Home Architecture Holz-Schalldämmung durch „Schwarze Löcher“

Holz-Schalldämmung durch „Schwarze Löcher“

von Markus Schraml
Schwarze Löcher, Empa

Die Theorie der akustischen schwarzen Löcher wurde erstmals im Jahr 1987 publiziert. Es geht dabei um die Annahme, dass parabolische Aussparungen in einem Material Vibrationen wie Schall aufnehmen und ausschwingen lassen können. Der Empa-Forscher Stefan Schönwald (Leiter des Bauakustiklabors der Empa in Dübendorf) hat diese Theorie aufgegriffen und sie auf den Bereich Schalldämmung bei Holzbauten angewendet. Erstmals wurden dafür Experimente mit neuartigen Brettsperrholzplatten durchgeführt.

„Wenn man auf einen Boden auftritt, ist das wie ein Stein, den man in einen Teich wirft. Im Material breiten sich in alle Richtungen Schallwellen aus“, erläutert Schönwald, der gemeinsam mit seinem Kollegen Sven Vallely, der entsprechende Computersimulationen erstellte, die Forschung durchführte. Es galt, optiklinsenförmige Vertiefungen in das Material zu fräsen. Wenn die Schallwellen in diesen Bereich hineinlaufen, verstärken sich dabei die Amplituden immer weiter, während die Wellenlänge der Schwingungen abnimmt. „Könnte man die Platten im Bereich dieser Vertiefungen unendlich dünn machen, dann würden sich die Schallwellen tatsächlich von alleine in diesen ‘schwarzen Löchern’ totlaufen, es käme also nichts mehr aus der Linse“, so Schönwald. Wie sieht es allerdings mit der schallmindernden Wirkung aus, wenn die Tiefe der Aussparung beschränkt ist?

Um dies herauszufinden, gab Schoenwald einen Prototyp und eine normale Kontrollplatte aus dem gleichen Material bei der Strüby AG in Seewen in Auftrag. Mit einer CNC-Maschine fräste der Holzbau-Spezialist Alex Bellmont dort die linsenförmige Kuhle maßgenau aus einer Brettsperrholzplatte. Die beiden Platten wurden dann an der Empa einer Schwingungsanalyse unterzogen. Dabei wird Schall über das ganze relevante Schallspektrum als Vibration in den Testkörper geleitet. Ein Laser misst die Vibration der Test-Platten rasterförmig an mehreren Stellen. Mit den Messwerten kann dann berechnet werden, wie sich die Vibration durch die Platte bewegt – und ob die ausgefrästen Dellen den Schall auch wirklich „schlucken“ und in Form von Wärme verpuffen lassen.

Stefan Schönwald und Sven Vallely mit dem Prototypen der gefrästen Brettsperrholzplatte. © Empa, Foto: Beat Geyer

Simulierte Realität und Computermodell

Ein wichtiges Ziel des Versuchs war es, herauszufinden, ob die simulierten Resultate sich mit den gemessenen Werten decken. Denn wenn das Computermodell der Realität entspricht, können am Computer nahezu kostenlos alle möglichen Parameter verändert werden, ohne dass jedes Mal eine neue Versuchsplatte angefertigt werden muss. Schließlich war Stefan Schoenwald mit den Ergebnissen sehr zufrieden, denn die Messwerte wichen von der Modellrechnung nur um 5 % ab. Diese Abweichung lässt sich durch die Fertigung der Platten und die natürliche Variation des Holzes erklären, meint Vallely.

Nun folgen die nächsten Versuche mit den Testplatten: „Aktuell sind wir an den Trittschallmessungen, die wir nach internationalen Normvorgaben durchführen. Im nächsten Schritt müssen die Brandschutz- und Statik-Eigenschaften bestätigt werden“, erklärt Schönwald. Diese weiteren Untersuchungen sollen sicherstellen, dass die Brettsperrholzplatten nicht nur mindestens auf marktüblichen Niveau den Schall dämmen, sondern auch alle für die Verwendung im Bau notwendigen Zertifizierungen erhalten.

Alex Bellmont von der Strüby AG in Seewen fräste die mathematisch berechneten Kuhlen in eine Brettsperrholzplatte. ©
Empa

Holzdecken mit Sand und Kies

„Bei der Dämmung von Trittschall muss ich drei Eigenschaften zugleich im Auge behalten: die Masse des Bauteils einerseits, seine Steifigkeit und die Bedämpfung andererseits“, beschreibt Schönwald die Wirkungsweise der Platten. Um die Masse des Bauteils zu erhöhen, bauen Architekten in moderne Holzhäuser dicke Schichten von Kies zur Beschwerung ein. Dadurch geraten die Holzdecken weniger leicht in Schwingung. Schönwald und Vallely beschreiten einen anderen Weg: „Bei uns ist Kies nicht zur Beschwerung da. Er soll sich stattdessen bewegen und durch seine innere Reibung die Vibration in Wärme umwandeln“, erläutert Schönwald. Und das geht so: „Wir machen die Holzdecken an bestimmten Stellen besonders weich, damit sie dort besonders stark schwingen können. An diesen Stellen dämpfen wir die Schwingung gezielt mit einer kleinen Menge Sand oder Kies.“

Schwarze Löcher, Empa
Intelligente Lärmdämmung: Sven Vallely stellte Computerberechnungen der Schwingung von Holzplatten mit „Schwarzen Löchern“ an. © Empa

Die Tests zeigen, dass eine Holzdecke mit akustischen schwarzen Löchern wesentlich leichter als eine herkömmliche Decke ist und den Trittschall dennoch deutlich besser dämpft. Die Steifigkeit der gesamten Deckenkonstruktion bleibt dabei erhalten. Nach Abschluss der aktuellen Versuchsreihen wollen die Wissenschaftler noch ein Verfahren entwickeln, das automatisch die beste Anordnung und Form der akustischen schwarzen Löcher auf die gewünschte Bodengröße und –form aufzeigt. Fehlt nur noch ein Industriepartner, der Interesse an der Produktion und dem Vertrieb von akustischen schwarzen Löchern für moderne Holzgebäude hat.


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