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Die Schönheit von Altmaterial – Sieger des RoPlastic Prize 2023

von Markus Schraml
RoPlastic Prize, Totemo

Die Gewinner des dritten RoPlastic Prize heißen Giò Minelli, Carmelo Zappulla, Ivan Fracassi sowie Adriana Kováčová und Cantieri Creativi. Der Großteil der Auszeichnungen (17), auch der zweiten und dritten Plätze sowie der Special Mentions, ging an Projekte aus Italien. Jedoch wurde der internationale Charakter des Wettbewerbs, über 600 Einreichungen aus 73 Ländern, vor allem in den hinteren Rängen widergespiegelt, wo Preise in die Länder Belgien, China, Deutschland, Großbritannien, Kanada, die Niederlande, Portugal, Spanien und Russland gingen.

Der RoPlastic Prize wird von RoGUILTLESSPLASTIC, einer Initiative von Mentoren-Ikone Rossana Orlandi und Tochter Nicoletta Orlandi Brugnoni, ausgerichtet und in drei Kategorien verliehen. In der „Art and Collectible Design“-Kategorie gewannen zwei Projekte ex aequo: Giò Minellis „Kernel“-Kollektion entstand aus einer Zusammenarbeit mit Rivierasca Spa und dem europäischen FiberUse-Projekt, dessen Ziel es ist, Lösungen für das schwierige Recycling ausgedienter Windkraftanlagen zu finden. Minelli forschte dafür an dem Material Glebanite, einem glasfaserverstärkten Kunststoff. Zwei Jahre lang führte er künstlerische Experimente durch und stellte daraus Einzelstücke wie Tische, Vasen, Sitzgelegenheiten und Leuchten her.

„Zweck meines Projekts ist es, den starken ästhetischen Wert eines Kreislaufwirtschaftsmaterials zu kommunizieren, indem die wahrgenommene Qualität und auch die tatsächliche Qualität im Vergleich zum Ausgangsmaterial erhöht wird. Es geht darum, der Industrie und dem Endverbraucher die Schönheit zu vermitteln, die einem Material oder Produkt wie einem Boot, einer Windkraftanlage oder einem alten Karussell entspringen kann“, erläutert Minelli.

Plastikpflanzen, die CO2 absorbieren

Der Ex aequo-Sieger Carmelo Zappulla kreierte mit seinem Architekturbüro External Reference (Spanien) „Pure Plants“, eine Familie aus 3D-gedruckten „Pflanzen“ aus PURE.TECH. Das ist eine Technologie, die CO2 absorbieren kann. Aber nicht nur das. Die Reihe besteht mittlerweile aus 17 verschiedenen Produkten, die neben der Aufnahme von CO2 auch fähig sind, Stickoxide und flüchtige organische Verbindungen (VOCs) zu neutralisieren. PURE-TECH reinigt dadurch die Atemluft. Mehrere Studien und Zertifizierungen haben bereits gezeigt, dass dieses Material die wichtigsten Treibhausgase absorbieren kann. 1000 m² von PURE.TECH können die gleiche Menge aufnehmen wie acht Bäume (in 30 Jahren), deshalb gibt es die Idee, dieses Material auch großflächig aufzubringen.

Produziert werden die „Pure Plants“ von LAMÁQUINA. Die 3D-Druck-Spezialisten verwenden Fused Deposition Modeling (FDM), eine auf Extrusion basierende 3D-Drucktechnologie, die weniger Energie benötigt als andere Fertigungstechniken sowie den zusätzlichen Materialverbrauch durch den Formenbau eliminiert.

Beinprothese aus dem 3D-Drucker

Die Kategorie „Emerging High Technology“ gewinnt Cristian Fracassi mit seinem Projekt „Letizia“. Es handelt sich dabei um eine Beinprothese, die günstig und schnell mittels 3D-Druck produziert werden kann. Der Faktor Schnelligkeit ist deshalb wichtig, weil es nach Amputationen entscheidend ist, dass der Patient möglichst früh ein künstliches Bein bekommt und damit zu gehen lernt. Dauert es lange, kann es vorkommen, dass der Mensch überhaupt nicht mehr gehen kann. Die Ursachen dafür liegen in der Verkümmerung der Muskeln, der Verlangsamung der Durchblutung sowie neurologischen und mentalen Problemen, wenn es Monate dauert, bis eine Prothese zur Verfügung steht. „Letizia“ besteht aus Plastik.

