Home Architecture Finalisten des EU-Preises für Architektur – Mies van der Rohe Award 2022

Finalisten des EU-Preises für Architektur – Mies van der Rohe Award 2022

von Markus Schraml
RIBA Stirling Prize 2021, Town House

Die fünf Finalisten des Preises der Europäischen Union für zeitgenössische Architektur – Mies van der Rohe Award 2022 stehen fest. Es sind 85 Sozialwohnungen in Cornellà de Llobregat von peris+toral.arquitectes, Frizz23 in Berlin von Deadline (Britta Jürgens und Matthew Griffin), die Ferme du Rail in Paris von Grand Huit und Mélanie Drevet Paysagiste, das Town House der Kingston University in London von Grafton Architects und Z33 Haus für zeitgenössische Kunst, Design und Architektur in Hasselt von Francesca Torzo.

Die zwei Finalisten des Nachwuchspreises sind die Enrico Fermi-Schule in Turin von BDR bureau und La Borda – Wohnungsbaugenossenschaft in Barcelona von Lacol. Die Jury unter dem Vorsitz von Tatiana Bilbao wird im Lauf des März 2022 die Bauten vor Ort besichtigen. Ende April werden die Gewinner bekannt gegeben und am 12. Mai soll die Preisverleihung im Mies an der Rohe Pavillon in Barcelona stattfinden.

Die Auswahl der sieben Finalisten erfolgte nach einer Reihe von Kriterien, in deren Zentrum die Förderungen von lokalen Gemeinschaften stand. Laut Jury seien es Modelle der gemeinschaftlichen Verwaltung sowie zirkulärer Wertschöpfungsprozesse. Es seien Beispiele, wie sie für produktive, autarke Städte mit Zukunftspotenzial wünschenswert sind. Gut durchdachte Bauprozesse stünden neben der sorgfältigen Verwendung von Materialien. Die Wahl der Jury nimmt auch ganz deutlich Bezug auf das Problem von bezahlbarem Wohnraum in Städten.

Sozialwohnungsprojekt im Großraum Barcelona

Mit dem Projekt „85 Sozialwohnungen“ in der katalanischen Stadt Cornellà de Llobregat haben die Architekten von peris+toral.arquitectes eine Matrix von miteinander kommunizierenden Räumen geschaffen, sodass Flure überflüssig sind und die Fläche optimal genutzt werden kann. Das Gebäude ist um einen Hof herum gruppiert, wodurch eine Abfolge von Zwischenräumen entsteht. Im Eingangsbereich des Erdgeschosses öffnet sich eine Veranda zur Stadt hin und stellt eine Beziehung zwischen dem öffentlichen Raum und dem Innenhof her.

Dem Projekt „85 Sozialwohnungen“ der Architekten peris+toral.arquitectes liegt eine Matrix von miteinander kommunizierenden Räumen zugrunde. Foto © José Hevia

Zuerst der Dialog, dann die Gestaltung

„Frizz23“ ist ein Entwurf des Architekturbüros Deadline und ein Gemeinschaftsprojekt, denn die Architekten um Britta Jürgens und Matthew Griffin haben auch die Bauträgerrolle übernommen, um eine Nutzergemeinschaft aufzubauen. Zweiunddreißig kleine Unternehmen und gemeinnützige Organisationen, die von der rasanten Gentrifizierung Berlins bedroht sind, haben sich zusammengeschlossen, um ihren Fortbestand zu sichern. Die Architekten brachten zunächst die Gruppe rund um ihre programmatischen Ziele zusammen und entwarfen dann das Gebäude im ständigen Dialog mit den Nutzern, der Nachbarschaft und der Stadt. Die Silhouette des Gebäudes bringt das komplexe Nutzungskonzept (Kunst, Bildung, Kreativbranche) und die Eigentümerstruktur des Projekts zum Ausdruck, eine Stadt in der Stadt.

„Frizz23“ ist ein Entwurf des Architekturbüros Deadline und ein Gemeinschaftsprojekt, denn die Architekten haben auch die Bauträgerrolle übernommen. Foto © Jan Bitter

Gemeinschaftliches Wirtschaften

Bewohner und lokale Vereine in Paris wollten einen Ort, der urbane Landwirtschaft und solidarisches Miteinander verbindet. Das Ergebnis heißt „Ferme du Rail“ (die Bahnhofsfarm) und bietet fünfzehn Sozialwohnungen für notleidende und wiedereingliederungsbedürftige Menschen, fünf Sozialwohnungen für Studierende, ein Gewächshaus, ein öffentlich zugängliches Restaurant, eine Pilzzucht-Höhle und einen Permakultur-Garten. Das Ziel dieses Konzept, das von Grand Huit und Mélanie Drevet Paysagiste umgesetzt wurde, ist, den Bedarf an Energie, finanziellen Ressourcen und Lebensmitteleinkauf zu minimieren. Dieses Projekt verfolgt in erster Linie ein Modell einer nachhaltigen, sozialen und gemeinsamen Wirtschaft, das mit der gegenseitigen Abhängigkeit zwischen den Akteuren des Projekts und den Einwohnern verbunden ist. Es basiert auf den Fähigkeiten aller Beteiligten, die aufgerufen sind, sich für das Wohl der Nachbarschaft einzusetzen.

