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Licht, Objekt, Raum – Designs von Bernhard Osann

von Markus Schraml
Bernhard Osann

Seine Art und Weise Designaufgaben auf den Punkt zu bringen, führt über spielerisches Experimentieren und schrittweises Reduzieren. Bernhard Osann liebt die Linie und einfache geometrische Körper. Seit der Gründung seines Designstudios 2016 in Hamburg hat er sich vor allem als Gestalter von hervorragenden Leuchten einen Namen gemacht. Vom deutschen Rat für Formgebung wurde Osann bereits viermal mit „Design Plus“ ausgezeichnet, dreimal mit dem Prädikat „Best of“. Im Jahr 2017 erhielt er den ersten Preis beim „Pure Talents Contest“ der imm Cologne . In der jüngsten Ausgabe des German Design Award Newcomer-Wettbewerbs gehörte er zu den fünf Finalisten.

Interessant ist der Karriereweg Osanns, der in nicht direkt zum Design führte. Denn bevor er in Hamburg Industriedesign studierte, besuchte er die Schule für Holz und Gestaltung in Garmisch-Partenkirchen, wo er zum Tischler ausgebildet wurde. Nach einigen Jahren in diesem Beruf absolvierte er 2005 eine Ausbildung im Fachbereich Bildhauerei an der Wilhelm Wagenfeld Schule in Bremen. 2008 schließlich ging Osann an die Hochschule für bildende Künste in Hamburg, wo er 2016 mit Diplom abschloss.

Bernhard Osanns Hang zur Reduktion führt oft zu unkonventionellen, überraschenden Lösungen. Dabei hat in seinen gestalterischen Überlegungen nicht das Objekt an sich Vorrang, sondern die Beziehung zwischen Objekt und Raum. Seine bisher radikalste Kreation heißt „Neo“, eine Leuchte, die er für den italienischen Hersteller Nemo Lighting entworfen hat und die bei den Wallpaper* Design Awards 2020 als Gewinner ausgezeichnet wurde. Es ist eine Stehleuchte, die nicht steht, sondern an der Wand lehnt. Sie hat die simple Form einer zweifach gebogenen Linie und nutzt die Wand als Diffusor. Je nach Ausrichtung bietet „Neo“, aus einer feinen Linie LEDs, indirektes Licht (zur Wand hingerichtet) oder direkte Beleuchtung. Damit die Leuchte nicht wegrutscht, bestehen die Kontaktpunkte zu Boden und Wand aus Silikon.

Im formfaktor-Exklusivinterview spricht Bernhard Osann über seinen Designansatz, wie ihm seine Tischler-Ausbildung im Design hilft und das Vorbild Natur.

formfaktor: In Ihrer beruflichen Karriere als Designer haben sie auffällig viele Leuchten gestaltet. Was ist für Sie das Spannende an dieser Produktkategorie?

Bernhard Osann: Licht an sich ist ein faszinierendes „Material“, fast schon magisch. Es bestimmt, wie wir Räume wahrnehmen, und beeinflusst unsere Psyche. Es reizt mich, Konstruktionen zu entwerfen, die Licht lenken, dosieren, im Raum anordnen und verteilen. Eine Leuchte bewegt sich dabei irgendwo zwischen Skulptur und Werkzeug.

formfaktor:r Nemo Lighting haben Sie unter anderem die Leuchte Neogestaltet. Ein Objekt, das lässig an der Wand lehnt. Welche Idee steckt dahinter?

Bernhard Osann: Die Leuchte interagiert direkt mit dem Raum. Sie kann ohne ihn nicht stehen und nutzt ihn als Diffusor. Das Licht der LEDs wird von der Wand reflektiert und so in ein angenehmes indirektes Licht transformiert.

formfaktor: Ihre Leuchtendesigns erinnern oft an eine skizzierte Linie. (bzw. Linie mit Kreis, Zylinder oder Kugel) Wie wichtig ist das Thema Reduktion in ihrem Designprozess?

Bernhard Osann: Eine skizzierte Linie kann sehr schön sein, sie lässt viel Raum für Interpretation. Gleichzeitig teilt eine Linie und schafft Räume. Damit arbeite ich. Die Gestaltung zielt weniger auf das Objekt an sich ab als auf den Raum, auf den es Einfluss nimmt. Gleichzeitig bestimmt das Licht, wie der Raum wahrgenommen wird, schafft seinerseits Räume. Gerade durch die Reduktion auf Linien und geometrische Körper entfalten die Leuchten eine starke Wirkung im Raum und sind absolut zeitlos.

