Der venezianische Textilspezialist Rubelli hat Andrea Trimarchi und Simone Farresin (Formafantasma) als neue Kreativdirektoren engagiert. Die erste Aufgabe des Duos war die Auffrischung der Rubelli-Marke Kieffer. Bei der Ende der 1980er-Jahre von Dominique Kieffer gegründeten und von Rubelli 2001 übernommenen Marke stehen vor allem Naturfasern und deren Verarbeitung im Fokus. Leinen, Mohairwolle, Hanf, Alpaka, Papier und Baumwolle werden mit faszinierenden, gleichsam eher zurückhaltenden Strukturen versehen. Nicolò Favaretto Rubelli, CEO der Rubelli-Gruppe zum Engagement von Formafantasma: „Wir waren auf der Suche nach jugendlicher Energie, um das Unternehmen aufzurütteln, um neue Flammen zu entfachen. Wir waren mit mehreren Personen im Gespräch, haben aber schnell gemerkt, dass Formafantasma aufgrund ihrer einzigartigen zeitgenössischen Sichtweise am besten zu uns passt.“
Konkret sollte das international erfolgreiche Designstudio nichts weniger als die Identität der Marke Kieffer neu erfinden. „Rubelli ist bekannt für Seide, Muster und kräftige Farben. Bei Kieffer geht es viel mehr um die Nuancen, die Subtilität, das Weben. Unser Ansatz besteht darin, die ursprüngliche Kieffer zu respektieren, wo es immer um die Materialität und Rauheit von Textilien, um natürliche Farbstoffe und Fasern ging. Und um Nachhaltigkeit. Wir glauben, dass sich bei Kieffer alles um die Erforschung von Techniken der Textilherstellung dreht“, betont Andrea Trimarchi. Die neue Kollektion trägt den Namen „Untitled“. Damit wollen die Designer zum Ausdruck bringen, dass es um eine sehr bodenständige Kollektion geht – ohne viel Styling, die aber dennoch oder gerade deshalb die Sinne anspricht.
„In dieser ersten Präsentation geht es sowohl um das Produkt als auch um die Werte. Dadurch soll ein Dialog in Gang gesetzt werden, der wahrscheinlich sehr lange andauern wird. Wenn man mit einer Marke zusammenarbeitet, entwirft man normalerweise etwas, legt einen Abgabetermin fest, dann gibt es die Eröffnung oder eine Ausstellung und man schließt das Ganze ab. Was wir mit Kieffer und Rubelli insgesamt machen, ist eher auf langfristige Veränderungen ausgerichtet. Das ist unsere Rolle als Kreativdirektoren. Wir nehmen Bezug auf die Idee der Konsistenz“, erläutert Simone Farresin.
Labor für Veränderungen
Auf die Frage, ob dies eine Art Labor sei für die Veränderung, die letztlich für die Marke Rubelli selbst geplant ist, antwortet Farresin: „Absolut. Unsere Idee in diesem ersten Jahr ist nicht, die Tools zu überdenken, sondern sie neu zu gestalten. Sobald wir mehr Erfahrungen gesammelt und eine Form der Zusammenarbeit etabliert haben, können wir dazu übergehen, dass wir auch die Tools neu denken. Im Moment erstellen wir die Roadmap. Für uns war es von grundlegender Bedeutung, diese Klarheit von Anfang an zu haben und sie dann weiterzuverfolgen. Das gilt für alles – von der eigentlichen Produktentwicklung und Herstellung über die Art und Weise, wie das Produkt fotografiert wird, wie die Kataloge gestaltet werden, bis hin dazu, wie es in den Ausstellungsräumen präsentiert wird.“
Kreatives Netzwerk
Es wird nicht die vordringlichste Aufgabe für Formafantasma sein, neue Kollektionen zu designen, sondern ein Netzwerk aufzubauen: „Eventuell machen wir in Zukunft eine Capsule Collection, aber das ist nicht unsere Hauptaufgabe. Im Moment wollen wir eher zurücktreten und Verbindungen zu den richtigen Leuten aufbauen. Es ist sehr wichtig, eine potenzielle Offenheit zu installieren, um sicherzustellen, dass auch andere Menschen einen Beitrag leisten können, auch andere Designer“, erklärt Trimarchi die nächsten Schritte.
Im Hinblick auf die Zukunft von Rubelli Casa macht Farresin klar, dass diese Schiene primär dazu dienen würde, die Textilien in Szene zu setzen. „Ein kleiner, vollständig gepolsterter Sessel, ein Couchtisch, ein Hocker, ein Raumteiler, kleine Gegenstände. Aber sie alle konzentrieren sich auf Textilien. Es geht darum, jedes Jahr ein paar Schlüsselstücke zu haben, die Textilien am effektivsten zur Geltung bringen können“, sagt Farresin.
Formafantasma sind für ihr ökologisch-kritischen Projekte bekannt. Auf die Rubelli-Gruppe übertragen, bedeutet dies, das alle neuen Produkte gewisse Standards erfüllen müssen, wie Nicolò Rubelli erklärt. Kieffer sei auch eine Möglichkeit, strengere Richtlinien zu implementieren und sie dann auf Rubelli auszuweiten. So haben Formafantasma für die neue Kollektion auch mit Hanf gearbeitet, einer sehr viel nachhaltigeren Pflanze. Sie wurde gewebt und mit natürlicher Erde gefärbt. Laut Nicolò Rubelli sei dies die nachhaltigste Art, wie man heute Textilien herstellen könne. Ein weiterer Stoff, der im Rubelli-Universum neu auftaucht, ist Wolle.
Simone Farresin sagt, dass es sehr intuitiv gewesen sei, sich für Wolle zu entscheiden: „Mit unserem Input hat das Designteam eine vollständige Produktkollektion geschaffen, bei der viel Wert auf die Haptik gelegt wurde, von subtil bis zu üppig. Wir haben auch einen Vorhang aus Papierfasern dabei und einige Textilien bestehen zum Teil aus recycelten Kunstfasern. Aber generell handelt es sich bei den Textilien um sehr natürliche Stoffe.“
Kultur der Nachhaltigkeit
In puncto umweltfreundliche Herstellungsweisen betont Farresin, dass es wichtig sei, eine Kultur zu erschaffen, durch die nachhaltige Werte verinnerlicht würden. „Zum Beispiel das Dilemma zwischen Haltbarkeit oder Nachhaltigkeit. Was wählst Du? Wenn ein Bio-Produkt auch Haltbarkeit garantieren kann, entscheiden wir uns für dieses. Aber wenn Haltbarkeit die Verwendung recycelter synthetischer Fasern bedeutet, sollten Kieffer und Rubelli meiner Meinung nach das tun.“
In der Kollektion „Untitled“ verknüpfen Formafantasma die natürliche Kraft ungefärbter Stoffe und natürlicher Pigmente mit synthetischen Limetten-, Flieder- und Rosatönen. Es ist eine Hommage an die Unvollkommenheiten des Webstuhls, an die Subtilität tonaler Farbkompositionen und die Freude an der Berührung.
Das Interview mit Formafantasma und Nicolò Rubelli führte Felix Burrichter (Pin-Up magazine)