Home Design Architektur-Fliesen aus Tajimi

Architektur-Fliesen aus Tajimi

von Markus Schraml
Tajimi Custom Tiles

Wie kann altes japanisches Handwerk in Europa populär gemacht werden? Auf diese Frage hat David Glättli, Creative Director von Karimoku New Standard (KNS) und Tajimi Custom Tiles, nicht nur eine Antwort parat, sondern sogar Strategien entwickelt. Er verknüpft traditionelle Handwerkskunst mit zeitgemäßem Design. Dafür engagiert er einerseits junge (KNS), andererseits weltweit bekannte Designer (Tajimi).

Maßgefertigte Fliesen für Architekten

Die Fliesenproduktion in der Stadt Tajimi hat eine 1300-jahrelange Geschichte. Die dortigen Fliesenhersteller verfügen über eine Vielzahl von Techniken. Im Unterschied zur industriellen Fliesenherstellung werden in Tajimi Tunnel- und Herdwagenöfen verwendet. Ihre schwankende Brenntemperatur und Brennzeiten von über 20 Stunden führen zu Farbunterschieden bei gleichen Fliesen und verleihen ihnen ihre typische, lebendige Wirkung. Zudem kommt ein als Reduktionsbrand bekanntes Verfahren in Kombination mit speziellen Glasuren zum Einsatz, um einmalige Texturen und Farbeffekte zu erzeugen, wie sie in traditioneller japanischer Keramik zu finden sind.

David Glättli möchte Tajimi Custom Tiles in Europa rasch bekannt machen und hat dafür neben Max Lamb (GB) und Kwangho Lee (Südkorea) das renommierte Pariser Designerduo Ronan und Erwan Bouroullec mit dem Fliesenspezialisten zusammengebracht. Die Bouroullecs haben Objekte entworfen, die nun im Rahmen einer Ausstellung in Mailand gezeigt wurden, der ersten Tajimi-Präsentation außerhalb Japans. Sie schufen eine Reihe von vasenartigen Objekten, deren Teile mit dem Verfahren der Tonextrusion hergestellt wurden, das für die Fliesenproduktion in Tajimi typisch ist. Auf einem zylindrischen Körper sind geometrische Elemente angebracht. Daraus ergeben sich grafische Kompositionen aus Formen, Farben und Glasuren. Die tiefen Glasur-Farben sind eine Hommage an die Schönheit traditioneller japanischer Keramik.


FORMFAKTOR traf David Glättli in der Gallery Assab One in Mailand und sprach mit ihm über seine Vermittlerrolle zwischen Japan und Europa, seine Marken-Strategien und das internationale Potenzial japanischen Handwerks.

FORMFAKTOR: Sie haben zunächst Japanologie und dann Design in Mailand und Lausanne an der ECAL studiert. Sie sind schon damals mehrfach nach Japan gereist und nach anfänglicher Arbeit als Produktdesigner in Zürich schließlich nach Japan gegangen. Warum?

David Glättli: Es hat mir sehr gut gefallen und ich wollte dort einfach noch mehr Zeit verbringen. Zunächst war ich Produktdesigner bei Teruhiro Yanagihara, aber nach dem Karimoku-Projekt, für das ich dort zuständig war, habe ich gemerkt, dass es auch Leute braucht, die nicht bloß Produkte kreieren, sondern eine größere Übersicht haben und mit den Firmen eng zusammenarbeiten, um herauszufinden, wo sie überhaupt hinwollen mit ihren neuen Produkten. Und welche Produkte es überhaupt sein sollen. Im Grunde geht es darum, wie man sich als Marke positionieren will. Solche Fragen sind für europäische Firmen selbstverständlich, aber in Japan liegt der Fokus eher auf dem Handwerk. Da ist das Know-how riesengroß, aber wenn es darum geht, wie präsentiert man sich, wie verkauft man – gibt es Nachholbedarf.

FORMFAKTOR: Wie schätzen Sie die Chancen für japanische Firmen ein, in Europa erfolgreich zu sein?

David Glättli: Sie haben das Potenzial, einfach sehr schöne, hochwertige Produkte zu machen. Aber oft ist das Wissen über zeitgemäßes Design nicht oder nur sehr marginal vorhanden. Deshalb gibt es häufig Produkte, die aus meiner Perspektive ein bisschen daneben liegen. Sie könnten super sein, aber es fehlt etwas. Manchmal wird japanisches Handwerk als eher rückständig betrachtet. Abgesehen von den wirklich legendären Handwerkern. Aber das hat sich als Vorteil erwiesen, weil die Tradition erhalten geblieben und nicht in serielle Massenproduktion übergegangen ist. Für mich ist nun interessant, zwischen dem traditionellen Handwerk und der industriellen Produktion zu vermitteln.

FORMFAKTOR: Geht es auch darum, das alte Handwerk mit zeitgemäßem Design zu verbinden?

