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Social Design: Lehre und angewandte Forschung

von Markus Schraml
Fancy Crave, Pixabay

Dass sich Methoden des Design Thinking, Strategic Design und Social Design bei den Designschaffenden in den letzten Jahren immer mehr gefestigt haben, liegt in erster Linie an den Ausbildungsstätten. Was dort gelehrt wird, findet in der Folge Eingang in die Praxis. Vor einem Monat feierte das Hasso-Plattner-Institut in Potsdam 15 Jahre HPI School of Design Thinking. Seit 2008 wird dort wissenschaftlich zu ergründen versucht, wie und warum Design-Thinking-Innovationen funktionieren oder scheitern.

Bereits drei Jahre zuvor hatte der SAP-Mitgründer Hasso Plattner das Institute of Design an der Stanford Universität ins Leben gerufen. Ging es damals um nutzerfreundliche Innovationen, hat sich der Fokus heute auf die Betrachtung ganzer Systeme verschoben. Im Programm „Designing for Social Systems“ geht es um einen holistischen Ansatz, in dem alle Beteiligten und Faktoren berücksichtigt werden, was zu Interventionen führen soll, die Veränderungen anstoßen. Das Ziel ist, Entscheidungsträgern aus dem Non-Profit-Bereich aber auch Verwaltungsinstitutionen strategische Methoden an die Hand zu geben, durch welche deren Arbeit effektiver und gleichzeitig menschenfreundlicher wird.

Design und Management

Während viele Richtungen des Social Design auf soziale Missstände und unterprivilegierte gesellschaftliche Gruppen fokussieren, versuchen andere die Geschäftswelt positiv zu beeinflussen. Eine dezidiert auf Wirtschaft und Industrie ausgerichtet Lehrveranstaltung findet sich in der Parsons School of Design in New York. Im „Strategic Design & Management“-Kurs geht es ganz konkret darum, Teilnehmer auf die Tätigkeit in den Bereichen nachhaltiges Management oder Business Innovation vorzubereiten. Sie werden dafür mit dem Rüstzeug des Design Thinking ausgestattet, um diese Tools im Wirtschaftsleben anzuwenden. Methoden wie Ideation (Ideenentwicklung), ethnografische Forschung, Prototyping und Service Design werden genutzt, um Ansätze für wirtschaftliche und soziale Innovationen in globalen Kontexten zu entwickeln.

Rhea Alexander über Strategic Design und Management

Auch das Royal College of Art in London hat eine ganze Reihe von System-Design-Veranstaltungen im Programm: Beispielsweise „Designing for an Ageing Population“ oder „Global Innovation Design“, wo es um innovative Lösungen für den sozialen Wandel geht. Ebenso findet in international etwas weniger bekannten Schulen Social Design Eingang. So sagte Prof. Carolin Schreiber bei ihrer Berufung an den Fachbereich Design der FH Münster, der Münster School of Design (MSD): „Studierende sollen das Soziologische mitdenken, Design darf nicht auf Farbe und Form reduziert werden“. Schreiber vertritt einen unbedingt menschenzentrierten Designansatz:„Gestaltungslösungen und auch Technik sollen mit und nicht für Betroffene entwickelt werden.“ Damit spricht sie das Thema der Partizipation an, das auch eine zentrale Rolle bei einem Projekt in Wien spielte. Im Fachbereich Social Design an der Universität für angewandte Kunst, wo der Fokus auf Innovation im urbanen Raum liegt, haben Christina Schraml und Martin Färber unter dem Titel „Re-Sourcing Commons“ einen Wiener Park auf nachhaltige und partizipative Weise umgestaltet.

Social Design im urbanen Umfeld

Stadtentwicklung ist eines der Hauptfelder für Social Design. Das Projekt in Wien dauerte mehrere Jahre und der konkreten Umgestaltung des Parks gingen zwei Studien voran, die den öffentlichen Raum und die Gesellschaftsstruktur in diesem bisher namenlosen Stadtteil im 2. Bezirk näher untersuchten. Der Schluss daraus war, „dass die Freiflächen, die es direkt vor Ort gibt, gestärkt werden müssen. Denn diese boten zu wenig Sitzmöglichkeiten und zu wenig Gelegenheiten der Aneignung. Das war der Ausgangspunkt“, erläutert Schraml. In diesem Zusammenhang wurden auch das Stadtmobiliar und dessen soziale Dimensionen erforscht.

Re-sourcing commons, Partizipation
Partizipation: Workshop im SeniorInnenheim. Filmstill aus der Videodokumentation von Anna Vasof

Die Umgestaltung des Parks sollte also mit Beteiligung der Anwohner erfolgen. Der Umstand, dass das Forscherteam bereits einige Zeit davor in diesem Stadtteil aktiv war, erwies sich dabei als sehr hilfreich. „Bei Social Design gibt es den Ansatz, immer wieder neue Methoden auszuprobieren, zu entwickeln oder auch künstlerische Strategien anzuwenden. Zum Beispiel sind wir mit einem Pferd durch die Innenhöfe und Straßen spaziert. Das war der erste Kontakt mit den BewohnerInnen, wo natürlich auch gleich die Kinder Interesse gezeigt haben. Der Ansatz war, etwas völlig Unerwartetes zu machen, um Neugierde und Interesse zu erzeugen“, erzählt Schraml.

