Am 20. Mai wird Dieter Rams 90 Jahre alt. Einer der wohl einflussreichsten Gestalter des 20. Jahrhunderts hat mit dem Credo „weniger, aber besser“ Generationen von Designern beeinflusst. Seine Ansichten über gutes Design legte Rams in seinen zehn Thesen fest. Anlässlich seines 90ers erinnert er in einem Statement einmal mehr an seine „Anliegen zur Gestaltung unserer Dingwelten“.
Dieter Rams war viele Jahre lang für die Kultmarke Braun tätig, wo er in der Gestaltung von Alltagsprodukten Maßstäbe setzte. Für das Unternehmen Vitsœ entwirft er seit über 60 Jahren Möbel – bis heute. „Ich werde heute nicht nur 90 Jahre alt, sondern ich habe bis heute auch das Glück gehabt, seit etwa 70 Jahren gestalterisch arbeiten zu können. Das hatte oft mit Glück, häufiger aber auch mit den vielen Menschen zu tun, mit denen zusammen ich in meinem Leben die Gelegenheit hatte, Vorschläge für eine etwas bessere Welt zu machen“, schreibt er.
Missbrauch des Wortes Design
Für Rams bedeutet Produktgestaltung Umweltgestaltung. In diesem Sinne sei es heute mehr denn je notwendig, bessere Produkte zu schaffen. „Wir müssen uns auf weniger, aber brauchbarere, nützlichere, umweltschonendere, universellere und dabei auch faszinierendere Dinge einlassen. Letzteres ist meiner Auffassung nach der Schlüssel, wenn wir einen gedankenlosen Konsum in einen verantwortungsvollen Konsum verändern wollen. Attraktion muss sich auf neue überzeugende Konzepte und Funktionen beziehen, nicht auf den schönen Schein eines Designs für überflüssige Kaufanreize. Ein ernst zu nehmendes Industriedesign – ich würde es wegen des Missbrauchs des Wortes Design lieber auch international Gestaltung nennen – muss heute überzeugende neue Konzepte für ein richtiges und gutes Leben in einer geschädigten Welt entwickeln.“
Dieter Rams wünscht sich eine Welt, in der die Produkte der Unternehmen das halten, was ihre schrill-bunte Werbung verspricht. „Wir müssen von der Unkultur des Überflusses, der Verschwendung, der Billigkeit im Wortsinn, aber auch im übertragenen Sinne wegkommen. Das bedeutet, dass wir mehr Dinge benötigen, die wirklich das sind und das leisten, was die Benutzer von ihnen erhoffen: Erleichterung, Erweiterung, Intensivierung des Lebens. Und das mit möglichst geringem, ressourcenschonendem Aufwand. Beschränke alles auf das Wesentliche, aber entferne nicht die Poesie, heißt es in der Philosophie des japanischen Wabi-Sabi“, schreibt der einflussreiche Designer. Dass Rams auf dieses ästhetische Konzept zu sprechen kommt, das eng mit dem Zen-Buddhismus verbunden ist, beweist, dass der ihm von Kritikern oft vorgeworfene Dogmatismus und die strenge Reduktion nur Sinn ergeben, wenn die Poesie, die Schönheit dabei nicht verloren geht. Das Nützliche allein reicht nicht aus.
Das Leben besser machen
Des Weiteren kritisiert Rams Gestalter, die gegenüber den Menschen und ihrer Lebenswirklichkeit gleichgültig oder im Hinblick auf die natürliche Umwelt fahrlässig sind. Er sieht, dass die Welt in einer ernst zu nehmenden Krise steckt. Und dennoch sagt er: „Ich bin kein Pessimist. Im Gegenteil war und bin ich immer Optimist mit der Einstellung, dass ein verantwortungsvolles und gut gemachtes Design das Leben der Menschen besser machen kann, ja machen muss. An einem neuen Zugang und an einem neuen Zugriff auf die Welt müssen wir aber alle arbeiten.“
Mehr Geld für die Rams-Stiftung
Schließlich verkündet der deutsche Gestalter, dass er aus Anlass seines 90. Geburtstages die Dieter und Ingeborg Rams Stiftung materiell stärker aus seinem Privatvermögen auszustatten gedenkt. Britte Siepenkothen, die der Stiftung über 28 Jahre als Vorstandsmitglied angehört hatte, tritt in diesem Jahr in den Ruhestand. Geschäftsführender Vorstand ist nun Prof. Dr. Klaus Klemp. Rams will in den nächsten Monaten über neue Handlungsfelder zur Förderung für eine bessere Gestaltung nachdenken.
Dauerausstellung neu eingerichtet
Das Museum Angewandte Kunst in Frankfurt am Main wird aus Anlass des 90. Geburtstages die Dauerausstellung „Dieter Rams. Ein Stilraum“ aktualisieren. Erstmals werden dabei Produkte und Entwürfe von Rams zusammen mit den Fotografien seiner Ehefrau Ingeborg gezeigt. Ingeborg Kracht-Rams kam 1957 zur Fotoabteilung von Braun, wo sie zusammen mit Marlene Schneyder und Ursula Sehring an der Verbesserung der Produktfotografie arbeitete. Ab 1959 war sie mit Ulf Beckert, Wilfried Indinger und Pit Schumann für die fotografische Darstellung der Braun-Produkte zuständig. Dass nun auch Arbeiten seiner Ehefrau gezeigt werden, freut Dieter Rams. „Auch wir waren immer ein Team“, schreibt er abschließend.