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Faszination Lesen – Bücher gegen Langeweile

von Caroline Wanderberg
Büchertipps März 2020

Lesen kann man überall. Die meisten tun es jedoch – sofern es als Freizeitbeschäftigung geschieht – in den eigenen vier Wänden. Sitzend oder liegend in vertrauter Umgebung dringt der Leser/die Leserin in neue Welten vor. Gut recherchierte Inhalte, attraktiv präsentiert und schlüssig geschrieben sind dabei die Grundelemente jeglichen Lesevergnügens, das sowohl Spaß machen als auch Erkenntnis-bringend sein soll. Für den Bereich Design gilt dies umso mehr. Das Feld der Gestaltung scheint unendlich weit und ist mit allen Lebensbereichen verknüpft. Die Frage, warum Dinge so und nicht anders designt sind und damit unser Leben erleichtern oder bereichern, gehört zu den spannendsten überhaupt. Die formfaktor-Redaktion schlägt folgende Neuerscheinungen für Design interessierte Zeitgenossen*innen vor:

Design aus dem Norden

Nordic Design, die Antwort aufs Bauhaus? Ein knackiger Titel, aber es geht hier wohl kaum um das Aufwiegen des einen gegen das andere. Es geht nicht um Beatles vs. Rolling Stones. Beides sind wichtige Einflussgrößen der Designgeschichte, wobei das Design aus dem Norden sehr viel breiter und vielfältiger ist. Dennoch übte das Bauhaus Einfluss auf Gestalter*innen in Dänemark, Schweden und Finnland aus. Der Frage, wie groß dieser war, geht das Buch „Nordic Design“ nach. Beginnend mit dem Finnen Alvar Aalto über dem bedeutendsten Vertreter des schwedischen Funktionalismus Sven Markelius bis zu den berühmten dänischen Designern Hans J. Wegner und Arne Jacobsen führt die Publikation durch die Entwicklungen der nordischen Moderne in den 1950er- und 60er-Jahren. (Nordic Design. Die Antwort aufs Bauhaus. Hg.: Tobias Hoffmann, Bröhan-Museum Berlin. 304 S., 22 x 26 cm, Hardcover, Deutsch / Englisch, ISBN 978-3-89790-582-5, Verlag: arnoldsche ART PUBLISHERS.)

 

Zu Fuß durch die Schweiz

Bei LIBRUM Publishers & Editors ist Benjamin Spielmanns „Im Übrigen ging man zu Fuss“ erschienen. Spielmann hat in seiner Dissertation an der Universität Bern die Alltagsmobilität in der Schweiz von 1848 bis 1939 untersucht. Seine Erkenntnis: Große Teile der Bevölkerung gingen zu Fuß. Anhand von sechs Biografien werden die Ursachen für die Beliebtheit des Zufußgehens erforscht: mangelnde Alternativen, wenig Geld, schlechte Straßen, kurze räumliche Aktionsradien sowie enge Platzverhältnisse in Eisen- und Straßenbahnen. Außerdem waren die damaligen Autos sehr pannenanfällig. Dieser Blick zurück zeigt, dass das Mobilitätsverhalten von den Notwendigkeiten des Alltags abhing. Stoff zum Nachdenken über die heutige Mobilität und den wahren Bedürfnissen des modernen Menschen. Neben der erschienenen Printausgabe kann diese Publikation auch via Open Access gratis online genutzt werden. („Im Übrigen ging man zu Fuss“ Alltagsmobilität in der Schweiz. Dissertation der Universität Bern. Benjamin Spielmann. 240 S., A4, Softback, Deutsch, ISBN 978-3-906879-36-3, Verlag: LIBRUM Publishers & Editors)

 

Sowjetisches Design

Ab den 1920er Jahren entwickelten sich hinter dem Eisernen Vorgang bemerkenswerte Gestaltungsrichtungen wie Konstruktivismus, Rationalismus oder Suprematismus. Sogar sowjetisches Art déco (30er Jahre) wurde praktiziert. Die 1950er Jahre wiederum waren von massenhaft produzierten, modernistischen, funktionalen Möbeln geprägt. Mit einiger Zeitverzögerung wurde das Design auch von der frühen Avantgarde und vom Bauhaus beeinflusst. Dieses bei Scheidegger & Spiess erschienene Werk bietet erstmals einen Überblick über die gestalterischen Leistungen zwischen revolutionärer Avantgarde und sozialistischem Modernismus. Durch Material aus erst kürzlich zugänglichen Archiven und mit einer Vielzahl von bisher unveröffentlichten Dokumenten eröffnet sich ein neuer Blick. (Soviet Design. From Constructivism to Modernism. 1920–1980. Kristina Krasnyanskaya und Alexander Semenov. Mit Vorworten von Elizaveta Likhacheva und Christina Lodder, 448 S., 24.5 x 30 cm, gebunden, 257 farbige und 171 SW-Abb., ISBN 978-3-85881-846-1, Englisch, In Zusammenarbeit mit Heritage International Art Gallery, Moskau. Verlag: Scheidegger & Spiess)

