Home Design Formafantasma und die Spezies Baum

Formafantasma und die Spezies Baum

von Markus Schraml
Cambio by Formafantasma

Das italienische Designerduo Formafantasma mit Sitz in Amsterdam hat sich für eine Ausstellung in der Serpentine Sackler Gallery in London mit dem Thema Holz auseinandergesetzt. Unter dem Titel „Cambio“ (vom lateinischen Wort Cambium, was so viel wie Wechsel bedeutet) untersuchen Andrea Trimarchi und Simone Farresin die Entwicklung der Holzindustrie im Lauf der Zeit hin zu einer der größten Industrien der Welt überhaupt, was sowohl die finanziellen Erträge als auch den Einfluss auf die Biosphäre betrifft. Der Titel bezieht sich auch auf den Kambiumring, die hohlzylinderförmige Wachstumsschicht von Bäumen zwischen Splintholzzone und Rinde.

Ein wichtiger Ausgangspunkt für die Ausstellung war die Frage, wie wir Menschen mit der Spezies Baum umgeben, sagt Farresin. Das meint der Designer nicht als überspitzte Bemerkung, sondern als ernstzunehmenden Gedanken, in einer Welt, die von Mensch gemachten Umweltproblemen gezeichnet ist. Diese Beschäftigung mit ethischen Fragen der Holzproduktion soll nur ein Ausgangspunkt für weitere Projekte und Forschungen sein.

Die ältesten Objekte der Ausstellung sind Proben seltener Harthölzer, die erstmals in der „Great Exhibition“ (1851) ausgestellt waren und von Bäumen stammen, die völlig abgeholzt und ausgerottet wurden. Die jüngsten Objekte sind von Formafantasma entworfene Ausstellungs- und Sitzmöbel, die alle aus einem einzigen Baum gefertigt wurden, der im Jahr 2018 bei einem Sturm in Norditalien umgestürzt war.

In den zentralen Räumen der Ausstellung werden Daten und Forschungsergebnisse in Form von Interviews, Referenzmaterialien und zwei Filmen präsentiert, die von den beiden Designern produziert wurden und eine Reaktion auf ihre Forschungen darstellen. Die äußeren Räume sind Fallstudien vorbehalten, die Einblicke gewähren in die Art, wie Holz beschafft und verwendet wird. Jede dieser Studien entstand in Zusammenarbeit mit Experten aus den Bereichen Wissenschaft, Naturschutz, Ingenieurwesen, Politik oder Philosophie. Thematisch wird damit ein Feld abgedeckt, das von der mikroskopischen Analyse von Holz und seiner Fähigkeit, Kohlendioxid zu speichern, bis zu einem metaphysischen Verständnis von Bäumen als lebende Organismen reicht.

Für Formafantasma ist natürlich die Rolle des Designers, in Bezug auf die Umwelt und seiner Verpflichtung über den Tellerrand hinauszublicken, entscheidend. Zukünftiges Design muss versuchen, das steigende Umweltbewusstsein bei den Menschen in ein neues Verständnis für den Umgang mit Bäumen zu verwandeln, das dann auch in einer tatsächlichen Veränderung mündet. „Cambio ist ein Versuch unser Verständnis von Design über die Grenzen des fertigen Objekts hinaus zu erweitern. Dadurch können Forsttechniken und -regulierungen zu Werkzeugen werden, die unseren Wäldern zu einer besseren Zukunft verhelfen. Dabei gehen Wissenschaft und Umweltaktivismus Hand in Hand, um illegale Abholzungen zu bekämpfen. Es geht um ein neues geopolitisches Gleichgewicht zwischen Erhaltung und Konsum“, schreiben Formafantasma in einem Statement zur Ausstellung.

Die Arbeit von Andrea Trimarchi und Simone Farresin zeichnete sich von Beginn an durch einen experimentellen Zugang zu Materialien aus. Dabei ging es immer auch um die Geschichte, den Kontext und die Umstände, unter welchen natürliche Ressourcen zu Waren transformiert werden. Sie sehen sich als Brückenbauer zwischen Handwerk, Industrie, Objekt sowie Nutzer und lassen die Erkenntnisse ihrer Materialstudien in die Designindustrie einfließen. Diesen Zugang wissen Firmen wie Fendi, Hermés, Nodus rug, J&L Lobmeyr, Established and Sons, Lexus oder Flos zu schätzen und beauftragten Formafantasma mit unterschiedlichsten Arbeiten. Internationale Museen haben Werke des Duos in ihre permanenten Kollektionen aufgenommen. Darunter das MoMA und Metropolitan Museum in New York, Victoria and Albert in London, Centre Georges Pompidou in Paris, Stedelijk Museum Amsterdam oder das MAK Museum in Wien. Die Ausstellung „Cambio“ bildet auch die Grundlage für ein neues Master-Programm unter dem Titel „Geo-Design“ an der Design Academy Eindhoven, das Formafantasma ab Herbst 2020 leiten werden.

Die Ausstellung wird von Nicoletta Fiorucci Russo, Fiorucci Art Trust unterstützt. Als Hauptsponsoren fungieren Flos, Pictet und Rinascente.

Cambio“ kann noch bis zum 17. Mai 2020 in den Serpentine Galleries besucht werden.

Weitere TOP-Artikel

-
00:00
00:00
Update Required Flash plugin
-
00:00
00:00