Home Architecture Gefaltete Leichtigkeit – Aeeri von Peter Kunz

Gefaltete Leichtigkeit – Aeeri von Peter Kunz

von Markus Schraml
Aeeri, Peter Kunz, Arper

Der Architekt Peter Kunz hat für den italienischen Möbelhersteller Arper den Tisch Aeeri designt. Er begibt sich damit auf Neuland, denn als Designer war er bisher nicht aktiv. Dennoch gelang dem Schweizer auf Anhieb ein extrem reduziertes, klares Möbel. Die Tischplatte besteht aus nur einem einzigen Stück Stahlblech, das gefaltet wird. Kunz ließ sich dafür von der Monocoque-Technik inspirieren. Die Entstehungsgeschichte dieses nun präsentierten Tisches reicht vor die Kooperation mit Arper zurück. Sie beginnt mit dem Interesse des Architekten für die Technik des Faltens, wie er im FORMFAKTOR-Interview erzählt.

Peter Kunz ist seit über 30 Jahren erfolgreich als Architekt tätig. Nachdem er von 1991 – 2014 sein eigenes Büro leitete, ging er ab 2015 mit Roger Studerus und Felix Rutishauser eine Partnerschaft ein. Großes Medienecho fanden seine „Garagenwürfel“ in wunderschöner Landschaft in Herdern im Kanton Thurgau. Seine Bauwerke sind von klaren Linien und geometrische Strukturen geprägt. Dieser Gestaltungsansatz ist auch beim neuen Tisch für Arper deutlich erkennbar. Im Gespräch erläutert Kunz sein Faible für das Thema Reduktion und spricht über das Verhältnis von Architektur und Inneneinrichtung.

FORMFAKTOR: Wie kam die Zusammenarbeit mit Arper zustande?

Peter Kunz: Über einen Freund. Als Architekt kenne ich natürlich viele Möbelmarken, aber konkret hat mich ein Freund auf Arper aufmerksam gemacht. Schließlich kamen die Schweizer Vertreter des Unternehmens in mein Studio, um sich meinen Prototypen mal anzusehen. Sie waren begeistert. Es war auch so, dass der Prototyp schon sehr weit fortgeschritten war. Die großen Probleme der Statik waren gelöst. Aber natürlich lag im Detail noch viel Arbeit vor uns.

FORMFAKTOR: Diesen Prototypen hatten Sie für ein Projekt gemacht?

Peter Kunz: Nein, diese Arbeit entstand aus meiner ganz persönlichen Leidenschaft, aus meiner Faszination für die Monocoque-Idee. Das hat mich nicht mehr losgelassen. Und so habe ich immer wieder daran gearbeitet.

FORMFAKTOR: Sie haben also kontinuierlich weiterentwickelt.

Peter Kunz: Natürlich war das Ganze ein Prozess, aber die Idee der Feinheit und die Möglichkeiten, das mit der Monocoque-Methode, also einer Falttechnik zu erreichen, gab es von Anfang an und das hat mich angetrieben. Es passt auch zu meiner Vorliebe für das Reduzierte. Es gibt ja schon Tausende Tische, wieso noch einer? Dafür gibt es eigentlich keinen Grund. Aber ich sah in der Monocoque-Technik die Gelegenheit, etwas Neues zu machen, etwas nahezu Unauffälliges, etwas Zeitloses. Das ist auch mein Credo in der Architektur. Aber bei Möbeln finde ich es fast noch wichtiger, denn Möbel in einem Raum sind wie ein Orchester, das zusammenspielen muss. Und nicht jeder kann die erste Geige spielen. Ich denke, dieser Tisch fügt sich gut in jedes Orchester ein.

FORMFAKTOR: Sie haben von Anfang an Metall verwendet?

Peter Kunz: Ja, anfangs habe ich mit Chromstahl gearbeitet, aber jetzt ist es Stahlblech. Eventuell wird es später eine Variante aus Chromstahl geben – für Outdoor.

Aeeri, Arper, Kunz
Durch seine zurückhaltende Form passt Aeeri in unterschiedliche Umgebungen. Hier im Wohnzimmer mit Catifa-Stühlen. © Alga Studio

FORMFAKTOR: Wie unterscheidet sich die Herangehensweise an ein Architektur-Projekt von der an ein Möbel? Gibt es Unterschiede?

Peter Kunz: Ja, große. In der Architektur sind es immer Unikate, genau auf die Bedürfnisse der Bauherrenschaft zugeschnitten. Bei einem Industriebau geht es um den Produktionsablauf, bei einer Wohnsituation um die Wohnbedürfnisse. Ein Tisch hingegen ist ein Massenprodukt, das in Serie gefertigt wird. Das haben wir beim Bauen noch nicht erreicht. Die Serienproduktion eröffnet enorme Möglichkeiten. Bei diesem Tisch konnte zum Beispiel durch Spezialwerkzeuge die Produktion noch einmal vereinfacht werden.

FORMFAKTOR: Glauben Sie, dass Architekten anders an die Gestaltung von Möbel herangehen als Designer?

Peter Kunz: Ja. Nicht besser, aber anders. Für einen Architekten ist es sehr anspruchsvoll, ein gutes Möbel zu machen. Das ist eine andere Welt. Man arbeitet internationaler, ist weniger ortsgebunden. Wenn man den Weltmarkt bedienen will, gibt es einfach andere Regeln. Natürlich gibt es länderspezifische Vorlieben. Die Schweizer zum Beispiel sind für das Präzise, Reduzierte, Puristische und sind vielleicht ein bisschen emotionsloser als die Italiener. Hier muss man Brücken schlagen können. Dieser Tisch hat auch viel Witz. Er erscheint wie ein Papierflugzeug, oder? Durch die Falttechnik.

