Nach einer digitalen Ausgabe 2020 findet die Dutch Design Week in diesem Jahr wieder vor Ort in Eindhoven statt. Viele der sehr erfolgreichen digitalen Angebote wurden allerdings beibehalten – wie etwa das professionell durchgeführte DDW TV, ein Online-Fernsehstudio, in dem viele Gesprächsrunden zu den brennendsten Fragen der Zeit stattfinden und dabei immer wieder die Rolle von Designer*innen hervorgestrichen wird. Außerdem werden in diesem Rahmen die Dutch Design Awards verliehen. Jeden Tag in einer anderen Kategorie.
Die Dutch Design Week ist vor allem eine Veranstaltung mit jungen Designer*innen und Labels. Thematisch geht es um nachhaltige Produktionsprozesse, CO2-freie Materialien, Plastikmüll als neue Ressource, im Labor gezüchtete Biomaterialien oder die Steigerung der schwindenden Biodiversität. Zeitgenössische Designer*innen wollen nicht mehr nur ästhetische Produkte gestalten, sondern auf die Probleme der Welt reagieren und mit ihrem holistischen Mindset Lösungsansätze entwickeln.
Plastic Hero
Im Workshop „Stichting Sparkling Plastic“ können Kreative mit Plastikmüll experimentieren. Das Projekt geht auf den niederländischen Designer Dave Hakkens zurück, der eine Maschine für Plastikrecycling entwickelt hat. Er gründete die Sparkling Plastic Foundation, um in diesem Bereich weiter zu forschen. Das führte zu „Sparkling Plastic“ in ‘s–Hertogenbosch, wo Studierende und Kreative mit Plastikmüll arbeiten und nachhaltige Produkte gestalten können. Für die Stiftung ist es die zentrale Aufgabe, einfach das Material „gebrauchtes Plastik“ zur Verfügung zu stellen, damit Studierende sofort damit experimentieren können. Ein weiteres Ziel ist die Herstellung von Produkten aus Plastikmüll, die einen höheren Wert besitzen als das ursprüngliche Produkt. In dieser Beziehung gibt es in den Niederlanden eine Reihe von Pionieren wie die Initiativen „Precious Plastic“ oder „vanPlestik“, die auf ihre Erfahrungen in den Akademien aufbauen konnten.
Kohlenstoff-negativer Stoffstrom
Auch in einer Ausstellung geht es darum, darüber nachzudenken, welche Bedeutung das Wort „Abfall“ überhaupt hat und was wir in Zukunft als „Müll“ bezeichnen. Konkret wurde von Beoforcetech (Spezialist für die Verarbeitung von Bioabfall) das Material „OurCarbon“ entwickelt. Es wird aus nachhaltig umgewandelten organischen Abfallstoffen (Lebensmittel, Klärschlamm) hergestellt. Diese werden gesammelt, getrocknet und karbonisiert. Das in einem dreistufigen Prozess entwickelte Material zeigt, wie kohlenstoff-negative Materialien die fossilen Standardproduktionsmethoden ersetzen könnten, indem ein neuer Stoffstrom geschaffen wird. Die Ausstellung zeigt Produkte der Design-Community aus den USA, die mit „OurCarbon“ unterschiedlichste Erzeugnisse hergestellt hat.
Keramik aus Eierschalen
Aus einer anderen Art von Abfall stellt Designerin Laura van de Wijdeven (Atelier LVDW) dekorative Teller und Schüsseln her – aus Eierschalen. Sie bezeichnet ihr Forschungsprojekt als „Eggshell Ceramic Research“, denn das Material hat das Aussehen von Keramik aber wiegt nur so viel wie Karton. Die Niederlande sind der größte Eier-Exporteur der Welt. 10 Milliarden Eier werden dort jedes Jahr produziert. Ein Teil der anfallenden Schalen wird bereits jetzt in der Landwirtschaft verwendet, aber wie de Wijdeven zeigt, kann es für noch viel mehr benutzt werden und erst danach in die Natur zurückkehren. Mit derselben Rezeptur experimentiert die Designerin auch mit Biokohle, einem schwarzen Pigment, das zu 100 % aus Bioabfall besteht.
