In immer mehr Architektur- und Design-Wettbewerben wird nicht das Neugebaute, sondern der Umbau, die Revitalisierung und Adaptierung des Bestehenden prämiert. So gewannen etwa Lacaton & Vassal architectes 2019 den Mies van der Rohe Award für die Umgestaltung von 530 Wohnungen in Bordeaux oder im Rahmen des Award-Programms des World Architecture Festival unlängst in Amsterdam kürte die Jury den Umbau einer alten Lokomotiven-Halle in eine Bibliothek. Schließlich gewann den Titel „World Interior of the Year“ beim INSIDE Festival of Interiors nicht eine komplette Neugestaltung, sondern die Revitalisierung eines Hauses im japanischen Kolonialstil in Taipeh (Taiwan).
Das JCA Living Lab genannte Projekt verwandelt das traditionelle Haus in einen Ort des modernen urbanen Lebens, indem es den historischen Bestand mit zeitgemäßen Details und offenen Nutzungsmöglichkeiten verbindet. Das Team von J.C. Architecture legt den Fokus auf die Bewohner*innen und schafft Räume, in denen Kinder herumlaufen können und gleichermaßen Orte der Ruhe. Traditionelle Handwerkskunst wird mit modernen Details kontrastiert, woraus im Endergebnis eine spannende Kombination entsteht. Wie etwa die kreisförmige Leuchte, die vom Dach des Wohnzimmers vor dem Hintergrund erhaltener Materialien hängt. Dachfenster und großzügige Fensterflächen sorgen für mehr Tageslicht im historischen Bau. Die Architekten fügten dem Bestand einige Gemeinschaftsräume hinzu. Wie eben das Wohnzimmer, aber auch die Küche und flexible Räume, wo sich Menschen treffen können. Das gesamte Arrangement der Räumlichkeiten ist auf Verbindungen und Interaktionen ausgelegt.
Die Jury zeigte sich begeistert davon, wie „das Haus ungewöhnlich gut mit den unterschiedlichen und manchmal widersprüchlichen Bedürfnissen einer jungen Familie übereinstimmt. Jeder Raum kann verhandelt und angepasst werden, um das Haus zu einem Inkubator für positive Unterschiede in der Familieneinheit zu machen. Lokale Handwerker wurden bei Bedarf hinzugezogen und recycelte Elemente wurden frei mit neuen vermischt. Die Leitern auf das Dach fördern ein ständiges Versteckenspielen. Der Innenraum verschmilzt mit dem Garten, der selbst ein Raum im Freien ist, während das Licht auf unerwartete Weise einfällt. Hin und wieder werden Blicke auf den Himmel freigegeben, in dieser ansonsten übervollen urbanen Umgebung. Vor dem Hintergrund der rasanten Entwicklung in Taipeh hat dieses Projekt das Potenzial, als Prototyp zu dienen, der bei der Neubewertung des Bestands an japanischen Häusern hilfreich sein könnte“, resümieren die Juroren*innen.
Die Jury des INSIDE World Interior of the Year Awards bestand aus Anabel Kassar (Gründerin von AKK Architects), Nigel Coates (Direktor von Nigel Coates), Mary Bowman (Partnerin bei Gustafson Porter + Bowman), Richard Francis-Jones (Designdirektor bei fjmt studio) und Eva Jiřičná, Partnerin bei AI – DESIGN.