Im Rahmen eines sogenannten „Connected Mobility Day“ informierten die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) über die Digitalisierungsinitiativen der kommenden Jahre. Der Konzern setzt voll und ganz auf den intelligenten digitalen Zug und damit auf nichts weniger als die Transformation des gesamten Mobilitätssystems. Der Plan sieht vor, rund zwei Milliarden Euro zu investieren. Diese Summe soll für den digitalen Bahnbetrieb, für digitale Prozesse und Produkte sowie auch für neue digitale Geschäftsmodelle eingesetzt werden. Mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen soll bis 2040 die Leistungsfähigkeit der ÖBB verdoppelt und noch mehr Personen und Güter auf die Schiene gebracht werden.
ÖBB CEO Andreas Matthä sprach im Rahmen der Veranstaltung von der dritten Bahnrevolution. Nach der Dampflokomotive und der Elektrifizierung der Bahn sei nun der digitale Zug an der Reihe. Dies entspräche einer kompletten Veränderung des Mobilitätssystems. „In den nächsten fünf Jahren werden zwei Milliarden investiert. Das betrifft den gesamten Bahnbetrieb, alle inneren Prozesse bis hin zu digitalen Produkten und digitalen Geschäftsmodellen. Das Ziel dahinter ist, die Leistungsfähigkeit der ÖBB bis 2040 um 100 % zu erhöhen“, sagte Matthä.
Seit vielen Jahrzehnten steht die Bahn in direkter Konkurrenz zum individuellen Autoverkehr und hat dabei kontinuierlich an Terrain verloren. Einer der kritischsten Punkte dabei ist der Weg zu und vom Bahnhof. Diesen Wettbewerbsnachteil wollen die ÖBB mit multimodalen Lösungen ausgleichen. „Für uns ist es total wichtig, dass wir Menschen nicht nur mit Zug oder Bus von A nach B bringen, sondern dass wir sie von der Haustür bis zu ihrem Zielort begleiten. Also eine durchgängige Mobilitätslösung im Personenverkehr inklusive der letzten Meile anbieten“, betont CEO Matthä. Und Buchautorin Katja Diehl (Autokorrektur) ergänzte während des Talks im Rahmen des „Connected Mobility Day“: „Viele Menschen fahren heute mit dem Auto, weil sie über keinen Anschluss an den öffentlichen Verkehr verfügen. Digitalisierung kann hier den Lückenschluss bedeuten, womit vielmehr Menschen angebunden werden können. Ich denke dabei an bestimmte On-Demand-Systeme, die man in Zukunft aufbauen kann und die die Menschen der Schiene zuführen.“
Mehr Züge in kürzeren Abständen
Basis für alle Digitalisierungsinitiativen ist die Herstellung der notwendigen Infrastruktur. Deshalb arbeiten die ÖBB unter anderem an digitalen Stellwerken. Johann Pluy (Vorstand ÖBB Infrastuktur) sprach von 660 Stellwerken, die in drei Netzwerke überführt werden sollen. Das würde auch zu großen Kosteneinsparungen führen. Ein wichtiges Digitalisierungsprojekt im Bereich Infrastruktur sei der digitale Zwilling des Gleisnetzes und aller Anlagen, die dazu gehören, womit nicht nur Reparaturen besser zu managen sind, sondern Züge auch in Echtzeit gesteuert werden können. Ein generelles Ziel ist laut Pluy, dass durch mehr Digitalisierung Züge in kürzeren Abständen fahren können und somit die Kapazität steigt.
Die digitale automatische Kupplung
Eine zentrale technologische Innovation ist die digitale automatische Kupplung. CEO Matthä sprach sogar von einer Weltrevolution: „Weil wir uns von dem alten Zughaken, den es im Prinzip seit der Kaiserzeit gibt, endlich lösen und damit der Güterzug intelligent wird. Das wird die Verlagerung der Güter von der Straße auf die Schiene fördern.“ Mark Topal (Leiter Systemtechnik und Konzernproduktion) führte dazu näher aus, dass damit eine signifikante Reduktion des Zeitaufwands bei Verschubtätigkeiten erreicht werden könne. „Die DAK bildet einen zentralen Schlüssel für die Möglichkeit der Verkehrsverlagerung im Sinne des Klimaschutzes“. Diese Umstellung müsse jedoch europaweit im Gleichschritt erfolgen.
Marcus Frantz (CIO der ÖBB) erläuterte in seinem Vortrag die fünf Schwerpunkte in der Digitalisierungsstrategie der ÖBB. Neben der lückenlosen Anbindung im Personenverkehr zählt auch eine Verbesserung des Cargo-Bereichs dazu, der über einheitliche digitale Plattformen laufen soll. (Beispiel MIKE). Der Güterverkehr in Europa ist mit rund 20 % im Vergleich zum Lkw-Verkehr immer noch extrem ausbaufähig (im angeblichen Trucker-Paradies USA sind es 50 %). Deshalb lautet eine Forderung der ÖBB: Mit dem Güterzug durch Europa zu fahren, muss genauso einfach sein, wie mit dem Lkw durch Europa zu fahren.
Digitalisierung und Cybersicherheit
Enorm wichtig sei auch der breitflächige Einsatz intelligenter Anwendungen und Sensoren, um Daten zu generieren. So werden zum Beispiel Güterwaggone mit Sensoren ausgestattet, die Stöße messen und Rad-Zustände erheben können. Die Summe dieser Daten würde schließlich eine predictive based maintenance ermöglichen, also die vorausschauende Wartung. Es geht darum, dass etwa Waggone nicht nur ihren eigenen Zustand erheben, sondern ihn auch beurteilen und sogar einen eigenen Werkstatttermin vereinbaren. Marcus Frantz betonte auch die Wichtigkeit des Bereichs Sicherheit: „Je mehr wir digitalisieren, desto angreifbarer sind wir. Deshalb müssen wir Cybersicherheit sehr ernst nehmen.“
Alle Digitalisierungsmaßnahmen der ÖBB sind in jedem Fall sehr viel effizienter, wenn sie miteinander kommunizieren und verbunden sind. Konnektivität lautet das Zauberwort. Ebenso wichtig ist das Informations- und Datenmanagement sowie der sinnvolle, sprich maßvolle Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Ein inhouse programmierter Chatbot wird bereits erfolgreich im Kundenservice eingesetzt. Oft gestellte Kundenanfragen werden so effizienter beantwortet und die Mitarbeiter im Call Center entlastet.