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Festival der Kreativität – Vienna Design Week 2023

von Markus Schraml
Rado, No Worries Just Shapes

10 Tage lang belebte die Vienna Design Week (VDW) vor allem den 2. Bezirk der Stadt Wien. Das laut Eigendefinition „größte kuratierte Designfestival“ Österreichs bot auch in der Ausgabe 2023 ein abwechslungsreiches Programm, wobei die diesjährige Festivalzentrale, das ehemalige magdas-Hotel in Praternähe, den perfekten Rahmen bildete. In den vielen Hotelzimmern / Ausstellungsräumen vom Keller bis in den 4. Stock präsentierten junge und etablierte Designschaffende ihre Kreationen und sprachen mit den Besuchern über ihre Designansätze, Ideen und die Hintergründe. Dies ist eine der zentralen Aufgaben der VDW, nämlich eine Plattform zu bieten. Doch der Anspruch des Teams um Festivaldirektor Gabriel Roland geht weiter. Mit kuratierten Ausstellungsformaten wie Fokus oder neu in diesem Jahr Re:Form werden thematische Einblicke in die Welt der Gestaltung gewährt.

Sammlungswürdige Kleinserien

Verantwortliche Kuratorin für die diesjährige Fokus-Ausstellung war Laura Houseley. Sie legte das Thema „Serie“ fest, wobei die Londonerin Kleinserien meinte, die in meist ebenfalls kleinen Designstudios entstehen. Diese sehr individuellen Kreationen bedienen den wachsenden Markt des Collectible Design. Wichtig dabei sind die innovative Idee, das mitunter außergewöhnliche Material und oft ein künstlerischer Anspruch, der zu eigenwilligen Objekt(serien) führt. Die Qualität der Produktion spielt dabei eine ungeordnete Rolle, der handwerklich-künstlerische Touch ist es, den Sammler dieser Designsparte lieben.

Stimmungsvoll im Keller – die Fokus-Ausstellung „The Series“ zeigte Beispiele zeitgenössischen Collectible Designs. © VIENNA DESIGN WEEK 2023, yakoone

Nachhaltige Wirtschaft

Im neuen Format Re:Form findet sich eine der wichtigsten Funktionen der Vienna Design Week wieder. Es ist das Möglichmachen von Kooperationen zwischen Designern, Herstellern und Institutionen. Was seit vielen Jahren mit Initiativen wie Passionswege umgesetzt wird, bekommt mit Re:Form einen Neuzugang, bei dem es – ganz dem Zeitgeist folgend – um Nachhaltigkeit geht. Dafür arbeitete die VDW mit OekoBusiness Wien, dem Umwelt-Service-Programm der Stadt Wien, zusammen. Konkret wurden fünf Teams aus Firmen, Designern und Consultingunternehmen gebildet. Zum Thema sorgsamer Umgang mit Wasser fanden sich Boehringer Ingelheim, Designerin Alexandra Fruhstorfer und die Unternehmensberaterin Verena Riedler zusammen. Das Spannungsfeld Nachnutzung von Exportverpackungen behandelten Verpackungsspezialist PAWEL packing & ligistics, studio re.d und Stefan Pichler (Nachhaltigkeitsberater bei denkstatt). Um den Einwegverpackungen für den Überseeversand (die oft aus Holz bestehen) ein zweites Leben zu schenken, entwickelten studio re.d (Kerstin Pfleger und Peter Paulhart) ein Konzept für Möbelobjekte zum Selbstzusammenbauen. Die Möglichkeit dieser Nutzung wird deutlich auf die Außenseite der großformatigen Kisten gedruckt.

Geld aus Bildrechten für Designer

Im Zuge der offiziellen Ausstellungseröffnung von „Design Everyday“, eine Objektsammlung, die Design aus Österreich präsentiert und von Vandasye (Georg Schnitzer, Peter Umgeher) bereits zum 7. Mal zusammengestellt wurde, rief Simone Feichtner von Sponsor Bildrecht (die österreichische Bildverwertungsgesellschaft) dazu auf, dass Designschaffende die Möglichkeit, Erlöse aus Bildrechten zu lukrieren, unbedingt ausnutzen sollten. Die kollektiven Vergütungen ergehen jedoch nur an Mitglieder. Diese melden ihre Veröffentlichungen an Bildrecht und bekommen einen Teil der ausgeschütteten Tantiemen. „Wir haben zwei unterschiedliche Wahrnehmungsverträge. Bildende Künstler melden bei uns Ausstellungen oder andere Veröffentlichungen ein. Und in der Berufsgruppe zwei – das sind Designer, Grafikdesigner, Fotografen – werden einfach die Honorare eingemeldet. Je nachdem, wie viel sie einmelden, erhalten sie ihren Teil an den Verteilungspunkten“, erklärte Feichtner. Die Mitgliedschaft an Bildrecht ist kostenlos.

