Das Wort TABA bezeichnet ein argentinisches Geschicklichkeitsspiel, bei dem ein Kuhknochen so geworfen werden muss, dass er auf der richtigen Seite landet. TABA ist aber auch der Name der neuen Kollektion des schweizerisch-argentinischen Designers Alfredo Häberli für Moroso. Auf den ersten Blick ist die Inspiration des Knochens für die Form nicht ersichtlich, aber die organischen, asymmetrischen Linien beziehen sich genau darauf. Häberli verwandelt die Grundidee in horizontale Flächen, drei unendliche Linien auf drei Ebenen erfüllen unterschiedliche Funktionen. Diese visuelle Interpretation ergonomischen Komforts, geht auf die Faszination Häberlis für den Zusammenhang von Präzision und Poesie zurück. Den spielerischen Charakter erhält TABA durch seine enorme Flexibilität. Die insgesamt acht Elemente können auf verschiedenste Art kombiniert werden und ergänzen sich aufgrund der asymmetrischen, geschwungenen Formen auf homogene Weise. „In dieser Kollektion wollte ich wirklich die Präzision meines Schweizer Backgrounds mit der Poesie meiner südamerikanischen Herkunft zusammenbringen“, erklärt Häberli während der Online-Präsentation der neuen Kollektion.
Ursprünglich gab es ein Briefing von Moroso, auf das Häberli allerdings nicht einging, sondern eine Idee vorschlug, mit der er sich schon länger beschäftigte. Bei Patricia Moroso (die beiden kennen sich seit 20 Jahren) stieß er damit auf offene Ohren und einen wie immer offenen Geist: „Normalerweise ist seine Arbeit schön, perfekt und sehr elegant. Wenn man Alfredo aber kennt, dann weiß man, dass das nicht alles ist. Es gibt auch den argentinischen Hintergrund, das Emotionale, eine Wärme”, weiß Moroso und ergänzt: „Ursprünglich haben wir ihm ein Briefing gegeben, aber Alfredo kam dann mit dieser Idee, die aus seinem tiefsten Herzen stammt, wie er sagte. Das ist für mich sehr wichtig, wenn ich mit Designern zusammenarbeite: die Entdeckung des Versteckten, etwas vollkommen aus deren eigener Kreativität, ohne einen vordergründigen Nutzen. Aber dann, wenn ein Projekt gut ist, eine Seele hat und tiefgründig ist – und TABA ist so ein Projekt – dann findet es seinen Platz. Das, was er mir zeigte, repräsentierte genau das, wofür Alfredo für mich steht. Es ist nicht ein verrücktes Projekt, es ist sehr kontrolliert. Ein Mix aus Geometrie und Poesie. Sehr persönlich und wahrhaftig. Das Schöne daran ist, dass dieses Projekt Präzision und Poesie vereint. Und das war es, was wir hier versucht haben.“
Neben dieser Dualität von Präzision und Poesie, geht es für Häberli in dieser Kollektion auch um Themen wie halböffentliche Orte oder ein Sofa auf unterschiedliche Arten einzusetzen. „Objekte für halböffentliche Orte zu schaffen, ist kompliziert. Weil sie müssen nicht nur komfortabel sein, sondern auch Charakter besitzen. TABA ist aufgrund der asymmetrischen Linien nicht nur perfekt in einem architektonischen Sinne, sondern die Elemente erfüllen durch ihre Form auch eine Reihe von Funktionen, die aber nicht sehr offensichtlich sind. Man kann zum Beispiel mit dem Laptop gut darauf arbeiten“, erläutert Häberli und betont, dass es beim Entwerfen von Sitzgelegenheiten immer um die Interaktion mit dem Menschen geht. Im Fall von TABA verknüpft der Designer lineare Klarheit mit dem schwer Fassbaren, nicht auf Anhieb Identifizierbaren. Häberli: „Ich spreche das Irrationale an und gebe der Kollektion die Möglichkeit, sich vielfältig zu entwickeln. Optionen, die mit dem täglichen Leben verbunden sind. Bei einem Unternehmen wie Moroso fällt es mir leicht, mich von einer Idee inspirieren zu lassen, die allgemeine Regeln meidet.”
„Designern die Freiheit zu lassen, ist eine Möglichkeit zu Ergebnissen zu kommen, die sich niemand vorstellen konnte. Das Nicht-Offensichtliche ist, was ich immer suche. Neue Formen, die aber funktionieren. Solche Dinge passieren, wenn man Menschen kreative Freiheit gibt“, betont Patricia Moroso.
Aufgrund der aktuellen Situation fand die Präsentation von TABA auf digitalem Wege statt. Alfredo Häberli meldete sich aus Zürich, Patricia Moroso aus Udine. Natürlich kam im Gespräch schließlich auch die derzeitige Krise vor, die den medialen Diskurs auf ungekannte Weise beherrscht. „Natürlich wird Design in Zukunft, und darüber reden wir besonders in diesen Tagen, eine sehr wichtige Rolle spielen. Ich hoffe, dass sich viele Dinge ändern werden”, sagt Moroso und betont: „Das ist nicht eine kleine Katastrophe, sondern der letzte Wink von Mutter Natur: Hallo – ich sage es immer und immer wieder, ihr müsst Euch ändern. Es ist wichtig, die Natur zu retten. Es ist wichtig, die Industrie zu verändern. Bisher haben wir vielfach Materialien ohne nachzudenken verwendet. In unserer nächsten Zukunft wird es darum gehen, den Planeten zu retten. Jeder von uns spielt dabei eine kleine Rolle. Aber wir alle zusammen, haben eine große, gemeinsame Verantwortung. Die Industrie muss sich bewusst werden, was sie verwenden darf und was nicht. Und die Designer werden die Werkzeuge der Veränderung sein, denn sie besitzen die Kreativität, um uns einen neuen Weg zu weisen.“
Und Alfredo Häberli ergänzt: „Vor dieser Krise hat jeder von Ökologie gesprochen. Nun halten wir alle den Atem an. Aber ich glaube, dadurch eröffnet sich eine große Chance. Es ist die Chance, darüber nachzudenken, dass wir vielleicht weniger Dinge brauchen, weniger Dinge produzieren sollten, aber in besserer Qualität. Wir werden jetzt wieder – vermutlich sehr langsam – anfangen. Aber für uns Designer und für die Unternehmen ist das eine große Chance, die Vergangenheit zu überdenken.“