Urbane Landwirtschaft und solidarisches Miteinander: „Ferme du Rail“ (die Bahnhofsfarm). Foto © Myr Muratet

Offenheit innen und nach außen

Das „Town House“ der Kingston-Universität in London von Grafton Architects ist ein Haus für Studierende. Es stellt ein fortschrittliches Modell im Bereich der Gestaltung von Hochschulgebäuden dar. Mit seiner Dynamik ist es sowohl ein Ort des Lernens als auch der Gemeinschaft. Besonders kennzeichnend für dieses Bauwerk ist seine Offenheit. Dadurch wird der öffentliche Raum erweitert und die Grenze zum Bürgersteig verwischt. Es steht wie eine Stein gewordene Einladung dar, eine Einladung, die aber nicht nur den Studierenden gilt, sondern allen in der Nähe Wohnenden und Besuchern gleichermaßen.

RIBA Stirling Prize 2021, Town House
Das Forum im „Town House“ der Kingston University London. © Ed Reeve

Die Kontinuität von Kultur

Der Beginenhof in Hasselt (belgische Provinz Limburg) ist eine Stadt in der Stadt. Der Garten wird von einer Mauer aus heterogenen Backsteinbauten umschlossen, ein Ort der Ruhe. Z33 ist Teil dieser durchgehenden Grenze, als ein Gebäude aus zwei Teilen: dem seit 1958 bestehenden Museum und seiner Erweiterung. Zur Straße hin ist es geschlossen und zum Garten hin offen. Die Ausstellungsräume und die „geheimen“ Gärten bilden ein Labyrinth, in dem sich Erinnerungen an ortstypische Durchgänge mit denen an ausländische Villen oder Paläste vermischen. Der Entwurf von Francesca Torzo berücksichtigt die „kulturelle Struktur“ dieses Orts und die Beziehungen zwischen menschlicher Geschichte und den Konstruktionen selbst.

Der Entwurf von Francesca Torzo berücksichtigt die „kulturelle Struktur“ des Beginenhofs in Hasselt (Belgien). Foto © Gion B. von Albertini

Neue Räume, neue Methoden

Die „Enrico Fermi“-Schule (ein Gebäude aus den 1960er-Jahren) in Turin wurde vom BDR bureau (ebenfalls Turin) modernisiert. Unter Beteiligung der Schulgemeinschaft entstand gleichzeitig eine Erneuerung der pädagogischen Richtlinien. Neue Lernräume also sowie neue Lernmethoden. Das bestehende Gebäude hatte einen ungünstigen Zugang zu den Außenbereichen und eine ganze Reihe von ungenutzten Innenräumen. Die Strategie der Architekten bestand darin, durch die Neugestaltung des Zugangs und der Außenbereiche die Schule zur Stadt hin zu öffnen.

Die „Enrico Fermi“-Schule in Turin wurde vom BDR bureau modernisiert. Foto © Simone Bossi

Wohnraum ohne Spekulation

Der genossenschaftliche Wohnungsbau von La Borda (Architektur Lacol) in Barcelona ist ein Projekt des selbst organisierten Zugangs zu angemessenem, nicht spekulativem Wohnraum. Die Genossenschaft legte dabei den Schwerpunkt auf ein Gebäude mit minimalen Umweltauswirkungen, sowohl beim Bau als auch während seiner Nutzungsdauer. Ein weiteres grundlegendes Ziel war es, die Gefahr von „Energiearmut“ bei den Nutzern zu beseitigen, unter der einige von ihnen aufgrund der hohen Energiekosten litten. Die ursprüngliche Strategie des Projekts zur Senkung des Energiebedarfs bestand in Optimierungen, dem Verzicht auf Tiefgaragen, der Zusammenlegung von Dienstleistungen und der Reduzierung der Wohnfläche. Es umfasst 28 Einheiten (40, 60 und 75 m²) und mehrere Gemeinschaftsräume: Küche-Esszimmer, Waschküche, Mehrzweckraum, Gästezimmer, Gesundheitsraum, Lager sowie Außen- und Halbaußenräume wie Patios, Fahrradabstellplätze und Terrassen.

La Borda in Barcelona ist ein Projekt des selbst organisierten Zugangs zu angemessenem, nicht spekulativem Wohnraum. © Institut Municipal de l’Habitatge i Rehabilitació de Barcelona

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