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Review II: Good News from Stockholm

von Markus Schraml
Stockholm Design Week

Das wichtigste Möbeldesignevent des europäischen Nordens, die Stockholm Design Week, führte den Besuchern auch dieses Jahr eine geballte Ladung skandinavisches Design vors staunende Auge. Es war eine beeindruckende Beweisführung der weltweiten Einflussmacht dieses Möbeldesign-Stils. In besonders konzentrierte Form konnte dies auf der Stockholm Furniture & Light Fair beobachtet werden. Es waren hauptsächlich Hersteller aus dem nordischen Raum, die hier ihre neuen Kreationen erstmals vorstellten. Nicht wenige davon bereiteten auch ihre Showrooms in der Stadt dem Anlass entsprechend vor und luden Händler, Designer, Architekten, Design interessiertes Publikum und die Presse zu Cocktails, Talks und Präsentationen ein. So eröffnete etwa Hem sein neues Headquarter, renovierte Büroräumlichkeiten im Zentrum Stockholms. Für das Interieur hat das hausinterne Designstudio mit dem multidisziplinären Stockholmer Designbüro Atelier Paul Vaugoqeau zusammengearbeitet. Besondere Merkmale sind die traditionelle offene Rasterdecke und der Einsatz einfacher Materialien wie zum Beispiel lackiertes MDF für die Aufbewahrungsmöbel. Was sofort ins Auge springt, ist die Puffy Brick-Theke am Eingang des Büros. Die markant-gelbe Installation von Soft Baroque wird mit Jesmonite und einer innovativen Formtechnik hergestellt.

Das Wort Nachhaltigkeit wird im Gestaltungsbereich und der Möbelproduktion inflationär verwendet. Wo sie jedoch wirklich gelebt wird, ist in skandinavischen Ländern. So setzt das neue Projekt „Casework“ der ERIK JØRGENSEN X SNØHETTA-Kollektion ganz auf den Einsatz nachhaltiger Materialien. Ein weiterer Schwerpunkt in der Entwicklung war die möglichst hohe Anpassungsfähigkeit dieses Polstermöbels an unterschiedliche Umgebungen und Einsatzzwecke. Allein das minimalistische Design sorgt dafür, dass sich das Sofa mühelos einfügt. Diese dänisch-norwegische Kooperation ist bereits die zweite nach einem Projekt im Jahr 2017. Durch die Vorfertigung der Rahmenstruktur des Sofas kann die Produktion beschleunigt werden. Die je nach Ausführung und Kundenwunsch spezifischen Paneele für Seiten und Rücken sind dann schnell montiert. Für besondere Aufmerksamkeit sorgte auch ein neues Sofa von Svenskt Tenn. Das schwedische Designduo TAF hat „Famna 2020“ so konstruiert, dass möglichst wenig Material dafür verbraucht wird. Mattias Ståhlbom von TAF sagt: „Wir haben intensiv daran gearbeitet, zeitgenössisches Design mit dem klassischen Eklektizismus eines Josef Frank oder Estrid Ericson zu kombinieren. Das war die Grundlage für die Form des Sofas.“ Und Partnerin Gabriella Gustafson erklärt: „Das Gefühl eines Bettes mit seinen warmen und behaglichen Eigenschaften war ein immer wiederkehrender Gedanke, der in den Sitzpolstern und Kissen zu spüren ist. Der Name bedeutet im Englischen Umarmung und bezieht sich auf die großzügige Tiefe und die niedrige Sitzhöhe des Sofas, was wir als einladend erachten.“

Von dem in Åhus ansässigen Unternehmen Blå Station gibt es 2020 eine ganze Reihe von Neuheiten. Faszinierend ist der Gedanke von „Park+“ – nämlich das Outdoormöbel nach drinnen zu bringen. Das italienische Designtrio CMP hat es geschafft, skandinavische Entspanntheit mit einem hochflexiblen System zu verbinden. Auf Flexibilität setzt auch „Bobby“ von Borselius & Bernstrand, eine Kollektion, die nun mit einem kleineren Mitglied erweitert wird. Ebenfalls von Stefan Borselius und Thomas Bernstrand stammt „Combo“, eine Serie von drei Tischen und Sitzen, die auch in einem Stück zusammen auftreten können. Die Aluminium-Elemente haben eine sehr architektonische Ausstrahlung und eignen sich für drinnen und draußen. Ein ganz besonderes Möbel ist „Röhsska“ von Fredrik Paulsen, das der Designer ursprünglich für die Neueröffnung des Röhsska-Museums für Design und Handwerk in Gothenburg vor einem Jahr gestaltet hat. Der zu 100 % aus Holz bestehende Stuhl wurde nun um einen Barhocker erweitert. Auch die Åhus-Familie bekommt Zuwachs. Das neue Mitglied hört auf den Namen „Miss Åhus“ und begeistert durch seine ungewöhnliche Form von Sebastian Alberdi und Gustavo Maggio, die wie eine Gestalt gewordene Skizze wirkt.