„Wir verwenden derzeit sowohl RPET (recyceltes Polyethylenterephthalat) als auch RPLA (recycelte Polymilchsäure). Das erste Material stammt aus alten Plastikwasserflaschen, das zweite aus dem Abfall von nicht erfolgreich gedruckten Komponenten. Zudem ist PLA ein Derivat natürlichen Ursprungs und gilt daher als Biopolymer. Sogar der Fuß der Prothese kann aus recyceltem Polymer geformt werden, und wenn besondere Eigenschaften erforderlich sind, haben wir einen Extruder, der in der Lage ist, recyceltes Filament mit einem Kohlefaserfüllstoff herzustellen, hauptsächlich für dynamische Füße, d. h. mit elastischer Rückstellung beim Gehen“, erklärt Fracassi. Der Fuß kann auch aus Polyurethan hergestellt werden. Das hat den Vorteil, dass, wenn der Patient die Prothese häufig ohne Schuh verwendet, der künstliche Fuß nicht so schnell verschleißt, weil Polyurethan eine sehr hohe Abriebfestigkeit besitzt.

Fantasie und räumliche Wahrnehmung

Das einzige Siegerprojekt, das nicht aus Italien kommt bzw. in italienischer Hauptverantwortung liegt, kommt aus Tschechien. Die Ex aequo-Gewinnerin Adriana Kováčová schuf mit TOTEMO, eine Kreation, die über ein Kinderbett als Spielzeug aufgehängt werden kann, die sich allerdings in der Folge in einen Baukasten verwandeln kann, dem immer mehr Teile hinzugefügt werden können. Schließlich kann es zu einem Accessoire im Wohnzimmer werden oder wiederum ins Kinderzimmer der nun eigenen Kinder gehängt werden. TOTEMO soll ein Menschenleben solange wie möglich begleiten und darüber hinaus. Als Kreativspielzeug regt es durch seine Buntheit sowie der ungewöhnlichen Verbindungsmöglichkeiten die Fantasie an und vermittelt ein Gefühl für die räumliche Wahrnehmung. Es ist auch ein Werkzeug zur Entspannung. „Die anfängliche Zielgruppe waren Kinder im Alter von vier bis zwölf Jahren. Aber sobald TOTEMO erschaffen war, zog es auch die Aufmerksamkeit der Erwachsenen auf sich“, beschreibt Kováčová die Reaktionen auf ihr Projekt.

Zunächst wurde TOTEMO aus Sperrholz mit Verbindungsstücken aus recycelten PET-Flaschen hergestellt. Unlängst folgte die Kooperation mit dem Studio Pitoresq, woraus eine zu 100 % recycelte Variante entwickelt werden konnte. Pitoresq verarbeitet gewöhnlichen Plastikabfall und formt ihn durch thermische Kompression, die bei möglichst niedrigen Temperaturen erfolgt, um die Freisetzung von Schadstoffen zu verhindern.

Altes Handwerk – zukunftsfähige Materialien

Das zweite Siegerprojekt der Kategorie „Inspiring Learning Projects“ geht wieder nach Italien. Cantieri Creativi wollen mit ihrer Initiative „Artisans Of Now“ für eine Art lebendiges Archiv der Handwerkstraditionen sorgen, in dem sie Workshops in Zusammenarbeit mit herausragenden Kunsthandwerkern und Künstlern aufgebaut haben, in denen eine Liebe für natürliche Materialien und bedrohtes Handwerk vermittelt wird. Diese Workshops werden an verschiedenen Locations in ganz Italien abgehalten. Teilnehmen können alle, die in die Welt der nachhaltigen und wiederverwendbaren Materialien eintauchen möchten. Langsam entsteht daraus eine Community von Gleichgesinnten, in der man sich austauschen kann und Wissen weitergegeben wird.

Ganz konkret zielen die Workshops darauf ab, alte traditionelle Handwerkstechniken und -werkzeuge aus der Vergessenheit zu holen und zu erneuern. Gleichzeitig werden neue vorgestellt, die auf neuesten Forschungen zu innovativen biobasierten Materialien, Abfällen und anderen organischen Stoffen basieren. „Unsere Mission ist es, ein Wahrzeichen für diejenigen zu werden, die den Drang verspüren, ihren Lebensstil zu ändern, in ihrer Arbeit nachhaltiger zu werden oder einfach zu verstehen, wie sie ihren ökologischen Fußabdruck durch Kreativität verringern können“, fasst Ludovica Vando, die Gründerin von Cantieri Creativi, ihre Bestrebungen zusammen.

Der RoPlastic Prize wird von diesen Firmen als offizielle Partner unterstützt: F.lli Guzzini, Gruppo CAP und Gimac.


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