Was in einer Garage am Wiener Platz in München begann, ist heute, 20 Jahre später, ein florierendes Unternehmen mit 200 Mitarbeitern. Mitte der 90er Jahre fertigte Axel Meise dort, wo heute das Headquarter von Occhio steht, die ersten Skizzen für ein Leuchtensystem an, das die Quintessenz seiner langjährigen Beschäftigung mit Licht darstellte. Unzufrieden mit dem damaligen Licht-Markt schwebten ihm nicht Einzellösungen vor, sondern ein ganzes System, das für alle denkbaren Raumsituationen die richtige Antwort parat hat. Um dies zu erreichen, war es vor allem wichtig, eine möglichst hohe und flexible Lichtqualität zu schaffen. Gemeinsam mit dem Physiker Christoph Kügler bringt der Designer Meise schließlich das erste umfassende modulare Leuchtensystem auf den Markt. Der Name: Occhio, italienisch für Auge. So wird er später auch sein Unternehmen nennen.
Der Übergang von Halogen zur LED war ein entscheidender Wendepunkt, der die Gestaltung und die Möglichkeiten mit Licht umzugehen, vorantrieb. Occhio ist Marktführer im DACH-Raum und bietet hochqualitative Lichtsysteme an, die in puncto Bedienungsoptionen sowie technisch-funktionalen Eigenschaften, dem Mitbewerb voraus sind. Aber auch in ästhetischer Hinsicht hat Axel Meise etwa mit der Mito circular ein Design ersonnen, dass sowohl in seiner formalen Klarheit als auch dem gestalterischen „Gewissen-Etwas“ begeistert.
Occhio feiert „die ersten 20 Jahre“ und am Rande der Party im Flagship-Store in Köln, sprach Axel Meise im formfaktor-Exklusivinterview über Lichtsysteme, den Siegeszug der LED und seinen ganz persönlichen Zugang zur Licht- und Leuchtengestaltung.
formfaktor: Was waren die einschneidendsten Momente in 20 Jahren Occhio?
Axel Meise: Der Beginn ist immer das Schwierigste, sagt man, aber in dem Fall war es ein extrem schneller Start. 1999 haben wir das erste Produkt gelauncht und es war sofort erfolgreich. Also so richtig – weil wir aus dem Handel kamen und die Erfahrung hatten, was der Markt und die Kunden brauchen, seien es Endverbraucher, Bauherren, Planer oder Architekten. Was auf dem Markt fehlte, war ein ganzheitliches System und genau das war unsere Idee. Mir war relativ früh klar, dass das etwas ganz Besonderes werden würde, weil es auf dem Markt nichts auch nur ansatzweise Vergleichbares gab. Verrückterweise ist es 20 Jahre später immer noch so.
formfaktor: Ja, es gibt kaum etwas.
Axel Meise: Es gibt nichts. Das richtige Licht für jede Situation in durchgängiger Design- und Lichtqualität, das gibt es auch heute nicht. Und für uns war diese Ganzheitlichkeit immer das große Thema. Denn alles andere war immer bloß Stückwerk. Wenn man sich damals der verschiedenen Produkte auf dem Markt bedient hat, war es nie wirklich durchgängig.
formfaktor: Was ist für Sie das Faszinierende am Gestalten mit Licht oder am Gestalten von Leuchten?