Nachhaltigkeit war bei Gärsnäs, einem Unternehmen, das 1893 gegründet wurde, schon immer ein Thema. Von einer möglichst langen Lebenszeit der Möbel, sowohl im Hinblick auf Verarbeitung und Materialien als auch in Bezug auf die Ästhetik, schickt sich der Hersteller an, bis spätestens 2030 komplett klimaneutral zu sein. Außerdem werden Prozesse und Produkte angestrebt, die vollständig der Kreislaufwirtschaft entsprechen. „Wir haben immer schon mit Nachdruck am Thema Nachhaltigkeit gearbeitet. Das ist Teil unserer DNS. Nun haben wir die Latte noch höher gelegt und präsentieren unsere Umwelt-Vision. Vielleicht kann das auch unsere Branchen-Kollegen dazu motivieren, sich mutige und klare Ziele zu setzen“, hofft Dag Klockby, CEO von Gärsnäs. Im Rahmen der Stockholm Furniture & Light Fair 2020 wurden gleich fünf neue Produkte präsentiert, die diese Ziele ein wenig näher rücken lassen: Viva-Stuhl, Embla-Tisch, Allround-Stuhl und Barhocker-Versionen der Emily and Elin-Stühle.

Karl Andersson & Söner stellt im neuen Jahr unter anderem ein Design des österreichischen Gestalters Rainer Mutsch vor. „Alva“ beeindruckt mit schwungvollen, schmalen Holzbändern, die von den Regalböden in Form gehalten werden. Diese Struktur verleiht dem Regal hohe Stabilität und Steifigkeit. Das dänische Klassik Studio will alten Designs neues Leben einhauchen. Mission erfüllt – zum Beispiel mit dem Tub-Stuhl von Kurt Østervig, ein Original aus dem Jahr 1958. Die Vorbilder des ebenfalls dänischen Möbelherstellers mazō liegen im Bauhaus, im Norden und in Japan. Eine Sonderstellung nimmt das Unternehmen in der Herstellung und Veröffentlichung von Möbeln aus der Feder des dänischen Architekten Magnus Læssøe Stephensen (1903 – 1984) ein. Gleichzeitig werden auch Entwürfe von zeitgenössischen Designern umgesetzt. Diese Strategie eines Portfolios von traditionellen Produkten und neuen Designs verfolgt auch das finnische Unternehmen Artek. Nun wurden zwei neue Kreationen von Ronan & Erwan Bouroullec vorgestellt: der „Rope Chair“ und der „Tupla Wall Hook“. Der Stuhl Rope setzt tatsächlich Seile ein, die für die Seefahrt entwickelt wurden. Dadurch passt sich der Stuhl an die/den Sitzende(n) an und ist gleichzeitig ein tragender Teil der Konstruktion, die dazu auffordert Sitzpositionen auszuprobieren. Das Gestell besteht aus Stahlrohr, die Sitzfläche aus Buchensperrholz. Das Seil besteht je nach Farbe aus schwarzem Polyester oder Flachs. Wir empfehlen letztere Variante. Die Doppelschleife des Tupla-Wandhakens (der Name bedeutet auf Finnisch doppelt) ist funktional und kräftig. Er besteht aus pulverbeschichtetem Zinkdruckguss und vermittelt ästhetische Eleganz.

Als Dan und Paul Johanson den väterlichen Betrieb 1992 übernahmen, hatten sie ein genaues Ziel vor Augen – Möbel für öffentliche Innenräume herzustellen. Heute hat das Unternehmen 60 Mitarbeiter und Kunden in Europa, den USA, Asien und dem Nahen Osten. 2020 wird der Stuhl „PELICAN“ präsentiert, der laut Hersteller der erste Stuhl in Schweden mit dem EU Ecolabel ist. Designer Johan Lindstén sagt zu seinem Entwurf: „Der Stuhl PELICAN wirkt wie ein entfernter Cousin der beliebten Serie Haddoc, mit den entspannten, weichen Formen, die Lendenbereich und Rücken ergonomisch korrekt umfangen. Das Linienspiel des Stuhls mit seiner Bogenform erinnert an den namensgebenden Vogel, den Pelikan, mit seinem elegant gebogenen Hals.” Das Berliner Designerduo Böttcher & Kayser hat für Johanson eine weitere Serie gestaltet. Mit „STROLL“ bekommen Arbeitsumgebungen einen flexiblen, stapelbaren Begleiter, der sich für informelle Meetings, für Arbeiten in der Produktion, für Labors, Schulen, Unis oder Cafés eignet. Der Hocker punktet aber nicht nur mit seiner Dynamik, auch das witzige Aussehen wird zu hoher Akzeptanz beitragen.

