Home Design Vergessenes wiedererwecken – Objektdesign von Ariane Shirvani

Vergessenes wiedererwecken – Objektdesign von Ariane Shirvani

von Markus Schraml
Objektdesign von Ariane Shirvani

Der dunkle Ausstellungsraum vermittelt etwas Geheimnisvolles und doch Beruhigendes. Die Objekte auf dem weißen Podest erstrahlen in sanftem Licht und gemeinsam mit dem reduzierten Arrangement entsteht ein gediegener Gesamteindruck, der die Besonderheit dieser Stücke unterstreicht. Es sind Designs von Ariane Shirvani, die sich zwischen Kunst und Gebrauchsaccessoire bewegen. Die junge iranische Gestalterin mit Wohnsitz Berlin stellt ihre Serie Memento im Rahmen der Vienna Design Week aus. Jedes einzelne Objekt erzählt eine Geschichte aus der persischen Vergangenheit, holt historische Gegenstände oder Praktiken ins Jetzt und ist das Ergebnis einer intensiven Beschäftigung mit einem bestimmten Material: Messing, Kupfer, Glas, Porzellan, Aluminium. Sei es ein Zeitmessinstrument zur fairen Verteilung von Wasser (600 v. Chr.), der persische Rosenwasserbehälter Ashkdan oder das kulturelle Erbe des Ayeneh Kari, eine geometrische Spiegelstruktur, die persische Königspaläste schmückte. Das Interesse der Gestalterin für altertümliche Gebrauchsgegenstände trifft auf Elemente aus der iranischen Architekturgeschichte. Mit dieser Grundlage kreiert sie Objekte, die absolut zeitgemäß und ohne Zweifel wunderschön sind. Shirvani studierte an der Mailänder Nuova Accademia di Belle Arti und eröffnete 2018 ihr Studio in Berlin. formfaktor traf die junge Designerin in der Festivalzentrale der Vienna Design Week zum Interview.

 

formfaktor: Sie stellen hier einige Objekte aus, die unter dem Titel „Memento“ zusammengefasst sind. Welches Konzept liegt ihnen zugrunde und welche Ziele verfolgen Sie?

Ariane Shirvani: Gewöhnlich beginne ich mit einigen architektonischen Elementen und altertümlichen Werkzeugen oder Gegenständen, die im alltäglichen Leben der Menschen vorhanden waren, die es aber nicht mehr gibt bzw. die schon lange Zeit nicht mehr verwendet werden. Ich verändere ihre Bedeutung und übertrage sie in eine zeitgenössische Form.

formfaktor: Bei „Nonagon“ ist der architektonische Ursprung deutlich zu sehen.

Ariane Shirvani: Diese Form kommt in der iranischen Architektur oder Geometrie sehr häufig vor. Wichtig dabei ist, wie auch bei allen anderen Objekten, dass eine Interaktion mit dem Betrachter kreiert wird. Zum Beispiel besteht der Briefbeschwerer „Nonagon“ aus poliertem Messing, wodurch eine Verbindung zwischen dem Objekt und dem Papier entsteht, weil sich der Text oder die Bilder in der glatten Oberfläche widerspiegeln.

formfaktor: Einen Schritt weiter gehen Sie mit Ihrer Arbeit „A Drop Of A Second“, in dem Sie die strukturierende Kraft der Zeit thematisieren bzw. den kontrollierenden Faktor der Zeit. Welche historische Geschichte erzählt dieses Objekt?

Ariane Shirvani: Vor über 2000 Jahren gab es im Iran Zeitmessinstrumente, um die faire Verteilung der Bewässerung zu garantieren. Mein Objekt basiert auf den Gesetzen der Strömungsmechanik. Das heißt, wenn man die Schale auf den Glascontainer setzt, fließt Wasser hinein. Der Vorgang dauert exakt 20 Minuten. Dann beginnt man von Neuem. Zeit kann mit verschiedenen Geräten gemessen werden und eben auch mit einer persischen Wasseruhr. Es ging mir darum, zu zeigen, wie Zeit unsere Realität formt, bestimmt und verändert.

formfaktor: Ein anderer vergessener Gegenstand aus der iranischen Geschichte ist eine Art Vase. Was war die Inspiration für dieses witzig-elegante Objekt?

