2022 feiert die Friedrich Kiesler Stiftung 25-jähriges Jubiläum. In diesem Jahr wollen die Organisatoren unterschiedlichste Aspekte im Werk des austro-amerikanischen Architekten, Künstlers, Bühnenbildners und Theoretikers adäquat präsentieren. Das ganze Jahr über wird es ein kontinuierliches Ausstellungs- und Diskursprogramm geben. Den Start macht die Ausstellung „Raumstadt / City in Space“ in den Räumlichkeiten der Österreichischen Friedrich und Lillian Kiesler-Privatstiftung in der Mariahilfer Straße 1b in Wien. (26. Jänner bis 27. Mai 2022)
Im Mittelpunkt der Präsentation steht das Manifest. Vitalbau – Raumstadt – Funktionelle Architektur, das die Idee einer frei im Raum schwebenden Stadt der Zukunft thematisiert. Friedrich Kiesler präsentierte dieses radikale Konzept erstmals im Jahr 1925 auf der Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes in Paris. Die aktuelle Wiener Ausstellung setzt sich aus dem Manifest selbst, Fotografien, einem Modell und Audioelementen zusammen. Ein Begleitprogramm mit Ausstellungsgesprächen ist ebenso in Vorbereitung wie eine Publikation mit Fotografien, dem Manifest und weiterführenden Literaturhinweisen.
Paris 1925
Friedrich Kiesler wurde von Josef Hoffmann eingeladen, die österreichische Theatersektion auf der Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes zu gestalten. Die Ausstellungsarchitektur war für Kiesler jedoch nur ein Vorwand, denn er entwickelte eine riesige, von der Decke herabhängende abstrakt geometrische Struktur. Darin fanden sich die Ausstellungstücke, im Grunde diente sie aber vor allem als modellhafte Visualisierung seiner Idee einer frei im Raum schwebenden Stadt der Zukunft, die er intensiv als Raumstadt propagierte. Neben dem sowjetischen Pavillon von Konstantin Melnikow und dem Pavillon de L’Esprit Nouveau von Le Corbusier und Pierre Jeanneret gehörte die Raumstadt zu den radikalsten Architekturkonzepten der Pariser Ausstellung. Sie fand damals viel Beachtung in der internationalen Kunst- und Architekturszene und entwickelt sich zu einer Architekturikone des 20. Jahrhunderts.
Das Manifest
Wie radikal die Ideen von Kiesler damals waren, verdeutlicht vor allem das Manifest. Die zentralen Aussagen finden auf nur zwei Seiten Platz, aber die haben es in sich. In Bezug auf den modernen Wohnbau, der modernen Stadt spricht er von „Kasernierungen des Körpers und des Geistes“. Er vergleicht Häuser mit Steinsärgen und wünscht sich eine Befreiung von all den Mauern. Diese Befreiung soll durch eine „Umwandlung des sphärischen Raumes in Städte“ erfolgen sowie durch ein Loslösen von der Erde und einer Aufgabe der statischen Achse.
In weiterer Folge schreibt Kiesler von einer Umbildung der Gesellschaft: „Die neue Stadt wird die Lösung des Verkehrs- und Hygieneproblems bringen, die Mannigfaltigkeit des Privatlebens ermöglichen und die Freiheit der Masse.“ Solche Zeilen haben durchaus (gesellschafts)politische Sprengkraft, zumal Kiesler darin von Kuppeln, die über Menschen gestülpt werden und sie ersticken, spricht, oder von „Fensterlöchern“, die nicht befreien würden. Friedrich Kiesler scheint davon überzeugt gewesen zu sein, dass die Menschen eine neue Form der Stadt brauchen. Ein Ansinnen, das kaum aktueller sein könnte. Für ihn war die Lösung, eine Stadt, die „frei im Raume schwebt.“
Zu den weiteren Höhepunkten des Programms im Jubiläumsjahr 2022 zählen ein Symposion, die Präsentation einer neuen Publikation samt einer Ausstellung im Herbst, eine Festveranstaltung sowie mehrere Diskussions- und Vermittlungsprogramme. Außerdem wird die Verleihung des 12. Friedrich Kiesler-Preises für Architektur und Kunst an Theaster Gates nachgeholt.
Raumstadt / City in Space: 26. Jänner – 27. Mai 2022 (Soft Opening am ersten Ausstellungstag) Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 10 bis 17 Uhr und nach Vereinbarung Der Eintritt ist frei.