Das Buch „Logo Beginnings“ von Jens Müller versucht den Ursprüngen des Logo-Designs auf den Grund zu gehen. Warum entstanden die ersten Logos gerade in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts? Müller erklärt dies damit, dass sich in dieser Zeit der Handel erstmals über rein regionale Verbreitung hinaus entwickelte und dadurch neue Konkurrenzsituationen entstanden sind. Es wurde notwendig, für eine Unterscheidbarkeit und Kennzeichnung der eigenen Produkte zu sorgen. Bereits in dieser Anfangszeit gab es unterschiedliche gestalterische Konzepte für Logos: Wortmarken, Wort-Bild-Marken, Buchstabenkürzel und vor allem gegenständliche, aber auch abstrakte Formen. Erstaunlich ist, dass viele der sehr früh entworfenen Zeichen noch heute – in einem völlig anderen medialen Umfeld – funktionieren. Andererseits gibt es auch Beispiele für kontinuierliche Weiterentwicklungen von Logos.
Abstrakt – Gegenständlich
1870 wurde das erste Logo in den USA registriert – für den Farbenhersteller Averill. Das erste registrierte Zeichen in Europa war ein rotes Dreieck, das für die britische Brauerei Bass stand. In Bezug auf die Frage, warum es bereits in der Frühzeit der Logos auch abstrakte Gestaltungen gab, vermutet Müller, dass dies schlicht mit praktischen Zwängen zu tun hatte – weil damalige Produktionsprozesse komplizierte Zeichen nicht zuließen – und weniger mit gestalterischer Weitsicht. Generell begann die Reduktion als Gestaltungsprinzip erst zu Anfang des 20. Jahrhunderts. Am Bauhaus (ab 1919), aber auch in anderen Ländern und vor allem im russischen Grafikdesign (in den 1910er-Jahren) wurde gerne vereinfacht. Dabei griffen Gestalter für Markenzeichen vor allem geometrische Grundformen auf. Die 1927 veröffentlichte „Blickfang-Serie“, eine Sammlung logoähnlicher Gestaltungsvorlagen für Druckereien, belegt, dass sich bereits zu dieser Zeit die Erkenntnis durchgesetzt hatte, dass Reduktion und Einfachheit der Wiedererkennbarkeit von Logos enorm zuträglich sind.

Zeittypisch – Zeitlos
Zeitlosigkeit spielt bei Logos eine wesentliche Rolle. Frühe Markenzeichen, die die Zeit überdauert haben, sind allerdings zwangsläufig auch Kinder ihrer Entstehungsepoche. Einflüsse aus Jugendstil oder Futurismus können leicht ausgemacht werden. Müllers Untersuchung fördert zutage, dass manche Logos, die noch heute zu sehen sind, ganz zeittypisch waren. So lässt sich beispielsweise belegen, dass die Idee hinter dem bekannten Logo des Pharmakonzerns Bayer mit dem horizontal und vertikal gekreuzten Firmennamen eine damals häufig eingesetzte Designkonzeption war. Oder dass es vor allem in den USA Hunderte Firmenschriftzüge in Schreibschrift gab – von denen wir heute nur noch die von Kellogg’s, Ford oder Coca-Cola kennen.
Frau beim Nähen
Anfang des 20. Jahrhunderts gehörte der amerikanische Nähmaschinenhersteller Singer zu den ersten „Global Brands“. Neben einem innovativen Produkt und guter Verkaufsstrategie gelangt dies auch dank konsequenter Markenarbeit. Bereits 1872 entstand ein Logo, bestehend aus einer Frau beim Nähen, eingerahmt von einem S, das wiederum den Schriftzug „Singer Sewing Machines“ enthielt. Dieses Zeichen schaffte es trotz seiner Komplexität bis in die 1960er-Jahre zu den bekanntesten Logos der Welt zu gehören. Ein Beweis dafür, dass es mitunter einfach auf den konsequenten Einsatz eines Markenzeichens ankommt.
Bahnbrechendes Corporate Design
Olivetti arbeitete nicht nur mit den besten Ingenieuren zusammen, sondern beauftragte auch innovative Architekten, Produkt- und Grafikdesigner. So entstanden viele Klassiker des modernen Produktdesigns, aber auch wegweisende Lösungen im Corporate Design. Das Logo spielte bis in die 1960er-Jahre eine untergeordnete Rolle. Erst Anfang der 70er-Jahre formulierten Hans von Klier, Walter Ballmer und Clino Castelli ein umfassendes Designprogramm, das neue Maßstäbe setzte. Die damals gefundene Ästhetik definiert das Logo und das Erscheinungsbild von Olivetti großteils bis heute.

Vom Zeppelin zum Blitz
Erst in der zweiten Hälfte der Unternehmensgeschichte von Opel zeigt sich eine konsequente Entwicklung der Marke. Bei dem 1937 eingeführten Zeichen durchstößt eine von einem Zeppelin inspirierte Figur den für das O in Opel stehenden Kreis. Im Jahr 1963 wurde dieses Symbol von einem Blitz ersetzt, der seine Ursprünge in einer gleichnamigen Modellreihe kompakter Lkws hat. Mit der Kombination aus Blitz und Kreis fand Opel sein endgültiges Logo, das jedoch in regelmäßigen Abständen grafisch aktualisiert wird.
Langlebige grafische Prinzipien
Jens Müller ist auch der Autor des Buches „Logo Modernism“, in welchem er die Hochzeit des Modernismus im Logoentwurf von 1940 bis 1980 untersucht. „Logo Beginnings“ ist sozusagen ein Prequel dazu und kategorisiert Logos aus der Zeit von 1870 bis 1940. Der über 400 Seiten starke Band ist wie ein Katalog aufgebaut und in vier Design-Rubriken unterteilt: „Figürlich“, „Form“, „Effekt“ und „Typografisch“. Jedes der Kapitel enthält Unterpunkte, die grundlegende Grafikdesignparameter wie Kreis, Linie, Überlagerung oder Umriss aufgreifen und damit den Blick auf bis heute gültige Entwurfsprinzipien eröffnen. Jens Müller zeigt hier, wie viele bekannte Zeichen noch immer weitgehend unverändert im Einsatz sind. Gleichzeitig holt er in Vergessenheit geratene Entwürfe wieder ans Tageslicht.
Logo Beginnings. Jens Müller. 24,6 x 37,2 cm, Hardcover, 3,53 kg, 432 S., Deutsch, Englisch, Französisch, ISBN 978-3-8365-8228-5. Verlag: TASCHEN.