Ariane Shirvani: Das Objekt heißt „Aura“ und das Vorbild dafür ist die iranische Ashkdan-Glasvase. Ich verwende aber Porzellan. Die Vase ist mit Rosenwasser gefüllt und die Form so gestaltet, dass sie als Diffusor funktioniert. In diesem Fall interagiert der Benutzer über seinen Geruchssinn mit dem Objekt, in dem er oder sie den Duft aus der Luft aufnimmt, dessen Ursprung in der Vase liegt.

 

formfaktor: Ein einerseits sehr dekoratives Objekt, andererseits aber über die reine Funktion hinausgehend, ist der Spiegel „Reflector“. Welches Material haben Sie dafür verwendet?

Ariane Shirvani: Dieser Tischspiegel besteht aus poliertem Aluminium. In persischen Königspalästen hat man diese geometrischen Formen verwendet, um durch die Reflexion mehr Licht in dunkle Räume zu bringen. Ich habe daraus ein Objekt entwickelt, das man unterschiedlich aufstellen, mit dem man unterschiedliche Szenarien kreieren kann und das durch seine Facetten nicht nur verschiedene Spiegelbilder zeigt, sondern auch das Licht auf vielfältige Weise reflektiert.

formfaktor: Es fällt auf, dass Sie bei jedem Objekt ein anderes Material verwenden…

Ariane Shirvani: …eigentlich sind es sehr traditionelle Materialien. Metalle, Glas oder Porzellan. Wenn ich an einem Projekt arbeite, beginne ich aber immer zuerst mit dem Konzept, mit dem Zweck, mit der Interaktion und dann kommt das Material. Dennoch ist das Material sehr wichtig, im Hinblick auf die Gestaltung einer zeitgemäßen Form. Zum Beispiel, wenn ich für den Spiegel normales Glas wie in der ursprünglichen Anwendung benutzen würde, hätte es nicht diese moderne Anmutung. Also verwende ich statt Glas Metall, oder bei der Vase statt Glas Porzellan.

 

formfaktor: Sie wohnen und arbeiten in Berlin. Wie erleben Sie die Designszene dort?

Ariane Shirvani: Es ist eine großartige Stadt für Designer und es gibt auch sehr viele gute Designer in Berlin. Aber ich denke, dass in Berlin vor allem Visual Art sehr wichtig ist. Es ist aber auch ein guter Ort für Produktdesigner.

formfaktor: Sind die Objekte in der Serie „Memento“ als Kollektion gedacht und wird sie erweitert?

Ariane Shirvani: Ich mache derzeit keine Kollektionen, sondern Einzelstücke, die vielleicht irgendwann eine Kollektion ergeben, mit Objekten, die alle aus derselben Wurzel stammen, demselben Konzept entspringen.

formfaktor: Welche Pläne haben Sie im Hinblick auf zukünftige Objekte und welche Rolle wird dabei Ihre iranische Herkunft spielen?

Ariane Shirvani: Diese Stücke hier sind von der iranischen Geschichte und Kultur beeinflusst, einfach weil ich sie am besten kenne. Aber ich denke daran, in Zukunft andere Kulturen zu erforschen und dort vergessene Gegenstände zu finden, um daraus Objekte zu entwickeln. Ich bin offen für alle Kulturen.

formfaktor: In Ihren Objekten geht es auch um Realität und Wahrnehmung bzw. wie sich die Wahrnehmung der Realität des Menschen verändern kann.

Ariane Shirvani: Das spielt eine sehr wichtige Rolle in meiner Arbeit, weil diese Objekte in der Vergangenheit verwendet, aber dann vergessen bzw. nicht mehr benutzt wurden. Meine Aufgabe ist es, sie wieder zum Leben zu erwecken. Zum Beispiel die Wasseruhr ist ein Objekt, das genau in unsere Zeit passt, weil sie die Themen Wasser und Zeit in Verbindung bringt und damit auf die Wahrnehmung des Betrachters Einfluss nimmt.

formfaktor: Was möchten Sie mit Ihrer Arbeit erreichen?

Ariane Shirvani: Ich weiß, dass es eine sehr lange Zeit dauern wird und dass noch viel Arbeit vor mir liegt, aber an einem Punkt in der Zukunft möchte ich auf meine Objekte blicken und sagen können, dass sie alle von einer, von meiner Designsprache geprägt sind. Ich möchte eine ganz eigene Designsprache entwickeln. Und ich möchte vergessene Objekte aus der Vergangenheit in zeitgenössischen Formen wiederbeleben.

 

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