Die Glasfaser hat die Welt der Datenübertragung nachhaltig verändert. Daten und Signale lassen sich darüber schnell und zuverlässig übertragen. Einziger Nachteil – ein Glasfaserkabel ist nicht besonders stabil und kann bei starker Biegung oder Zugbelastung schnell zerstört werden. Ein Empa-Team hat nun eine Faser mit flüssigem Glycerin-Kern entwickelt, die sehr viel robuster ist und Daten ebenso sicher übertragen kann.
„In Sachen optisch leitender Polymerfasern haben wir schon alles Mögliche ausprobiert“, sagt Dr. Rudolf Hufenus aus der Abteilung „Advanced Fibers“ der Empa (Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt). „Aber selbst mit den besten festen Faserkernen erreichen wir nie eine solche Elastizität wie mit unserer flüssig gefüllten Faser.“
Seit sieben Jahren steht in den Labors in St. Gallen eine Maschine, die kilometerlange, mit Flüssigkeit gefüllte Fasern herstellen kann. Mit diesem Know-how ist die Empa weltweit führend. „Zweikomponentenfasern mit festem Kern gibt es seit über 50 Jahren“, erläutert Hufenus. „Aber einen durchgehenden Flüssigkern zu fabrizieren, ist erheblich komplexer. Da muss schon alles genau zusammenpassen, damit das gelingt.“
Mit diesem flüssigen Kern kann nun Licht übertragen werden. Damit dies auch funktioniert, ist der Unterschied des Brechungsindex zwischen der Flüssigkeit und dem transparenten Mantelmaterial entscheidend. Der Brechungsindex der Flüssigkeit muss deutlich größer sein als der des Mantelmaterials. Nur dann wird das Licht an der Grenzfläche sauber gespiegelt und bleibt innerhalb des Flüssigkerns gefangen. Zudem muss alles temperaturstabil sein.
„Die beiden Komponenten der Faser müssen zusammen unter hohem Druck und bei 200 bis 300 Grad Celsius durch unsere Spinndüse laufen“, erklärt der Empa-Forscher. „Wir brauchen also eine Flüssigkeit mit passendem Brechungsindex für die Funktionalität und mit möglichst geringem Dampfdruck für die Herstellung der Faser.“ Das Team entschied sich für einen Flüssigkern aus Glycerin und eine Hülle aus einem Fluorpolymere.
Messbare Dehnung
Die erzeugte Faser hält bis zu zehn Prozent Dehnung aus und kehrt dann wieder in ihre Ursprungslänge zurück. Dazu ist keine andere optische Festkernfaser in der Lage. Außerdem kann die Faser auch messen, wie weit sie gedehnt wurde. Die Forscher*innen versetzten das Glycerin mit einem fluoreszierenden Farbstoff und untersuchten die optischen Eigenschaften der Faser während des Dehnungsvorgangs. Dabei fanden Hudenus und sein Team heraus, dass sich der Weg des Lichts beim Dehnen der Faser verlängert, während die Zahl der Farbstoffmoleküle in der Faser gleich bleibt. Das führt zu einer leichten Farbänderung des abgestrahlten Lichts, die elektronisch messbar ist. So kann die flüssig gefüllte Faser eine Längenänderung oder eine Zugbelastung anzeigen.
In Bezug auf das Marktpotenzial dieser Innovation sagt Hufenus: „Wir erwarten, dass sich unsere flüssig gefüllten Fasern nicht nur für Signalübertragung und Sensorik, sondern auch für Kraftübertragung in der Mikromotorik und Mikrohydraulik einsetzen lassen.“ Dabei kann die exakte Zusammensetzung von Faserhülle und Füllung spezifisch auf die Anforderungen der jeweiligen Anwendung angepasst werden.