David Glättli: Ja, es geht darum, es in die Gegenwart zu bringen und mit einem Weg in die Zukunft zu verknüpfen. Ich vergleiche das gerne mit Italien, wo es auch eine reiche Handwerksgeschichte gibt, die aber manchmal fast ein bisschen schwer wiegt. Man orientiert sich zu sehr an der Vergangenheit. In Japan kommt dazu, dass die 70er-, 80er- und frühen 90er-Jahre enorme Boom-Jahre waren, wo alles sehr gut gelaufen ist. Das führte zu einem großen Selbstbewusstsein. Made in Japan war ein weltweiter Begriff. Dann ist die Bubble-Economy geplatzt und seitdem ist die Wirtschaft nur noch geschrumpft. Seit 30 Jahren. Das schlug sich ein bisschen auf das japanische Gemüt nieder, auf die Perspektive. Und designmäßig ist dann einfach nicht mehr so viel passiert. Mir geht es darum, die reiche Geschichte in die Gegenwart zu bringen und mit dem Ausland zu verbinden.

FORMFAKTOR: Aber japanisches Handwerk hatte in Europa stets einen guten Klang. Viele wissen zwar nichts Genaueres darüber, aber die Einstellung ist eher positiv.

David Gättli: Japan ist grundsätzlich eine tolle Marke, die extrem positiv besetzt ist. Studien zufolge ist Japan überhaupt eines der weltweit am positivsten besetzten Länder. Das kann man natürlich in der Vermarktung gut nutzen. Andererseits gibt es sehr viele Stereotype: Sushi und Samurai, kurz gesagt. Das Bild ist eher historisch eingefärbt und weniger zeitgenössisch. Wie das Leben in Japan wirklich abläuft, davon wissen hier die wenigsten etwas.

FORMFAKTOR: Die Strategie japanische Marken mit internationalen Designern zusammenzubringen – warum verfolgen Sie die?

David Gättli: Wenn man Designer aus dem Ausland einlädt, hat das einen doppelten Effekt. Einerseits bringen sie Innovationen nach Japan, eine andere Perspektive, andere Ideen und gleichzeitig lassen sich diese Produkte auch besser im Ausland verkaufen. Zum Beispiel hatte Karimoku früher nur mit Inhouse-Designern gearbeitet. Dabei kommt natürlich nicht sehr viel frischer Wind hinein. Mit der Marke Karimoku New Standard haben wir das erstmals gemacht. Hier ist die Strategie, dass man mit jüngeren Designern längerfristig zusammenarbeitet und gemeinsam wächst. Karimoku ist eine sehr große Firma, die auch den langen Atem hat, eine Marke über 10 Jahre aufzubauen. Bei Tajimi Custom Tiles hingegen setzen wir auf renommierte Namen, weil die Firma erst einmal bekannt werden muss.

„Tajimi ist wie ein Süßwarenladen voller verschiedener Geschmacksrichtungen in Gelb, Braun, Rosa – wie ein Feuerwerk. Es bereitet uns unbeschreibliche Freude, damit herumzuspielen“, sagt Ronan Bouroullec, der hier gerade ein „Sosei“-Objekt begutachtet. © studio Bouroullec

FORMFAKTOR: Sie haben Ronan & Erwan Boroullec engagiert.

David Glättli: Ja, das war für mich die Gelegenheit, mit Menschen zu kooperieren, mit denen ich schon lange zusammenarbeiten wollte. Die beiden arbeiten in diesem Grenzbereich zwischen Kunst und Design. Auch die Arbeiten, die wir hier zeigen, sind nicht als Produkte gedacht, sondern als Inspirationsobjekte. Die Business-Idee sieht ja so aus, dass Architekten sich Kacheln nach Maß anfertigen lassen können. Das beginnt schon bei 20, 30 oder 50 m². Sie können Kacheln selbst entwerfen und in kleinen Stückzahlen machen lassen.

FORMFAKTOR: Das Custom im Namen ist also sehr konkret zu verstehen?

David Glättli: Ja, das liegt an der Produktionsmethode, die ganz anders ist als bei industrieller Kachelproduktion. Das heißt, es gibt viel mehr Möglichkeiten und das muss man auch zeigen. Zum Beispiel die dreidimensionalen Sachen, die aus Tonspritzguss bestehen. Dabei wird der Ton in eine Gipsform gespritzt, eigentlich genau so, wie man in Japan Geschirr macht. Mit dieser Methode entstehen sehr präzise, dreidimensionale Produkte.

FORMFAKTOR: Wie sieht Ihre weitere Strategie für Tajimi Custom Tiles aus?

David Glättli: Wir werden sicher ein, zwei Jahre weiter Kooperationen machen. Wichtig sind für uns auch Referenzprojekte, die wir auf der Website präsentieren und wo man sehen kann, welche tatsächlichen Möglichkeiten es gibt. Der Vorteil von Kooperationen mit bekannten Leuten ist, dass dann auch interessante Architekten auf einen zukommen und das führt dann eben zu spannenden Referenzprojekten.

David Glättli ist Creative Director von Tajimi Custom Tiles. Seiner Initiative ist es zu verdanken, dass die Bouroullecs für das Unternehmen gewonnen werden konnten. © Studio David Glättli

About

Tajimi Custom Tiles wurde von der X’S Corporation ins Leben gerufen, um eine Plattform zu bieten, auf der innovative Fliesen ganz nach Kundenwunsch für internationale Architekten und Innenarchitekten realisiert werden können. X’S ist weltweit tätig. Das Unternehmen wurde 1994 von CEO Masashi Kasai gegründet, der fest davon überzeugt ist, dass in Tajimi hergestellte Fliesen ein enormes Marktpotenzial haben.


Mehr zum Thema


Weitere TOP-Artikel

-
00:00
00:00
Update Required Flash plugin
-
00:00
00:00