Am Beginn ist die Tischplatte nur ein 3,50 x 2 Meter großes Stück Blech. Es ist wie ein Blatt Papier. Eigentlich ist es unvorstellbar, dass daraus ein stabiler Tisch entstehen kann, nur mit zwei, drei Faltungen. Normale Tische haben ein Gestell und eine Platte. Das ist wie ein Ford T, 1910, mit einem Chassis um das Blech rundherum geschlagen wird. Als dann McLaren 1981 die Monocoque-Konstruktion eingeführt hat, war das eine ganz andere Herangehensweise. Als Architekt bin ich natürlich immer an der Konstruktion interessiert. Ich suche die klare Linie – selbstverständlich – und für mich als Architekt ist es ganz wichtig, wie ein Tisch von unten aussieht.

FORMFAKTOR: Es ist also ein sehr architektonischer Tisch?

Peter Kunz: Jein. Der Tisch macht einen Spagat. Ich habe wirklich das Gefühl, mit diesem Tisch ganz viele Leute zu erreichen. Er ist, wie wenn ein Kind einen Tisch zeichnet. Ein ganz normaler Tisch. Aber natürlich – und das ist in der Architektur genauso – ist das Einfache viel schwieriger als das Komplizierte. Man kann einen Polsterstuhl, einen puristischen Stuhl dazustellen – er funktioniert immer, weil er nie der Hauptakteur ist. Ich sehe ihn als Esstisch, aber auch als Ateliertisch oder im Freien.

FORMFAKTOR: Gab oder gibt es in Ihren Architekturprojekten die Bestrebung, auch die Inneneinrichtung mitzugestalten?

Peter Kunz: Wir Architekten haben natürlich den Drang, auch das zu kontrollieren. Ich finde es aber schwierig. Obwohl ich sehr möbelaffin bin, frage ich mich immer, habe ich meine Bauherrenschaft wirklich richtig verstanden. Ein Haus ist wie ein Schuh, der eingelaufen werden muss. Eine Wohnsituation ist erst nach ein, zwei Jahren gut. Alles andere sind Versuche, sich dem Gebrauch, sich dem Leben anzupassen. Außerdem schätze ich die Zusammenarbeit mit den Landschaftsarchitekten und den Innenarchitekten. Es geht um Kollaboration. Aber natürlich bin ich gerne involviert. Es ist wie bei diesem Tisch: Das Produkt ist das eine und die Kommunikation im Raum das andere.

FORMFAKTOR: In der derzeitigen Architekturdiskussion geht es viel um Umweltbewusstsein, Nachhaltigkeit und darum, wie viel CO2 die Bauindustrie ausstößt. Wie ist ihre Meinung dazu?

Peter Kunz: Beim Tisch Aeeri ist das Thema Nachhaltigkeit ein zentrales Element. Wir arbeiten mit einem Minimum an Material, mit einem ein Millimeter dicken Stahlblech, einem einzigen Material. Dann ist der Tisch flexibel einsetzbar, zuerst im Esszimmer, dann in der Werkstatt, dann draußen. Und zum Schluss kann er in der Rezykliermaschine wiederverwertet werden. Alles ist Blech. Zudem wird er in einem Karton von vier Zentimetern Höhe geliefert. Das Thema Nachhaltigkeit war auch für Arper zentral. Deshalb haben sie sich in den Tisch verliebt und mich als No-Name-Designer akzeptiert.

Peter Kunz gibt sein Debüt als Designer – und zwar erfolgreich. © STRUT ARCHITEKTEN AG

FORMFAKTOR: Können Sie sich vorstellen, weitere Projekte im Möbelbereich anzugehen?

Peter Kunz: Es ist so, dass ich in einer speziellen Situation bin. Ich leitete mein Architekturbüro 25 Jahre lang und habe es mittlerweile meinen Mitarbeitern übergeben. Jetzt bin ich nur noch einer von drei Partnern. Einerseits wollte ich dadurch die Nachfolge gut regeln, andererseits möchte ich selbst in einem anderen Rhythmus arbeiten (und das bis 80) und nur noch machen, was mir wirklich Spaß macht. Dadurch habe ich gewisse Freiheiten. Ich habe auch nicht den Druck eines Profi-Designers, der von Brand zu Brand gehen muss. Es würde mich freuen, mit ein, zwei guten Firmen weitere Ideen umzusetzen. Die Chemie muss dabei stimmen, wie mit Arper. Das war eine sehr inspirierende, gute Zusammenarbeit. Es hat Spaß gemacht und war immer spannend.


Aeeri – der Tisch

Die Tischplatte des Aeeri besteht aus einem einzigen, nur einen Millimeter dünnen, gebogenem Stahlblech. Für die Tischplatte stehen die Varianten aus schwarzem, weißem oder rot lackiertem Stahl zur Verfügung, die mit den passenden Metallbeinen (in zwei Höhen) kombiniert werden können. Alternativ können Holzbeine aus FSC-zertifiziertem europäischem Eichenholz gewählt werden, entweder in Natur oder schwarz lackiert. Insgesamt besteht der Tisch aus nur fünf Komponenten, die flach verpackt geliefert werden, um die Umwelt möglichst wenig zu belasten. Am Ende seines Lebens können die einzelnen Komponenten leicht demontiert und für das Recycling sortiert werden.


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