschlichen Figuren aus einem zylindrischen Körper (ohne Extremitäten), auf dem der Kopf eines Mädchens sitzt. Im 20. Jahrhundert fanden die Kokeshi auch Eingang in die Populärkultur. So sind die Avatare bei Nintendo von diesen Figuren inspiriert. Nun hat der französische Künstler José Levy für Leblon Delienne die Kokeshi-Puppen neu interpretiert. Dabei macht er einen Schritt weiter in Richtung Stilisierung und ersetzt die Holzlackierung durch einen Mix aus unterschiedlichen Lacktexturen sowie Leder, Bambusfasern und verbranntem Holz. Stärkstes Merkmal ist allerdings die Farbe Schwarz, die den Figuren einen unheimlich-schönen Charakter verleiht. Levys Verzicht auf bunte Farbtöne und die formale Umsetzung erinnern weniger an die traditionellen Puppen als vielmehr an ihre Spielart in der Populärkultur.
Erst wenn sich das Licht über ihre monochrom-schwarzen Oberflächen bewegt, enthüllen diese Kokeshi ihre unterschiedlichen Texturen. So werden die statischen Objekte dynamisch. Ein weiteres Konzept, das Levy mit dieser Arbeit verfolgt, ist die Maßstabsänderung. Denn traditionell sind Kokeshi-Figuren Miniaturmodelle – also eine Verkleinerung des menschlichen Vorbilds. Der Künstler geht den genau entgegengesetzten Weg – von der Puppe zu übermenschlicher Größe. Diese großen, dunklen Kokeshis übertreffen menschliche Proportionen und stellten im Produktionsprozess gewiss eine Herausforderung dar. Durch diese Größe müssen die Details einer viel genaueren Prüfung durch den Betrachter standhalten.
Die Gesamtkomposition der Grundformen – Zylinder, Kugel, Kegel – wirkt gleichzeitig naiv und prekär. Nina ist 2 Meter 80 groß. © Leblon Delienne
Das es sich hier um Kunstwerke handelt, gibt auch der Preis zu verstehen. Für eine Box mit fünf kleinen Kokeshi (sie sind auf 99 Stück limitiert) schlägt eine Summe von 8.000 Euro zu Buche. Im Bild: Eithan. © Leblon Delienne
Beunruhigende Souvenirs
Die Falten der Kleidung, die skizzierten Augen oder die stilisierten Haare vermitteln in all ihrer Perfektion einen fragwürdigen Eindruck. Man fragt sich, woher kommen diese Gesellen? Aus einer anderen Welt? Was wollen sie, was liegt ihnen auf der Seele? Die überproportionale Größe der Figuren macht ihre eingefrorenen Haltungen fast monströs. Doch sind diese dunklen Gestalten keineswegs so furchteinflößend, denn ihre perfekte Gestaltung vermittelt durchaus auch Freundlichkeit – wenn auch auf bisher ungekannte Weise.
Gabriel misst in der großen Variante 195 cm. © Leblon Delienne
Sebou (160 cm) trägt eine eigentümliche Zylinderform auf dem Kopf. Es könnte sich um eine Kameralinse oder eine Bastmatte handeln. © Leblon Delienne
Pâris ist der kleinste im Bunde (90 cm). © Leblon Delienne
Die größte Figur der Kokeshi-Riesen (Nina) misst 280 cm, die zweitgrößte Figur 240 cm und so weiter bis zur fünften und kleinsten Figur, die mit 90 cm erheblich kleiner ausgefallen ist. Diese großen Figuren werden während der PAD Paris vom 5. bis 10. April 2022 ausgestellt (Stand 69) und sind in einer limitierten Edition von acht Stück pro Figur erhältlich. (Preis auf Anfrage)
Kokeshi als NFTs
Erstmals werden in diesem Rahmen auch Kokeshi NFTs teilweise versteigert. Insgesamt sind 46 Kokeshi-Puppen im NFT-Format, die José Levy gestaltet hat, verfügbar. Die Versteigerungen finden über die Foundation-Plattform statt.
Die „kleinen“ Kokeshis haben übrigens folgende Größen: Nina – 60 cm, Eithan – 52 cm, Gabriel – 42 cm, Sebau – 34 cm und Pâris – 22 cm.