Das Schaffen österreichischer Designer auf einen Blick: Design Everyday. © VIENNA DESIGN WEEK 2023, yakoone

Erfolgreiche Fixpunkte des Festivals

Ein Fixpunkt im VDW-Kalender ist die Diskussionsveranstaltung im LAUFEN Space Vienna. In diesem Jahr stand das Thema urbane Nachverdichtung auf dem Programm. Die Architekten Roland Duda (O &O Baukunst), Philipp Buxbaum (smartvoll) und Oliver Sperl (Rüdiger Lainer + Partner) stellten Projekte bzw. Konzepte vor und sprachen im Anschluss über ein neues Selbstverständnis von Architekten und der Architekturpraxis.

Ein weiterer alljährlicher Programmpunkt, der in visueller Hinsicht immer hochwertige Ergebnisse zeitigt, ist Rado Moving Materials des bekannten Schweizer Uhrenherstellers. In diesem Wettbewerb, der bereits seit März lief und für den sechs Designer aus dem Bereich Motion Design Beiträge lieferten, waren erstaunliche, sehr unterschiedliche Animationen zu sehen. Als Sieger des Wettbewerbs gingen schließlich „No Worries Just Shapes“, ein Wiener Studio, geführt von Lina Schubert und Florentin Berger, mit ihrer Arbeit Quanti Tempi hervor. Darin beschäftigten sich die beiden mit der Frage nach den Schichten von Zeit. Der Loop zeigt eine sich kontinuierlich bewegende Skulptur, die sich mit dem unaufhaltsamen Fortschreiten der Zeit und in ihrem Takt verändert.

VDW als Präsentationsplattform

Die Festivalzentrale der VDW war der Treffpunkt für die im Wesentlichen österreichische Designcommunity. Junge und etablierte Designer und alles dazwischen zeigten, woran sie in jüngster Vergangenheit gearbeitet haben. So präsentierte die Designforschungsgruppe Simiæn unter dem Titel „Tasting Landscapes“ die Weiterentwicklung der Geschmackspotenziale der Flechte. Waren es im letzten Jahr Tee und Schnaps, so fügten Julia Schwarz und Lisi Penker nun den Simiæn Sprizz hinzu. Eine gelungene Kreation mit süß-herbem, spritzigem Geschmack und deutlichem Flechten-Touch. Erstaunlich, wie engagiert und professionell die beiden Designerinnen das Feld der Future Foods bearbeiten. Noch handelt es sich hier um Avantgarde.

Future Food spritzig: Julia Schwarz und Lisi Penker boten mit Simiæn Sprizz ein vollmundiges Flechten-Getränk. © Simiæn, Vienna Design Week

Barbara Gollackner, die in diesem Jahr ihr fünfjähriges Studiojubiläum feiert, zeigte mit R.I.B (Rest in Beauty) eine Serie von Beistelltischen, die aus Restmaterialien bestehen. Also aus Stoffen, die bei verschiedenen Herstellern aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr verwendet werden, aber oftmals neu sind. Die Salzburgerin fertigte neun Objekte aus verschiedenen Materialkombinationen, wobei alle verwendeten Stoffe aus Lagern von Handwerksbetrieben stammen.

Die Schönheit von Restposten und verschmähten Materialien, R.I.B (Rest in Beauty) von Barbara Gollackner. © Kathrin Gollackner Fotografie

Das Salzkammergut ist neben Tartu (Estland) und Bodo (Norwegen) eine der Kulturhauptstädte 2024. An der umfangreichen Programmgestaltung ist auch das Designstudio Lucy.D (Wien, Steyr) beteiligt. Barbara Ambrosz und Karin Santorso entwickelten das Konzept „Zimmer mit Aussicht“ und treffen damit den Kern dieser Region – den Tourismus. Die Idee: acht Beherbergungsbetriebe über acht lokal-nachhaltige Spezialzimmer miteinander verbinden. Lucy.D definierte dafür fünf regionaltypische Themen vom Brettschnitt bis zur Tracht. Neben Lucy.D entwerfen auch KIM+HEEP, inFABric und mischer’traxler Objekte für dieses besondere Zimmer.

