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Elemente der Architektur – neu gedacht

von Markus Schraml
Rethinking, Paula, Canfora

Unter dem Titel „Rethinking The Elements Of Architecture“ war im Rahmen des SaloneSatellite jüngst in Mailand die Ausstellung eines Projekts der von Stefan Diez geleiteten Abteilung „Industrial Design“ der Universität für angewandte Kunst Wien zu sehen. In rund 20 Projekten, die im Laufe eines Jahres entstanden sind, beschäftigten sich die Studenten mit dem Stadtraum und damit, wie Industriedesigner einen Beitrag zu einem besseren Leben leisten können. Der Fokus lag dabei auf den Themen Energiegewinnung, urbane Überhitzung und neue Lebensgewohnheiten.

„Wir Designer sind für die Bedingungen unserer Gesellschaft eigentlich maßgeblich verantwortlich und zwar in der Hinsicht, wie all unsere Gegenstände konzipiert und entworfen sind“, erläutert Diez. „Wenn man sich die großen Fragen unserer Zeit anschaut und wo es hingeht, dann wird man über die Architektur stolpern und bemerken, dass dort mit am meisten Ressourcen, Energie und Landschaft verbraucht werden. Die Architektur ist ein Problem geworden. Aber Architektur ist eine Sprache, deren Buchstaben oftmals von Designern und Ingenieuren konzipiert, von vielen Herstellern produziert und dann in der Architektur zusammengesetzt werden. Wenn man die Architektur ändern will, dann muss man sie von ihren Elementen her denken. Das war unser Ansatz“, erklärt Diez.

Flexible Fotovoltaik-Folie

„Rethinking The Elements of Architecture“ hat laut Diez das Ziel, das Vokabular der Architektur neu aufzusetzen und darüber nachzudenken, welche Versuche Industriedesigner unternehmen können, um zu einer nachhaltigeren, ressourcenschonenderen Architektur zu gelangen. Um dieses breite Thema zu konkretisieren, definierte das Lehrerteam rund um Stefan Diez drei Bereiche. Eine Vielzahl der Studenten setzte sich mit Fotovoltaik auseinander. So verwendeten Julian Paula und Paul Canfora die transparente organische Fotovoltaik-Folie (OPV) von ASCA, um daraus Solarenergie zu gewinnen und zwar in Form von dekorativen, funktionellen Jalousien und Raumteilern. Der Vorteil dabei ist, dass diese Technologie auch nachträglich angebracht werden kann. Laut Christian Steiner aus dem Industrial Design-Lehrerteam stand auch der Wiener Altbau (Gründerzeit) mit der Frage im Fokus, wie man diese historischen Gebäude im Nachhinein verbessern kann.

In Form einer großflächigen Installation näherte sich Johanna Schlosser dem Thema der Stromerzeugung durch die Kraft der Sonne an. Ihr Konzept heißt „Solar River“ und sieht vor, den „Wienfluss“-Kanal in Wien mit einer wellenartigen Struktur zu überspannen. Ein Drahtnetz hält lange Paneele aus ASCA®-Folie. Die Idee dahinter ist, eine große ungenutzte Fläche zur Solarstromerzeugung zu verwenden und gleichzeitig einen eindrücklichen visuellen Effekt und damit Mehrwert für die Stadt zu schaffen. Niklas Fiedler wiederum geht mit seinem Projekt „Dak Doss“ der Frage nach urbaner Verdichtung nach. Er entwarf eine modulare Erweiterung des Wohnraums für Dächer, die ihre eigene Energie generiert. Dächer mit Solarpaneelen kennt man, aber dass damit auch zusätzliche Wohnfläche entstehen kann, ist neu.

Überzeugung durch Ästhetik

„Bisher finden Solarpaneele kaum Einzug ins Stadtgebiet, vor allem nicht in so eine schöne Stadt wie Wien, weil sie in Konkurrenz zur vorhandenen Ästhetik stehen“, sagt Diez. „Deshalb haben wir mit dem französisch-deutschen Unternehmen ASCA zusammengearbeitet, die eine druckbare Solarfolie entwickelt haben, die diffuses Licht verarbeiten kann. Die Sonne muss also nicht direkt darauf scheinen. Sie ist transparent und man muss viel weniger Energie als üblich hineinstecken, um sie herzustellen.“ Allerdings hat sie einen geringeren Wirkungsgrad und ist deshalb eher für den Einsatz auf kommunaler Ebene geeignet. Der große Pluspunkt dieser Technologie ist die Vielfältigkeit in der Umsetzung vor allem in ästhetischer Hinsicht. Dadurch könnten Widerstände gegen solar im Stadtraum aufgehoben werden, glaubt Diez. Auf jeden Fall sind die Projekte der Studenten nicht ganz und gar utopisch, sondern haben einen realistischen Kern. Dafür holte man sich Architekten und Ingenieure ins Team der Lehrer.

Ein zweiter Fokus der Lehrveranstaltung lag auf der zunehmenden Überhitzung von Innenstädten. Alice Klarwein und Steven Dahlinger haben angesichts dessen ein textiles, bewegliches Verschattungssystem entworfen. Es ist eine Idee für Gegenden, wo es keine Gewässer oder Bäume gibt. Alice und Steven machten sich auch Gedanken darüber, welche konkreten Werkzeuge zur Verwirklichung eingesetzt werden können. So wollen sie mit den erfassten Straßenabmessungen eine parametrische Modellierungssoftware füttern, um die Paneele und ihre textilen Muster genau anzupassen. Zur Herstellung der Paneele könnten digitale Fertigungsverfahren wie 3D-Stricken zum Einsatz kommen.

Ornament und Material

Die Themenbereiche dieses Uni-Projekts waren zwar vorgegeben, aber auf strikte Einhaltung der Vorgabe wurde kein großer Wert gelegt, lässt Christian Steiner durchblicken. Wohin kreative Wege führen, könne man nie genau sagen und dürfe man auch nicht zu scharf begrenzen. Michelle Schäfer beispielsweise nahm die Vogelperspektive ein und beschäftigte sich in ihrer gleichnamigen Arbeit mit den Fassadenornamenten von Gründerzeit-Gebäuden. Allein die Veränderung der Perspektive eröffnet ganze neue Einsichten für den menschlichen Betrachter. Die Ornamente erinnern nämlich nicht nur an eine längst vergangene historische Epoche, sondern sind für tierische Bewohner felsige Landschaften und sogar Zufluchtsorte. Jasmit Hof ihrerseits fertigte eine Materialstudie an, die sich die Zugfestigkeit von Lehmkonstruktionen vornimmt. Lehm kann Druck sehr gut standhalten, Zugkräften jedoch weniger. Im Rahmen der Studie entstanden vier Objekte, die sich in Form, Gewicht und Art der Entstehung unterscheiden.

Neben diesen grundsätzlichen Überlegungen ist vielen der studentischen Projekte gemein, dass sie ohne größere bauliche Maßnahmen umgesetzt werden könnten. Teilweise ist sogar geplant, das eine oder andere in der Angewandten selbst im Realbetrieb auszuprobieren.


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