Axel Meise: Genau, das hat zwei Komponenten. Deshalb ist das Wort Lichtdesigner auch so eine Sache, denn der Lichtdesigner arbeitet mit Licht, der Leuchtendesigner erschafft Leuchten. Wir aber machen beides. Das Spannende an der Gestaltung von Leuchten ist, Design und Funktion in optimalen Einklang zu bringen, um damit dem Lichtdesigner ein Tool an die Hand zu geben, mit dem er wirklich die Räume gestalten kann. Wir hatten immer die Idee, jeden zum Lichtgestalter seines Lebensraums zu machen. Wir haben Möglichkeiten geboten, die eigentlich aus dem Profi-Bereich kamen. Dass man sich zum Beispiel wirklich entscheiden kann, will ich fokussiertes Licht, will ich diffuses Licht, will ich es mehr nach oben oder nach unten gerichtet – oder beides. Bei uns war immer entscheidend, dass ich die Optiken wechseln oder verändern und damit das Licht auf die jeweilige Situation optimal einstellen konnte. Das ging mit den damaligen Produkten nicht. Da konnte man nicht viel mehr als an/aus und hell/dunkel machen.
formfaktor: Wie hat der Markt zu Beginn auf ihr Lichtsystem reagiert?
Axel Meise: Die Idee wurde von Anfang an sehr gut aufgenommen. Hauptverantwortlich dafür waren die Lichtfachhändler, denn die haben quasi auf so ein Produkt gewartet. Es war genau das, was sie gebraucht haben. Und die Händler wiederum haben mit den Interior-Designern und Architekten zusammengearbeitet. Schließlich kamen sukzessive die Einrichter dazu. Wir sind also immer über den Fachhandel gegangen, weil die Beratung so wichtig ist. Wobei in der ersten Phase, in der Halogen-Phase das Ganze eher Wohnraum orientiert war. Mit dem Einzug der LED konnten wir dann mehr und mehr auch im kommerziellen Objektbereich arbeiten.
formfaktor: Apropos. Was hat die LED-Technologie gebracht oder verändert?
Alex Meise: Alles. Die LED hat alles revolutioniert. Das war disruptiv. Es war das, was der Autoindustrie gerade bevorsteht. Erst mal hat es allerdings viele enttäuscht, denn die ersten LED-Produkte die auf den Markt kamen – nicht von uns – waren ehrlich gesagt, eine Katastrophe. Die Lichtqualität war schlecht, die Lichtfarbe oft extrem kühl, dimmen gab es entweder gar nicht, oder es hat geflackert. Da waren richtig schlimme Sachen auf dem Markt. Wir haben bewusst gewartet, bis die LED so weit war: Stark genug, passende Lichtqualität im Sinne der Farbwiedergabe, also wie Halogen oder nahe Sonnenlicht und auch von der elektronischen Steuerung her, dass man sagen konnte, jetzt kann ich das an unsere anspruchsvollen Kunden mit ruhigem Gewissen verkaufen. Deshalb sind wir relativ spät in die LED-Welt eingetreten, aber mit einer Qualität, die sonst niemand bieten konnte. Wir hatten die besten LEDs, die man finden konnte – und haben sie noch. Das Zweite war, dass ich gesagt habe, wenn wir schon so einen Aufwand betreiben im Hinblick auf die Elektronik, die wir selbst entwickelt haben, dann können wir auch Features einbauen, die die anderen nicht haben, und die im Umgang mit Licht ganz neue Möglichkeiten bieten. Insbesondere die Gestensteuerung. Wir haben in unserem ersten LED-System bereits Gestensteuerung eingebaut, für alle Leuchten, die im Hand-Bereich waren. Das war 2012. Eine Leuchte mit einer Geste zu steuern, war damals natürlich wie Magie. Außerdem konnte man Leuchten plötzlich anfassen. Dadurch dass es nicht mehr so heiß wurde, bot sich die Möglichkeit, Leuchten auch direkt zu bedienen – ohne Griff oder Ähnliches. Mit der LED kamen die Themen Energiesparen, Langlebigkeit und geringe Wärmeentwicklung. Das sind die allgemeinen Vorteile. Was uns aber von anderen unterscheidet, ist dieser „Joy of Use“, die Optionen in der Bedienung. Als dann unser Signature-Produkt von 2004, die Sento-Serie an der Reihe war, auf LED umgestellt zu werden, – das war 2014 – da haben wir auch gesagt, gehen wir doch noch einen Schritt weiter. Sento strahlte das Licht immer nach oben und unter ab, was bei Halogen leicht war, da eine Birne automatisch überall hin abstrahlt, man musste nur entsprechende Optiken einsetzen, bei LED hingegen brauchte ich für diesen Effekt zwei LEDs. Wenn ich nun schon zwei LEDs einbaue und die Elektronik dazu selbst entwickle, dann kann ich die LEDs auch separat steuern. Two in One, das Licht ist getrennt steuerbar und sogar frei zu faden. Wir nennen das Up-Down-Fade. Das heißt, man kann das Licht stufenlos, so wie die Musik im Auto von rechts nach links, von oben nach unten frei faden. Das ergibt einen Effekt, wenn Sie das live erleben, ist das einfach faszinierend.