 

formfaktor: Für Ihre Leuchten Bird“ oder Neo“ haben Sie innovative konstruktionstechnische oder formale Lösungen gefunden. Welcher Weg führt zu solchen Innovationen?

Bernhard Osann: Ich vereinfache Objekte so weit wie möglich, um ihnen Klarheit zu verleihen. Dabei durchlaufen sie einen Prozess, bei dem ich viel experimentiere, hinterfrage, spielerisch Elemente weglasse oder Material reduziere. Verzichte ich beispielsweise auf die Tischbefestigung einer Leuchte, muss ich reagieren, um die Funktion zu gewährleisten. Das bedeutete bei Bird konkret, dass ich einen anderen, neuen Weg finden musste, die Leuchte zum Stehen zu bringen, was ich mit Hilfe der Balance gelöst habe. Das Ergebnis ist eine sehr niederkomplexe Konstruktion. Bei Untitled hingegen lag die Herausforderung darin, ihre Komplexität im Inneren zu verbergen. Die aufwendigen Gelenke kommen ohne sichtbare Kabel und Federn aus, verleihen der Leuchte aber maximale Beweglichkeit.

formfaktor: Wie kam die Zusammenarbeit mit Nemo Lighting ursprünglich zustande?

Bernhard Osann: Vor zehn Jahren, als ich noch Student war, habe ich die Untitled im Rahmen eines Wettbewerbs auf der Light + Building ausgestellt. Dort traf ich Federico Palazzari, damals CEO von Omikron, einer kleinen Leuchtenfirma aus Mailand, heute ist er CEO von Nemo Lighting. Die ersten Versuche, die Leuchte mit Omikron zu produzieren, scheiterten an ihrer Komplexität. Acht Jahre später war dann der richtige Zeitpunkt gekommen, die Leuchte nun mit Nemo zu überarbeiten und nach zwei Jahren intensiver Entwicklungsarbeit zu produzieren.

formfaktor: Welche Aufgabe hat Design ihrer Meinung nach?

Bernhard Osann: Grundsätzlich sollte Design das Leben einfacher machen, indem es unter Berücksichtigung der technischen Möglichkeiten neue, bessere Lösungen generiert oder Bestehendes verbessert. Dabei sollte das Prinzip der Natur als Vorbild dienen, bei minimalem Einsatz von Energie und Material eine Funktion bestmöglich zu erfüllen.

formfaktor: Sie kamen erst relativ spät zum Design. Absolvierten zuerst eine Ausbildung zum Tischler, danach besuchten Sie die Wilhelm-Wagenfeld-Schule in Bremen, Fachrichtung Bildhauerei, bevor Sie nach Hamburg gingen. Inwieweit hilft Ihnen Ihr Bildungsweg bei Ihrer jetzigen Arbeit?

Bernhard Osann: Durch die Ausbildung und Tätigkeit als Tischler habe ich gelernt, sehr rational an die Sache heranzugehen, ich weiß, was technisch möglich ist, und denke in Abläufen. Die Beschäftigung mit Bildhauerei hingegen ermöglicht mir, mich davon zu lösen, nach dem Neuen, Unbekannten zu suchen, zu abstrahieren. Zwischen diesen Polen bewegen sich meine Arbeiten.

formfaktor: Leuchten, die Sie designt haben, wurden immer wieder mit Designpreisen ausgezeichnet. Welche Bedeutung haben solche Preise für Sie?

Bernhard Osann: Eine Auszeichnung mit einem Designpreis ist natürlich eine Bestätigung. Gerade am Anfang der Karriere kann es sehr hilfreich sein, sichtbar zu werden und Hersteller auf sich aufmerksam zu machen.

formfaktor: Wie sehen Sie Ihre Rolle als Designer? In einer Zeit, in der man vor allem Designern*innen die Fähigkeit zuschreibt, für die vielfältigen Probleme der Welt Lösungen entwickeln zu können?

Bernhard Osann: Ich würde diese Fähigkeit weniger der Berufsgruppe der Designer zuschreiben als der Arbeitsweise des Design Thinking, die inzwischen von vielen anderen Bereichen adaptiert wurde.


 

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