„Wir haben uns auch von Anfang an sehr stark mit lokalen AkteurInnen und Organisationen vernetzt: mit dem Jugendzentrum, dem Altenwohnheim, mit den Wiener Wohnpartnern“, sagt Färber. Aus den Studien war bereits bekannt, woran es in diesem Stadtteil mangelt. Dabei stach das Bedürfnis nach einem Begegnungsort heraus, an dem ein Miteinander, aber auch ein Nebeneinander stattfinden könnte. „Im Hinblick auf den Park haben wir zunächst mit den Beteiligten einen sehr offenen Prozess begonnen, in dem es keine Fixpunkte gab. Also ob und wie viele Bänke dort stehen sollen. Es ging vielmehr um die grundsätzliche Frage, was ergibt an diesem speziellen Ort am meisten Sinn. Welche Funktion könnte er im Stadtteil übernehmen und was ist dafür notwendig? Daraus haben wir dann die Kernelemente abgeleitet, daraus wiederum das Nutzungskonzept entwickelt und schließlich schrittweise das Design“, erklärt Färber.

Laut Christina Schraml gab es bei den Menschen den starken Wunsch, dass an diesem Ort temporäre Aktivitäten stattfinden können. „Deshalb haben wir gemeinsam mit den BewohnerInnen den Fokus auf die Aktivierung des Parks gelegt. Wir haben dann beim Eröffnungsfest im April die verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten in Kooperation mit den lokalen Organisationen aufgezeigt. Es gab ein Konzert des Gemeindebau-Chors, ein Schachturnier von den Wohnpartnern, die älteren Personen aus dem SeniorInnenheim haben einen Handarbeitsmarkt veranstaltet. Das diente der Inspiration und der Aufforderung, sich diesen Ort anzueignen und Initiativen zu setzen, die den Ort beleben“, betont die Social Designerin.

Re-Use – die (Nicht)Veränderung der Prozesse

Bei der baulichen Umgestaltung des Parks versuchten die Designer dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft zu folgen. Zunächst wurden die vorhandenen Materialien gesichtet: „Im Sinne der Kreislaufwirtschaft war es für uns wichtig, erst einmal diese Materialien wieder zu verwenden. Alles, was dort verbaut war, ist jetzt wieder dort zu finden, teilweise in anderer Form. Der zweite Ansatz war zu schauen, welche Ressourcen gibt es in der Stadt, die derzeit ungenutzt sind. Dazu haben wir uns die ausrangierten Parkbänke, die von der MA 42 (Anm.: Wiener Magistratsabteilung) eingesammelt werden, vorgenommen und versucht, diese wieder in den Kreislauf zurückzuführen“, erläutert Schraml und Färber ergänzt: „Wir haben in unserem Projekt ein Bauteil exemplarisch verwendet – ein gebogenes Stahlrohr, das wir modular umgedacht haben. In ein System, das re-kombinierbar, wiederzerlegbar, langlebig und reparaturfähig ist. Die Schraubverbindungen sind so angelegt, dass die Bauteile leicht zu anderen Kombinationen verschraubt werden können. Im Prinzip sind alle Möbel aus den gleichen Teilen gebaut und Teil desselben Systems.“

Aus diesen Bauteilen entstanden unter anderem eine Hollywood-Schaukel, eine Liegeplattform und eine Jugendsitzbank. „Diesen modularen Ansatz könnte man unserer Meinung nach auch auf Stadtebene anwenden. Es soll ein Denkanstoß sein. Ein Projekt, mit dem man aufzeigen kann, dass die Stadt ihr Stadtmobiliar auch anders planen könnte, um die Stadt selbst zu einem Materiallager zu machen“, hofft Färber.

Doch der Weg ist weit, denn Christina Schraml weiß, dass in den Wiener Verwaltungsstrukturen nur sehr ungern von Standardroutinen und -prozessen abgewichen wird. Für das Projekt musste deshalb viel Überzeugungsarbeit bei den offiziellen Stellen geleistet werden. „Bei den Leuten, mit denen wir zusammengearbeitet haben, hat sich schon etwas bewegt, aber andererseits tun sich diese Stellen beispielsweise schwer, dieses Projekt nun einzuordnen. Denn das Denkraster sieht nur entweder ein partizipatives Projekt oder ein nachhaltiges Projekt vor. Für uns als Social DesignerInnen ist es immer beides. Es geht um soziale Nachhaltigkeit. Es geht um das Materielle und das Immaterielle“, sagt Schraml.

Für Martin Färber war eine wichtige Erkenntnis des Projekts, dass die Gesellschaft das Thema Wiederverwendung (Re-Use) viel zu wenig fördert. „Unser Fokus liegt noch immer auf neuer Produktion. Das wird in jedem einzelnen Produktionsschritt deutlich. Da liegt noch viel Arbeit vor uns, um Reparatur und Wiederverwendung aufzuwerten. Es gibt einfach noch keine Strukturen dafür.“

Gerade weil viele Veränderungsprozesse noch in den Kinderschuhen stecken, sind Projekte wie „Re-Sourcing Commons“ besonders lobenswert. Ist es doch ein leuchtendes Beispiel dafür, was durch Social Design im urbanen Raum erreicht werden kann. Durch nachhaltiges, partizipatives Umgestalten eines Parks in einem namenlosen Stadtteil von Wien ist ein lebendiger Ort für die Nachbarschaft entstanden.

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