Häuser aus Kuhdung
Ein Projekt der Amsterdam University of Applied Sciences widmet sich dem Kuhdung, aus dem 3D-gedruckte Häuser entstehen sollen. Das Ziel dieses spekulativen Forschungsprojekts mit dem auffordernden Titel „Getting Our Shit Together“ ist eine Druckerpaste zu entwickeln, die tatsächlich für den Hausbau verwendet werden kann. Damit wird sowohl der Stickstoffüberschuss als auch der Wohnungsnotstand in den Niederlanden bekämpft. Es gelang dem Team bereits, einen kleinen Prototypen zu drucken, wobei der Drucker selbst gebaut werden musste – niemand wollte seinen Drucker für dieses Experiment verleihen.
Solarnetze über Autobahnen
Ein Gemeinschaftsprojekt des Architekturstudios VenhoevenCS der DS Landschapsarchitecten und dem Designatelier Studio Solarix will für mehr Biodiversität sorgen. „The Butterfly Effect“ ist ein ultraleichtes, innovatives Netz, das über Autobahnen gespannt werden kann und durch integrierte, transparente Solarzellen Energie erzeugt. Außerdem schafft es Verbindungsrouten über die breiten Straßen. Die Solarzellen können aufgrund der Wabenstruktur des Netzes leicht montiert werden. Durch die Mehrfachnutzung muss weniger Fläche für Sonnenkollektoren anderswo verbraucht werden. Wichtig ist vor allem der Übergang, der hier entsteht und den auch Kleinstlebewesen benutzen könnten, was zu mehr Austausch – über die Landschaft zerschneidenden Autobahnen hinweg – führen würde und damit auch zu mehr Biodiversität. Das Netz ist modular aufgebaut und kann beliebig erweitert werden.
Verlust der Stabilität im Alltag
Die Kölner Designerin Anna van Eck möchte die Menschen aus ihren gewohnten Komfort-Zonen herausholen und gestaltet dafür Objekte, die aussehen, als wären sie nicht zu gebrauchen. Wagt man sich allerdings an sie heran, stellt sich schnell heraus, dass sie doch benutzbar sind und sogar Spaß machen. Im Zentrum dieser Designs steht also die Interaktion. Außerdem werden Nutzer*innen dazu gebracht, über die Selbstverständlichkeit von Dingen nachzudenken. Gleichzeitig ist es kein Zufall, dass diese Objekte gerade in einer Zeit der Unsicherheit, der Gesellschaft spaltenden Veränderungen und dem Verlust von Gewissheiten entstanden sind.
Stuhl im Kreislaufsystem
Ein Thema der Kreislaufwirtschaft ist die Wiederverwendung und Adaptierung von Produkten. Mit dem Projekt „REX“ verleiht Circuform einem mehrfach ausgezeichneten Stuhl von Ineke Hans ein zweites Leben. Circuform ist ein brandneues Unternehmen, das erst seit Sommer 2021 aktiv ist und das es sich zum Ziel gesetzt hat, industriell hergestellten Möbel ins zirkuläre Leben zu integrieren. Das erste Produkt war KWART von Ton Hass. Nun also wurde der Stuhl von Hans aus dem Jahr 2011 kreislaufwirtschaftlich fit gemacht. Dafür wurden etwa die Spritzgussformen für recyceltes Material überarbeitet. „REX“ besteht nun aus alten Fischernetzen, Bürostuhlkomponenten, Teppichen und anderen Industrieabfällen. Circuform hat auch ein eigenes Pfandsystem für den Stuhl entwickelt. Das heißt, der Stuhl kann, wenn er nicht mehr gebraucht oder gewollt wird, zurückgegeben werden, wofür man eine Kaution von 20 Euro erhält. Diese Stühle werden dann geprüft, gereinigt, wenn notwendig repariert und wieder verkauft. Komplett zerstörte Stühle werden geschreddert und der Rohstoff für Neuproduktionen verwendet.
Weitere News von der Dutch Design Week folgen in Kürze.