 

Design in einer globalen Dimension

Designausbildung und Globalisierung ist das Thema des Buches „Cultural Spaces and Design – Prospects of Design Education“. Es ist das Ergebnis und gleichzeitig die Fortführung einer mehrjährigen Auseinandersetzung der Herausgeberinnen Regine Halter und Catherine Walthard mit Studierenden. Höhepunkt war ein Forschungsprojekt (2014-2017) an der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW in Basel. Im Rahmen dieses Projekts wurden neue Ausbildungsinhalte, Formate, Werkzeuge und Methoden für die Arbeit mit und in anderen Designkulturen diskutiert und entwickelt. Die Beiträge der daran beteiligten Autoren*innen aus Botswana, Indien, Australien und der Schweiz wurden für die Publikation erweitert um Projekte, Fallstudien, Analysen und Erfahrungsberichte aus Neuseeland, Kanada, Frankreich, Nigeria, dem Südsudan, den USA, Usbekistan, Neuseeland, Polen, Albanien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die Herausgeberinnen sehen die Verbindung von Globalisierung und Design als „Leerstelle“ in der Designausbildung. Sie wünschen sich eine Designausbildung, die zu einer Schule der Wahrnehmung kultureller Unterschiede wird. Dabei brechen die vorgestellten Beiträge das Verständnis von Globalisierung als ein nicht zu beeinflussendes Geschehen auf. Es geht also nicht um die Auswirkung der Globalisierung auf das Design, sondern um die Frage, wie Design in Prozesse der Globalisierung eingreifen kann, wie die Fähigkeiten dazu in der Ausbildung erlernt und erprobt werden und vor allem, was diese Fähigkeiten sein können. Globalisierung selbst soll als eine Designaufgabe verstanden und theoretisch wie praktisch in die Ausbildung integriert werden. (Cultural Spaces and Design. Prospects of Design Education. Hg.: Regine Halter und Chaterine Walthard. 332 S., 16,5 x 24 x 3 cm, Klappenbroschur, 180 Abb., Englisch, ISBN 978-3-906897-31-8, Verlag: LIBRUM Publishers & Editors)

 

Alltag und Hintergründe

Rosa für Mädchen, blau für Buben? Warum ist (war) das so? Und was ist eigentlich Gestaltung für alle? Der Frage nach „Gender im Design“ geht ein Buch von Katharina Kurz und Pia Jerger nach. Dabei blicken die Autorinnen in unterschiedliche Alltagsbereiche: Medizin, Haushalt, Erziehung, Spielen oder öffentlicher Raum. Zeitgenössische werden neben historische Gestaltungspositionen gestellt, Erkenntnisse der angewandten Designforschung erörtert und Kooperationen geschildert, die einen vielschichtigen Einblick in dieses brandaktuelle Thema gewähren. (Nicht mein Ding – Gender im Design. Katharina Kurz, Pia Jerger, HfG-Archiv/Museum Ulm. 212 S., 17 x 24 cm, Schweizer Broschur mit Klappen und Softtouch-Haptik, 200 Fotos u. Grafiken, Deutsch / Englisch, ISBN 978-3-89986-327-7, Verlag: avedition.)

Design für alle ist auf jeden Fall in der Consumer Elektronik präsent. Eine Marke, die diesen Bereich mitbestimmt ist Apple. Jonathan Ives gelang es, Design für den Alltag zu erschaffen, dass nicht nur von iPhone-Fans als ikonisch betrachtet wird. Felix Torkar hat mit „Apple Design: Eine Analyse“ ein Grundlagenwerk zu Apples einzigartiger Produktgestaltung und Design-Führerschaft verfasst. Torkar zeichnet nicht nur den Weg des Erfolges nach, sondern setzt das Design des Computerkonzerns in seinen Kontext und liefert erstmals auch eine detaillierte Betrachtung der Softwaregestaltung. Damit gelingt ihm eine sehr erhellende Darstellung der einflussreichsten Designs im Elektronikbereich. (Apple Design: Eine Analyse. Felix Torkar. 128 S., 17 x 21 cm, Softcover, 60 Abb., Deutsch, ISBN 978-3-89986-328-4, Verlag: avedition.)

Der Handel im Wandel

Der Online-Handel zwingt die Betreiber von Kaufhäusern und Einkaufszentren umzudenken. Die neue erfolgversprechende Strategie lautet „Hybride Systeme“. Damit ist gemeint, dass großflächige Gebäudestrukturen, die bisher dem Einkaufen vorbehalten waren, für Mischnutzungen umgebaut werden. Das Schlagwort heißt „Retail-Sharing“. Start-ups und etablierte Marken teilen sich den Raum, um dadurch neue Inspirationen und neue Erlebnisse zu kreieren. „Retail Design International“ geht in der fünften Ausgabe dem Phänomen der hybriden Räume zwischen neuen Arbeits-, Freizeit- und Handelswelten nach. (Retail Design International Vol. 5 − Components, Spaces, Buildings. Jons Messedat. 220 S., 21 x 30 cm, Hardcover mit Spotlackierung, Deutsch / Englisch, ISBN 978-3-89986-324-6, Verlag: avedition.)

