Home Design Pere Llonch (Vibia) über Räume voller Emotionen

Pere Llonch (Vibia) über Räume voller Emotionen

von Markus Schraml

Durch den richtigen Einsatz von Licht erwachen Räume zum Leben und strahlen ein besonderes Flair aus. Um derartige, auch personalisierbare Stimmungen zu schaffen, sind performance-starke Produkte notwendig, die durch ihre Objektqualität, oft auch Akzente setzen können. Ein wichtiger Player in diesem Bereich des dekorativen Lichts ist Vibia. Das Unternehmen wurde 1987 gegründet und ist heute in über 80 Ländern der Welt vertreten. Für CEO Pere Llonch hat Licht und damit auch die Beleuchtung vorrangig einen emotionalen Aspekt. Technologie ist für ihn nur Mittel zum Zweck und dieser Zweck besteht in der Schaffung von Atmosphären.

Das Portfolio von Vibia kann als ausufernd bezeichnet werden. Die riesigen Lagerhallen am Hauptsitz in Barcelona mit unzähligen Kartons voller Teile von insgesamt 560 Zulieferern legen ein beeindruckendes Zeugnis davon ab. Aus der Vielfalt der Leuchten stechen Erfolgsprodukte wie „Wireflow“ von Arik Levy heraus, die vor 10 Jahren auf den Markt kam und mit seiner grafischen Erscheinung das Möglichkeitsspektrum der Branche enorm vergrößerte. Eine weitere bahnbrechende Neuheit entstammt der Zusammenarbeit mit Stefan Diez: Das zentrale Element von „Plusminus“ (2021) ist ein Textilband, das sowohl den Strom leitet als auch bisher ungekannte Gestaltungsoptionen im Raum eröffnet. So unterschiedlich diese beiden Leuchttürme im Programm von Vibia auch sein mögen, ihnen gemein ist ein Designansatz, bei dem zuerst immer die kreative Idee steht und danach überlegt wird, mit welchen Materialien, Technologien und Mechaniken diese Idee umgesetzt werden kann.

Diese mutige, bedingungslose Herangehensweise an die Produktentwicklung erklärt auch die Vielfältigkeit des Portfolios. Dennoch ist die Zugehörigkeit zur Vibia-Familie immer erkennbar, was wiederum dem ästhetischen Anspruch des Unternehmens geschuldet ist, wie Pere Llonch im FORMFAKTOR-Interview betont. Ihm geht es um Raumatmosphären, die eine Bühne für unterschiedlichste emotionale Erlebnisse bieten.


FORMFAKTOR: Wie würden Sie die Philosophie von Vibia beschreiben?

Pere Llonch: Wir verfolgen das klare Ziel, Räume mit der Magie des Lichts zu füllen. Unsere Aufgabe ist es, den Menschen eine geeignete Formel an die Hand zu geben, mit der sie Licht auf die richtige Art und Weise einsetzen können. An unsere Designs gehen wir mit einem holistischen Ansatz heran und wollen zeitlose Produkte herstellen; Trends oder Moden haben für uns keine Bedeutung. Wir sprechen auch von essenziellem Design, wo am Ende des Designprozesses nichts mehr weggenommen werden kann. Dinge so einfach wie möglich zu gestalten, ist sehr komplex. Im Grunde geht es darum, eine spezifische Identität zu entwickeln, eine genaue Produktvision zu verfolgen und ein gutes Portfolio anzubieten. Diese Prinzipien versuchen wir einzuhalten. Das bedeutet auch, dass wir nicht bloß eine weitere Leuchte auf den Markt bringen, sondern immer versuchen etwas beizutragen, um die Qualität von Räumen zu verbessern.

FORMFAKTOR: Vibia verkauft seine Produkte sowohl an Endnutzer als auch im Contract-Bereich. Wo liegen ihre Prioritäten?

Pere Llonch: Wenn wir ein Produkt designen, denken wir sicherlich an den Endnutzer der Räume, in denen es dann eingesetzt wird, aber unser Fokus liegt schon auf den Profis, die diese Räume gestalten: also Designer und Architekten. Ihnen wollen wir umfassende Lösungen zur Hand geben. In dieser Hinsicht sind wir sehr konsistent.

FORMFAKTOR: Bleiben wir bei den Lösungen: Was bedeutete die Einführung von LED für die Lichtbranche und für Vibia?

Pere Llonch: Das war ein Gamechanger. Wenn wir uns unsere Geschichte ansehen, dann kann man sie in eine Periode vor und eine nach LED einteilen. Beim Design von Leuchten dreht sich alles um die Lichtquelle. Als um die Jahre 2011, 2012 LEDs von ihrer Qualität her so weit waren, in der Standardproduktion eingesetzt zu werden, war das für uns ein entscheidender Moment. Technologie hat immer das Potenzial, Mehrwerte zu schaffen, wenn man sie richtig einsetzt. Mit LED hatten wir die Möglichkeit, unsere Produkte zu verbessern und damit auch Räume besser zu gestalten.

FORMFAKTOR: Welche neuen Möglichkeiten ergaben sich dadurch?

