Nikolaus Potapow ist der diesjährige Gewinner des nationalen James Dyson Award in Österreich. Der Industriedesigner wurde für die Entwicklung eines nachhaltigen medizinischen Beutels für Patienten mit künstlichem Darmausgang ausgezeichnet, den er im Zuge seines Masterstudiums am FH Joanneum Graz, Institut Industrial Design, Schwerpunkt Eco-Innovative Design gestaltet hat. Dieses Semesterprojekt ist in Kooperation mit dem Medizinproduktehersteller Convatec entstanden. Ausschlaggebend dafür war ein Aufenthalt in Tanzania, wo Potapow Einblick in die medizinischen Alltagsprobleme eines afrikanischen Krankenhauses bekam. Konkret ging es um die Stoma-Versorgung, die üblicherweise mit hohen Kosten verbunden ist. Arme Menschen ohne Krankenversicherung können sich dies nicht leisten und sind deshalb von der Hilfe afrikanischer Stoma-Organisationen abhängig. Aufgrund dieser Situation entwickelte Potapow einen Kolostomiebeutel, – os*tomy genannt – der sowohl preisgünstig als auch umweltfreundlich ist. Die verwendeten Grundstoffe und der Herstellungsprozess, den Potapow entwickelt hat, sollen es einschlägigen Organisationen ermöglichen, Stomabeutel selbst aus lokalen Ressourcen zu produzieren.
Agar-Agar und Glycerin
Ein Kolostoma ist ein künstlicher Abfluss für Körperausscheidungen, der Patienten mit schweren Darmerkrankungen operativ gelegt wird, wobei die Ausscheidungen normalerweise in einem Klebebeutel aus Kunststoff aufgefangen werden. Der Beutel von os*tomy besteht aus zwei Grundstoffen: Agar-Agar, das aus Rotalgen hergestellt wird und entlang von Küsten weit verbreitet ist, und Glycerin, das auf Pflanzenöl basiert und ein Nebenprodukt etwa der Seifenindustrie ist. Mit Wasser vermischt ergeben sie ein einfach zu reproduzierendes Rezept, das nur simple Werkzeuge wie eine Heizung, Formen und einen Heißstempel erfordert, um die Folienstücke zu kochen, zu gießen und in einen verwendbaren Beutel zu verschweißen. Der Beutel ist wasserdicht und biologisch abbaubar. os*tomy wird mit einem Stoffgürtel fixiert, der über einen Verstärkungsring um die Stomaöffnung und eine verstellbare, automatisch verriegelnde Schnalle verfügt.
Bis Nikolaus Potapow erste zufriedenstellende Ergebnisse erzielen konnte, waren Tests mit vielen Varianten zerkleinerten Seetangs, Natriumalginat und Agar-Agar notwendig. Erst die Prototypen mit Glycerin ergaben ein folienartiges Material. Die Mischung und die Kochprozesse wurden verfeinert und in Formen gegossen, deren Größe entsprechend der gemessenen Schrumpfung des Materials angepasst wurde. Nach dem Nachweis der Möglichkeit das Material zu schweißen, konnte schließlich ein wasserdichter Beutel hergestellt werden.
Open Source-Prinzip
Die Stabilität der Beutel-Gürtel-Kombination wurde von Potapow in persönlichen Experimenten getestet und er konnte nachweisen, dass der Beutel an Ort und Stelle bleibt, wenn Verstärkungselemente an beiden Komponenten hinzugefügt werden. Während des gesamten Prozesses wurden die Tools sehr einfach gehalten, um eine breite Verfügbarkeit sicherzustellen. Potapow: „Der os*tomy ist für jene Menschen gedacht, die (noch) keinen Zugriff auf kommerzielle Stoma-Produkte haben. Er bietet Stoma-Unternehmen die Möglichkeit, Produkte selbstständig in lokalem Maßstab herzustellen, ganz nach dem Open Source-Prinzip.“
Im Hinblick auf die Weiterentwicklung und Perfektionierung des os*tomy sind mehr Materialtests notwendig, um die Hautverträglichkeit zu prüfen. Zudem würde der Gürtel in puncto Passform und Materialeffizienz optimiert werden.