 

Autorenschmuck zum Nachlesen

Drei lesenswerte Bücher über Schmuck sind bei arnoldsche ART PUBLISHERS erschienen. Der Band „Schmuck“ präsentiert erstmals vollständig den Autorenschmuck der beiden Sammlungen Danner-Stiftung und Die Neue Sammlung – The Design Museum. Alle fünf Jahre wird die Wiedereröffnung des Schmuckraums in der Münchner Pinakothek der Moderne in der Danner-Rotunde mit Spannung erwartet. Die Schau versammelt die bedeutendsten Künstler*innen des internationalen Autorenschmucks der letzten 70 Jahre. Insgesamt 323 Namen sind in den beiden zusammengeführten Sammlungen vertreten. Spitzenarbeiten von Künstlern*innen aus 31 Ländern zeigen künstlerische Strömungen in der Welt des Schmucks. Da die Neue Sammlung – The Design Museum vorübergehend bis 19. April geschlossen ist, bietet sich der vom Museum zur Verfügung gestellte, virtuelle Rundgang durch die neue Ausstellung an. Gut, dass es nun auch ein Buch über diese wichtige Schmucksammlung gibt, in dem man in Ruhe zu Hause schmökern kann. (Schmuck. Hg.: Danner Stiftung. Die Neue Sammlung – The Design Museum. Idee, Konzept, Text: Petra Hölscher, Gestaltung: Frederik Linke. 576 S., 21 x 27,5 cm, Hardcover, über 1000 Abb. mit mehr als 1700 Schmuckstücken, Deutsch / Englisch, ISBN 978-3-89790-585-6, Verlag: arnoldsche ART PUBLISHERS.)

Ein für Schmuckkünstler*innen sowie Experten*innen wichtiger Text erscheint nun erstmals auf Englisch. Bisher war „Sieraad in Context“ von Marjan Unger (1946-2018) nur auf Niederländisch erhältlich. Theo Smeets, Professor an der Fachhochschule Trier, Fachrichtung Edelstein- und Schmuckdesign hat sich bereits zu Lebzeiten Ungers um eine englische Ausgabe bemüht. Diese liegt nun (mit ihrem Einverständnis) vor. In dem Text nimmt Unger zunächst eine allgemeine Definition von Schmuck vor. Wobei ihre These lautet, dass sich alle menschlichen Ängste, aber auch Wünsche auf der gesamten Welt in gewisser Hinsicht als Objekte der Zierde materialisieren würden. Mit diesem Ansatz wollte Unger auch einen festen theoretischen Rahmen als Hilfe für das Schmuckstudium entwickeln. Es handelt sich um ein modernes Standardwerk, das einen wertvollen Einstieg in das Thema Schmuck darstellt. (Jewellery in context. Marjan Unger. Mit einem Vorwort von Theo Smeets (Hg.), 232 S., 11 x 17,5 cm, Softcover, Englisch, ISBN 978-3-89790-579-5, Verlag: arnoldsche ART PUBLISHERS.)

Jiro Kamata vertritt eine außergewöhnliche Position im zeitgenössischen Autorenschmuck. Er hinterfragt traditionelle Produktionsmethoden und untersucht optische Phänomene im Hinblick auf die Wahrnehmung von Werten. Kamata wendet sich damit von der klassischen Schmuckherstellung etwa mit Edelsteinen ab. Viel lieber recycelt er zuvor benutzte Materialien und Fundstücke. Daraus fertigt er Ringe, Broschen und Anhänger. Der klassischen, mitunter bedenklichen Rohstoffgewinnung stellt Kamata eine Praxis der Materialerhaltung gegenüber. Doch sein Konzept geht noch weiter. Kamata spricht vom „erlebten Gedächtnis“. Das bedeutet, dass seine Schmuckstücke erst durch die Erfahrung und den Umgang ihren Wert erhalten. Der Japaner arbeitet zum Beispiel mit Klebebändern, auf denen er die Umwelt festhält, um sie dann wieder aufzurollen und als Ringe in tragbare Stücke zu verwandeln. Oder er verwendet Linsen und Spiegel, die Ein-, Aus- und Durchblicke gewähren. Im Bayerischen Kunstgewerbeverein in München werden Jiro Kamatas Arbeiten von 15. Oktober bis 21. November 2020 ausgestellt. (Voices. Jiro Kamata. 272 S., 23 x 28 cm, Hardcover, 375 Abb., Englisch / Chinesisch / Japanisch, ISBN 978-3-89790-577-1, Verlag: arnoldsche ART PUBLISHERS.)


 

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