Das Leben in der Stadt

Die VDW richtet mit der Wahl eines jährlichen Fokusbezirkes den Blick auf die unterschiedlichen Bereiche des Stadtlebens. Doch es geht noch detaillierter. Mit dem Format „Ums Eck“ werden die Wiener Straßenecken in den Fokus gerückt. Es geht um Veränderungen, die auf „Grätzl“-Ebene das Leben verbessern können. In diesem Jahr hat das Designduo studio högl borowski ein Konzept entworfen, das den kleinen Platz nebenan lebenswerter machen soll. Unter Einbindung der Gewerbetreibenden vor Ort wurde eine auf deren Bedürfnisse ausgerichtete Intervention entwickelt. Das Konzept folgt dem Ansatz des dänischen Architekten Jan Gehl, der bereits in den 70er-Jahren die Stadt als urbanen Raum für Fußgänger und Radfahrer postulierte. Am Beispiel von Kopenhagen dokumentierte er den Wandel von einer Auto-zentrierten zu einer Fußgänger-zentrierten Stadt. In all seinen Projekten geht es immer um die Verbesserung des Lebens der Stadtbewohner. Auf ihn geht auch die Aussage zurück, dass ein Quadratmeter attraktiver Nutzfläche direkt vor der Haustür das Wohlbefinden mehr steigert als 100 m² Park ein paar Blocks entfernt. Wie vielfältig dieser sehr kleine Raum bespielt werden kann, zeigten Stefanie Högl und Matthias Borowski am Czerninplatz im 2. Bezirk (Leopoldstadt).

studio högl borowski vergrößern die lebenswerte Stadt um 1 m² – gefühlt sind es aber weit mehr. © VIENNA DESIGN WEEK 2023, Inés Bacher

VDW international

Obwohl die VDW im Allgemeinen die heimische Designszene widerspiegelt und unterstützt, gibt es auch internationale Teilnehmer. 2023 war unter anderem die ungarische Ausstellung „Design without borders“ zu Gast im Collegium Hungaricum Wien. Zu sehen waren Werke von 76 Möbel-, Textil-, Glas- und Schmuckdesignern aus 14 Ländern, die sich mit dem Zusammenspiel von Region, Genres und Sparten befassten. In der Festivalzentrale führte die polnische Agentur Husarska Design Studio das Potenzial von Faserhanf vor. Der kann sowohl für die Möbelproduktion als auch in der Lebensmittelherstellung verwendet werden. Derzeit verfügbar sind Akustikpaneele aus Hanf. Im Zuge der Präsentation gab es die Möglichkeit, Hanf-Snacks zu verkosten. Hempeat ist eine pflanzliche Fleischalternative.

Der slowenische Designer Matej Štefanac präsentierte seine raffinierten Leuchten. Während „Pendulum“ mit einer skulpturalen Silhouette begeistert, weiß die Hängeleuchte „Gravità“ mit akustischen Eigenschaften zu überzeugen und die „PLUSminus lamp“ mit ihrer Mechanik und dem Balance-Spiel zu punkten. Das Korea Kulturzentrum in Wien wiederum beherbergte das „Hangeul Design Project“, eine Initiative, die sich mit dem traditionellen koreanischen Schriftsystem beschäftigt und es aus der Perspektive des Designs neu zu beleuchten versucht. Zeichenhafte Schriftsysteme eignen sich ideal als Quelle für bildende und angewandte Kunstprojekte.

Ein weiterer Gast war der Design Campus in Schloss und Park Pillnitz in Dresden. Gezeigt wurden die Ergebnisse der dortigen Sommerschule 2023, wo Arbeiten im Kontext der von d-o-t-s kuratierten School of Phyto-centred Design entstanden sind. Im Wesentlichen geht es dabei um einen Perspektivenwechsel vom human-centered Design hin zum natur-bestimmten Design. In Zukunft soll Design nicht nur für Menschen gemacht, sondern die Natur stets mitgedacht werden. Dafür muss sich allerdings das Mindset der Menschheit radikal ändern und der Mensch als integraler Bestandteil des Natursystems Erde begriffen werden. Und nicht als jemand, der darüber steht.

Im Unterschied zu Messeformaten lenken Design Weeks den Blick auf die Arbeit der Designer und thematische Aspekte der Gestaltung. Nachwuchsdesigner erhalten eine Präsentationsplattform und die Organisatoren nehmen ihre unterstützende Funktion wahr, indem sie Unternehmen, Organisationen, öffentliche sowie private Förderstellen und Kreative zusammenbringen. Besonders in der Vienna Design Week wird dieses zentrale Anliegen hervorragend umgesetzt.


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