formfaktor: Wie geht die Entwicklung des Lichts, der LED, der Leuchten weiter? Was bringt die Zukunft?
Axel Meise: Bei Occhio hat man eigentlich die Zukunft des Lichts schon in Händen. Ich denke, wir haben einen Vorsprung von ein paar Jahren, in der Weise, wie wir mit Licht umgehen, wie die Kunden mit Licht interagieren können. Das gibt es so nicht noch mal. Mit Gestensteuerung, mit der Occhio air, der Steuerung über Bluetooth. Das hat nichts mit Smart Home zu tun, sondern hier kann ich unabhängig vom Gebäude alle Leuchten über Bluetooth steuern – und zwar jede einzelne. Die ganzen Features, die wir haben, die mit Gesten zu steuern sind, können genauso über die App gesteuert werden. Wir sind hier also wirklich weit gegangen, weil wir ein relativ kleines Produkt-Portfolio haben und deshalb sehr in die Tiefe gehen können: klein, aber sehr sehr umfassend gedacht. Wenn man sich mit Occhio ausstattet, hat man schon die Zukunft des Lichts, denn was will man mehr, als Licht über eine App, über Gesten steuern, Szenen kreieren und damit den Raum individuell gestalten. Natürlich werden wir daran arbeiten, dass man irgendwann das Ganze auch über die Stimme steuern kann. Das ist eine weitere Steuerungsoption, aber von der LED selber, erwarte ich mir nicht mehr die ganz großen Schritte. Mit der Mito-Serie haben wir Color-Control, die Farbveränderung eingeführt. Das gibt es auch schon. Das heißt, jetzt geht es mehr um eine Art Fein-Tuning. Jede LED-Generation hat vielleicht etwas mehr Leistung, vielleicht tut sich noch ein bisschen etwas bei den Farben, aber im Großen und Ganzen haben wir ein Plateau an Qualität erreicht, die jetzt nur mehr in Nuancen verbessert wird. Es ist auch keine neue Technologie in Sicht, die die LED ersetzen könnte.
formfaktor: Und OLED?
Axel Meise: Das hat sich noch nicht als sinnvoll erwiesen, weil OLEDs weder besser in der Effizienz, noch in der Lebensdauer sind, und sie lässt sich auch nicht leichter einsetzen, denn OLED macht flächiges Licht, wir aber arbeiten mit gerichtetem Licht. Das sind ganz andere Einsatzbereiche. OLED wird sich in manchen Bereichen etablieren, aber die LED ersetzen – das sehe ich im Moment nicht.
formfaktor: Was ist gutes Licht?