Pere Llonch: Unser Ansatz ist, das Technologie immer verborgen bleibt und zur Magie eines Produkts beitragen sollte. Durch LED wurde die Lichtquelle sehr klein und es war Zeit, Dinge neu zu denken. Zum Beispiel Typologien oder Nutzerbedürfnisse. Und daraus ergaben sich dann als Konsequenz neue Designs. Vibia war zu der Zeit eine eher kleine Firma und wir haben erkannt, dass dies der Moment war, um den Raumgestaltern und Architekten neue Lösungen, neue Möglichkeiten, ja im Grunde eine ganz neue Welt zu präsentieren. In der Folge sind wir mit unserem Portfolio zu einem Lösungsanbieter für Profis geworden.

FORMFAKTOR: Welchen Stellenwert hat Forschung & Entwicklung bei Vibia?

Pere Llonch: Natürlich entwickeln wir keine Technologien, bei uns geht es um das Integrieren von Elementen – auch von neuen Technologien. Wir versuchen, sehr offen zu sein, im Hinblick darauf, was wir in unsere Designs einbinden. Manchmal kann Innovation von der Performance der LED kommen, manchmal kommt sie von einem industriellen Prozess, den wir für ein Material einsetzen, manchmal ist es eine digitale Lösung. Oder sie besteht in den Möglichkeiten der Personalisierung des Produkts. Zum Beispiel haben wir sehr viele modulare Lösungen in unserem Programm. Das heißt, Forschung wird in all diesen Bereichen betrieben. Wir verfolgen einen 360 Grad-Ansatz der Innovation. Aber am Ende steht immer etwas Emotionales. Emotionen zu kreieren, ist der finale Zweck.

FORMFAKTOR: Ihr aktuelles Leitmotiv lautet „Shaping Atmospheres“. Wie ist das genau zu verstehen?

Pere Llonch: Wir sehen uns heute weniger als Produktdesigner, sondern unsere neue Vision lautet, Atmosphären zu formen. Damit beziehen wir uns auf das Verhältnis von Produkt und Raum. Das ist unsere Priorität. Für mich ist das auch eine neue Ebene des Designs. Als Marke wollen wir Möglichkeiten schaffen, Atmosphären zu gestalten, weil durch Atmosphären Emotionen erzeugt werden können. Wenn man über Menschen zentriertes Design spricht, dann bedeutet das für uns, dass es um Menschlichkeit geht, um Empathie. Wir wollen die unterschiedlichen Bedürfnisse unterstützen: Komfort, Entspannung, Konzentration, Freundschaft, Liebe usw.

Der Showroom von Vibia in Barcelona gleicht einer Wunderwelt des Lichts. Die unterschiedlichsten Kompositionen eröffnen einen Spalt in das Möglichkeitsfeld der Lichtgestaltung. © Vibia

FORMFAKTOR: Wie denken sie über Künstliche Intelligenz?

Pere Llonch: Jeder spricht darüber, aber wir wissen noch nicht genau, was es für uns bedeutet: selbstlernende Technologie, schneller als der Mensch. Im Hinblick darauf, wie KI in verschiedenen Prozessen eingesetzt werden kann, sind wir positiv. Ich glaube, es kann eine Hilfestellung für den kreativen Prozess, die Produktion, für unsere Services sein. Ein weiterer Bereich ist das Raummanagement: Connectivity, smarte Steuerungen etc., hier könnte KI einen Beitrag dazu leisten, die Bedienung für den Nutzer zu vereinfachen. Das heißt, wir werden KI sicher integrieren, aber gleichzeitig werden wir unser Ziel, emotionale Erlebnisse für die Menschen zu schaffen, konsequent weiterverfolgen. Ob dafür natürliche oder künstliche Mittel verwendet werden, ist egal. Aber ich denke schon, dass es auf die Intelligenz des Menschen ankommt, künstliche Intelligenz richtig einzusetzen.

Das Interieur der Rezeption und des Showrooms im neuen Hauptsitz von Vibia hat Francesc Rifé Studio gestaltet. © Vibia

FORMFAKTOR: Im Jahr 2019 haben sie einen neuen Firmensitz bezogen und gleichzeitig neue Modi eingeführt, in denen Mitarbeiteraustausch zwischen den Abteilungen stattfindet, sodass jeder Mitarbeiter das Unternehmen besser versteht …

Pere Llonch: … Ich denke, dass Wissensmanagement sehr wichtig ist. Dabei geht es nicht nur um den Erwerb von Wissen an sich, sondern wie man es verwendet und wie man es teilt – also um Kooperation. Viele Dinge sind heute durch das Internet und durch Social Media leichter zugänglich, auch KI wird dabei eine Rolle spielen. Ich glaube, diese Technologie wird uns dazu zwingen, unsere gesamte Industrie neu zu denken. Sie als ein umfassendes Ökosystem zu sehen. Aber bei allen Veränderungen muss die Wertschätzung für die Einzigartigkeit des Menschen immer erhalten bleiben.

Danke für das Gespräch!

Das Interview wurde am Hauptsitz von Vibia in Barcelona geführt.


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