Nordische Möbelhersteller sind vor allem auch im Officebereich stark vertreten. Offecct verbindet praktische Lösungen fürs Büro mit ästhetischem Anspruch. Jin Kuramotos neuer „Maki“-Sessel hat ohne Zweifel ikonisches Potenzial und ist vielseitig einsetzbar. „Das Konzept der Vielfalt ist in der japanischen Kultur sehr wichtig und war es auch für mich beim Entwurf des Maki-Sessels. Er hat eine starke, symbolische Form und ist gleichzeitig flexibel in den Anwendungen und Funktionen. Der Sessel kann zum Arbeiten, Ausruhen, Treffen oder Warten genutzt werden – als einzelne Ikone mit starker individueller Präsenz oder zusammen mit anderen in verschiedenen Formationen“, beschreibt Kuramoto sein Design. Der ebenfalls aus Japan stammende Designer Teruhiro Yanagihara hat für Offecct die reduzierte Kollektion „Osaka“ entworfen, mit genau aufeinander abgestimmten Elementen, die sich gegenseitig reflektieren oder zitieren. „Meine Vorstellung von Osaka ist die einer Landschaft von Möbeln, die vom japanischen Steingarten inspiriert sind“, erklärt Yanagihara und meint: „Die Ähnlichkeiten zwischen japanischen und schwedischen Designtraditionen liegen darin, dass man eher etwas reduziert als hinzufügt, um den Kern eines Produkts zu finden. Der Prozess von Osaka führte uns dazu, mit den einfachsten Mitteln und Materialien zu arbeiten, um ein Produkt zu schaffen, das verwendet und wiederverwendet werden kann – immer und immer wieder auf der ganzen Welt.“ Der neuseeländische Designer David Trubridge hat mit „Waka“ ein fast drei Meter langes Objekt geschaffen, das ursprünglich im Offecct Lab entwickelt worden war und nun in die Standard-Kollektion aufgenommen wird. Dieses Möbel erinnert nicht zufällig an ein Boot, denn Trubridge hat einen Hintergrund als Marinearchitekt. „Das Möbel folgt den Linien einer Bootskonstruktion und macht den Eindruck als würde es fließen. Es ist etwas, auf dem man träumen und sich treiben lassen kann“, sagt Trubridge. Auch einen Designklassiker von Verner Panton bringt Offecct in diesem Jahr neu heraus: „Spiegel Panel“. Vor fünfzig Jahren hat Panton ein revolutionäres Interieurdesign für das deutsche Magazin Der Spiegel in Hamburg kreiert. Nun veröffentlicht Offecct in Zusammenarbeit mit der Familie Panton die Spiegel Paneele originalgetreu wieder. Schon 1969 beschäftigte sich der dänische Architekt und Designer mit dem Thema Akustik in Büroräumen und entwickelte deshalb die pyramiden-förmigen Akustik-Paneele.

Apropos Akustik: Ein wahrer Spezialist beim Thema guter Sound in Büros ist Glimakra of Sweden. 2020 stellt das Unternehmen mehrere Produkte vor, die akustische Eigenschaften direkt auf Büromöbel applizieren. So trägt der flexibel-modulare Meeting-Tisch „Woofer“ seinen Namen nicht zufällig, sondern liefert optimalen Sound durch seine hervorragende Klang absorbierende Charakteristik. „Gemini“ wiederum entwickelt das traditionelle Schreib-Board weiter. Das Ergebnis ist ein Möbel, das akustisch aktiv ist, eine Ablagefläche bietet und auch als Schreib-Board dienen kann. Das Produkt „ContourDeskup besteht zu 100 % aus recycelbaren Materialien. Die Deskups sind eine Ergänzung des erfolgreichen Designs Countour Floor / Glass von Brad Ascalon, das den German Design Award 2020 gewonnen hat. Die Elemente können in verschiedenen Größen ausgeführt werden und eignen sich perfekt für etwas Abwechslung im Büro kombiniert mit akustischer Wirkung, die die Konzentration fördert.

Stockholm Design Week
„Maki“ Easy Chair von Jin Kuramoto für Offecct. © OFFECCT AB
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Die ästhetische Qualität von „Maki“ offenbart sich in der Gruppenaufstellung. © OFFECCT AB
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Der japanische Designer Jin Kuramoto. © OFFECCT AB
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„Waka“ designt von David Trubridge ist wie ein Boot und verführt zu spielerischem Umgang. © OFFECCT AB
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„Osaka“ Tische und Ottomane von Teruhiro Yanagihara für Offecct. © OFFECCT AB
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Re-Edition: die Spiegel-Paneele von Verner Panton. © OFFECCT AB
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„Contour Deskup“ von Brad Ascalon sorgen für Privatheit im Großraumbüro. © Glimakra of Sweden
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„Gemini“ ist mehr als bloß ein Schreib-Board. Es verbessert die Akustik und kann auch als Ablage dienen. © Glimakra of Sweden
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Der „Woofer“ will seine Fähigkeit keinesfalls verstecken. „Ich absorbiere Lärm“, sagt das Design. © Glimakra of Sweden

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