Axel Meise: (lacht) Das ist relativ einfach. Erst mal brauchen Sie eine super Lichtquelle. Deshalb reden wir so viel über LED, denn wenn Sie keine gute LED haben, haben Sie kein gutes Licht. Die spektrale Farbwiedergabe der LED ist das A und O. Das wird in CRI, also Color Rendering Index gemessen. Wir arbeiten mit 95 oder 97 – Sonnenlicht ist 100. Das heißt, wir sind da schon sehr nahe dran. Andere sind hier noch mit 80 unterwegs – das ist, meiner Meinung nach, nicht mehr zumutbar. Zweitens ist gutes Licht in jedem Fall blendfrei. Blendung muss man ausschließen, deshalb arbeiten wir grundsätzlich mit Linsenoptiken. Auch wenn man sie nicht sieht, es sind überall Linsen verbaut, weil Linsen blenden nicht, außer man schaut direkt hinein. Und ich muss darauf achten, dass der Lichtkegel so breit ist, wie ich ihn brauche, sonst hat man wieder eine Blendung. Das heißt, das Licht auf die jeweilige Situation einstellen zu können, ist auch wichtig. So viel zur Leuchte. Dann gibt es natürlich das Thema Licht an sich. Was tagsüber gutes Licht ist, kann nachts völlig falsch sein. Gutes Licht ist situations- und stimmungsabhängig. Deshalb ist für mich gutes Licht, wenn ich es verändern und meiner Stimmung anpassen kann. Schließlich geht es darum, wie arbeite ich mit dem Licht im Raum. Wie setze ich es tatsächlich ein? Wie viele Leuchten brauche ich? Wo setze ich die Highlights, wo arbeite ich akzentuiert, wo eher flächig? Ich liebe es, akzentuiert zu arbeiten. Das heißt, die Aufmerksamkeit zu lenken, Zonen zu schaffen. Zu gutem Licht gehören auch Schatten und Dunkelheit. Das Auge braucht die Abwechslung, es wird geführt und geleitet und der Raum wird dadurch erlebbar. Nicht umsonst bezeichnet man Licht als die 4. Dimension der Architektur. Wenn man all das verstanden hat und sehr sorgfältig damit umgeht, – oft ist weniger mehr – dann sollte man gutes Licht haben.
formfaktor: Wie sieht ihre Vision für die nächsten 20 Jahre aus?
Axel Meise: Ich sage es einmal so: Ich mochte das Wort Jubiläum nicht und ich mag es auch nicht, nur zurückzuschauen. Für mich ist das immer nur die Basis, auf die man aufbaut und die dann in die Zukunft führt. Deshalb lautet das Motto: „The First 20 Years“. Die Zukunft für Occhio ist relativ klar – wir haben mit der Mito linear das Tor zum Objektgeschäft und in die Office-Welt aufgestoßen. Unsere Produkte sind nicht sehr spezifisch, sondern sie sind übergreifend nutzbar. Die Mito linear funktioniert auch zuhause, aber für den Officebereich ist sie prädestiniert. Wir machen jetzt mehr und mehr größere Projekte. Das ist für Occhio eine Zukunftsperspektive. Es ist für uns zwar nicht ganz neu, aber doch von der Dimension her. Wir haben gerade das erste Design-Office-Gebäude (8-geschossig) komplett mit Occhio ausgestattet. Übrigens geht das sowohl im Quality- als auch im Budget-Bereich. Das ist eine Richtung, mit der wir noch ganzheitlicher in der Anwendung werden, was genau der Idee von Occhio entspricht, dass unser System eben überall einsetzbar ist. Die Internationalisierung ist für uns ein weiteres großes Thema. Nachdem wir Marktführer im DACH-Raum sind und uns in Europa ausbreiten, geht es jetzt weiter. Gerade haben wir einen Store in Mumbai eröffnet. Wir haben inzwischen zwei Stores in China und es werden mehr und mehr. Das ist eine spannende Sache, die Welt nach und nach mit dieser neuen Kultur des Lichts vertraut zu machen und – ja – zu beglücken. Ich bekomme so viele Rückmeldungen von Menschen, die mit Occhio leben und deren Lebensqualität sich dadurch verbessert hat. Das ist genau das, was wir wollen. Und die Vision für die Zukunft ist, unsere Idee immer breiter auszurollen – in den Anwendungsmöglichkeiten und in der weltweiten Verfügbarkeit.