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Signalübertragung durch Farbstoffe

von redaktion
Empa, Signalübertragung durch Farbstoffe

Forscher*innen der schweizerischen Empa (Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt) untersuchen sogenannte J-Aggregate, die für organische Solarpanels, Sensoren, ultraschnelle Datenübertragung oder in der Mikroskopie eingesetzt werden können. Den Wissenschaftler*innen um Jakob Heier ist es gelungen, diese chemischen Lichtverstärker zehnmal effizienter zu machen. „Was wir hier sehen, ist eine Energieübertragung, die wesentlich schneller abläuft als in jedem Halbleiter“, sagt Heier, der als Physiker an der Empa-Abteilung „Functional Polymers“ arbeitet.

Die Rede ist von Inseln aus Farbstoffmolekülen mit „perfekter innerer“ Struktur. In der Fachwelt werden solche Gebilde J-Aggregate genannt. Sie sind zwar schon seit mehr als 80 Jahren bekannt, stoßen aber seit Kurzem auf besonderes Interesse in der Forschung. Das liegt am speziellen elektronischen Innenleben dieser Farbstoffinseln.

Die von Heier und dem Empa-Doktoranden Surendra Anantharaman untersuchten J-Aggregate verhalten sich anders als einzelne Farbmoleküle. In diesen Molekülinseln liegen die Farbstoffmoleküle nämlich gut sortiert, eng aneinander. Dadurch kann die Energie auch an ein Nachbarmolekül weitergegeben werden. Im Vergleich zu Halbleitern aus Silizium gibt es dabei einen entscheidenden Unterschied: In einem Silizium-Halbleiter, etwa einer Solarzelle, wird die Anregungsenergie (um das Moleküle zum Leuchten zu bringen) über Ladungsträger, zum Beispiel Elektronen, transportiert, die sozusagen durchs Material „springen“. In J-Aggregaten dagegen schwingen die Elektronen nur innerhalb des Farbstoffmoleküls hin und her und verlassen es nie. Statt ganzer Elektronen werden also bloß Schwingungen übertragen. Dadurch können J-Aggregate Energie in kleinstem Maßstab „senden“ – und zwar extrem schnell und über viele hundert Moleküle hinweg.

Ähnlich wie Streichhölzer in einer Schachtel reihen sich Farbstoffmoleküle an den Phasengrenzen einer bikontinuierlichen Emulsion aneinander. Nur so gelingt die Signalübertragung. © Illustration: Empa

Wissenschaftliche Sensation

Doch bislang gingen rund 95 % der eingestrahlten Energie verloren und konnte nicht weitergeleitet werden. Schuld daran war, dass die Moleküle in der Realität doch nicht so perfekt aneinandergereiht sind. Das heißt, immer, wenn der Energieimpuls im J-Aggregat auf eine dieser „Defektstellen“ traf, wurde der Transportprozess unterbrochen. Dem Empa-Team gelang es nun, unterstützt von Forscher*innen der ETH Zürich, der EPF Lausanne, dem PSI und der IBM Research Zürich, ein Farbstoffsystem zu entwickeln, in welchem bis zu 60 % des eingestrahlten Lichts auch wieder als Licht abgestrahlt wird. Es werden also bis zu 60 % der Energie verlustfrei weitergeleitet. Im Vergleich zu den bisher möglichen fünf Prozent ist dies ein enormer Fortschritt. Erreicht wurde das mit perfekt gebauten Farbstoffinseln, die in einer feinen Emulsion aus Wasser und Hexylamin entstanden waren. Eine Emulsion ist ein Gemisch von Flüssigkeitströpfchen in einer anderen Flüssigkeit.

Es musste allerdings eine sogenannte bikontinuierliche Emulsion sein. Das heißt, die Tröpfchen, die in der äußeren Flüssigkeit schweben, dürfen nicht voneinander entfernt sein, sondern müssen sich zu schlierenförmigen Gebilden vereinigt haben. Erst dann bildet der untersuchte Farbstoff die gewünscht fehlerfreien J-Aggregate.

Energie-Vibration: Jakob Heier mit Proben seines „Antennen- Farbstoffs“. © Empa

Hohes Potenzial

Bis das, was nun in einer Emulsion gelingt, technisch nutzbar gemacht werden kann, bedarf es noch weiteren Forschungsaufwand. Doch dann könnte die Signalübertragung durch Farbstoffe in vielen Alltagsbereichen eingesetzt werden. So ist es etwa möglich, schwaches Infrarotlicht einzufangen und es mithilfe von Quantenpunkten in digitale Signale zu verwandeln – ein Vorteil für die Sensorik oder für Solarzellen, die auch bei sehr schwachem Licht Elektrizität liefern sollen. Oder für Anwendungen in Quantencomputern und in der optischen Datenübertragung. Schließlich könnten die signalleitenden Farbstoff-Aggregate bei der Diagnostik in lebendem Gewebe nützlich sein: Infrarotlicht dringt tief in menschliches Gewebe ein, ohne die Zellen zu schädigen. J-Aggregate könnten diese Strahlung sichtbar machen und digitalisieren. Dies könnte hochauflösende Mikroskopaufnahmen in lebendem Gewebe deutlich verbessern.


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