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Keramik-Ikonen von Alvino Bagni neu interpretiert

von Markus Schraml
Bird, Nuoveforme, Alvino Bagni

Einer der ambitioniertesten Keramik-Gestalter des 20. Jahrhunderts war Alvino Bagni. Von Florenz aus eroberte der Italiener mit seinen fortschrittlichen Kreationen vor allem den US-amerikanischen Markt. Viele seiner Entwürfe sind Ikonen des Keramikdesigns. „Icone“ ist auch der Name einer neuen Kollektion von Nuoveforme, ein Unternehmen, das nach der Schließung der ursprünglichen Werkstatt „Ceramica Alvino Bagni“ von Bagni 1994 gegründet worden war und das noch heute von Schwiegersohn Gianfranco Ghiretti und Alvino Bagnis Enkelin Maria Chira Ghiretti geleitet wird.

Für diese neue Kollektion begaben sich Simona Cardinetti und Christoph Schnug auf eine Reise durch das umfassende historische Archiv der Manufaktur Alvino Bagni. Ziel war es, einige von Bagnis ikonischen Kreationen, die von den 1950ern bis Mitte der 80er-Jahre entstanden sind, neu zu interpretieren und damit in die Gegenwart zu holen. Von Beginn an waren die beiden Designer von der Modernität und Formenvielfalt der Kreationen begeistert. Schließlich entwickelten sie einen zeitgemäßen Farbcode, um den Originalstücken neue Frische zu verleihen. Es handelt sich um eine sehr sanfte Neuinterpretation, die darauf ausgerichtet ist, die ursprüngliche Ausdruckskraft der Keramiken auf die Gegenwart zu übertragen.

Aus den 1950er-Jahren interpretierten Cardinetti und Schnug die „Schach-Vasen“ (König, Dame, Turm), aus den 70ern die „Pidou“-Kollektion neu. Die Inspiration für diese Rohr-Kreation zog Bagni aus der Architektur des Centre Pompidou in Paris, einem Symbol für Modernität von Renzo Piano. Ursprünglich waren es Gefäße und Leuchten, in der Neuinterpretation sind es nun Vasen, die vor allem in den matten Farbkombinationen zu gefallen wissen. Alvino Bagni war nicht nur in seinen Formen innovativ, kontinuierlich arbeitete er auch an neuen Keramik-Techniken. So experimentierte er in den späten 70er- und frühen 80er-Jahren mit der Extrusionstechnik und schuf mit der „Inflated Vase“ eine sehr plastische, skulpturale Form, die nun in neuen Farben erstrahlt.

Tiere aus Keramik

Alvino Bagni hatte auch ein Faible für Tier-Formen. In den 70er-Jahren designte er zum Beispiel den „Decorative Bird“. Für diesen stilisierten Vogel ließ Bagni alle überflüssigen Elemente weg, bis nur das absolut Wesentliche übrigblieb. Simona Cardinetti und Christoph Schnug wählten diesen Vogel wohl wegen seiner besonderen archetypischen Form aus, die dem Design eine enorme Ausdrucksstärke verleiht. Aus den 80er-Jahren stammt eine Kreation, die in Zusammenarbeit mit Remo Buti entstand, einem wichtigen Vertreter des „Radical“ Designs in Florenz. „Cock and Hen“ sind ein Paar, das die Modernität von Bagnis Arbeit zeigt. In der Neuinterpretation finden sich hier gleich drei Zeitebenen: Die Entstehung in den 1980er-Jahren, wobei die Schöpfer sich offensichtlich von den 20er-Jahren (Art Deco) inspirieren ließen und schließlich die neuen Farben, die von Cardinetti und Schnug Henne und Hahn verpasst wurden.

„Cock and Hen“, eine Kooperation von Bagni und Remo Buti in den 1980er-Jahren. © Nuoveforme

Der Keramiker/Künstler Alvino Bagni

Alvino Bagni (1919-2009) gründete AB&F Ceramiche im Jahr 1946. Gelernt hatte er sein Handwerk zuvor beim Künstler Torello Santini und im Labor von Arnoldo Pugi. Es dauerte nicht lange, bis Bagni den ersten wichtigen Auftrag aus den USA erhielt: 3.500 kleine Teller für den Wahlkampf von Dwight D. Eisenhower für dessen Präsidentschaftswahlkampf 1951/52. Die Kampagnen-Teller erhielten die Aufschrift „I Like Ike“. In diesen Jahren kam Bagni auch in Kontakt mit dem amerikanischen Importunternehmen Raymor sowie mit seinem Hauptkonkurrenten Rosenthal-Netter. Das setzte den Grundstein dafür, dass der US-Markt in kürzester Zeit zum wichtigsten Markt für Bagni wurde, auf dem er bis zu 80 % der gesamten Produktion absetzte. Aufgrund dieses Erfolgs musste das Unternehmen wachsen. So kaufte Bagni 1965 alle Anteile von AB&F Ceramiche, benannte die Manufaktur in Alvino Bagni ceramiche um und zog in eine von ihm entworfene Fabrik am Stadtrand von Florenz. Mit „Ceramcolor“ schuf er auch eine eigene Keramikglasurfabrik.

Im Wesentlichen kreierte Bagni bis in die 1980er-Jahre alle Keramiken selbst. Danach gab es auch Kooperationen mit einflussreichen Künstlern und Designern der Zeit wie Enzo Borgini, Michelangelo Santonocito oder Remo Buti. Alvino Bagni hatte eine große Leidenschaft für die angewandte Kunst und für modernes Handwerk, das nicht stillsteht, sondern sich dynamisch entwickelt. Bagni verkörpert die Figur des Keramikers / Künstlers, der die genaue Kenntnis des Materials mit dem Experimentieren von Stil und Techniken verbindet.

Die „Decorative Birds“ aus den 70ern in neuen, zeitgemäßen Farbkombinationen. © Nuoveforme

Das Hauptziel von Alvino Bagni war stets die Herstellung von künstlerischer Keramik, aber im industriellen Maßstab. Um dies zu verwirklichen, hat er ständig daran gearbeitet, neue Maschinen zu entwerfen und zu bauen, die ihn auf diesem ehrgeizigen Weg unterstützen würden. Trotz dieser Tendenz zur Industrialisierung wuchs mit der Zeit die Konkurrenz von minderwertiger, preisgünstiger Keramik beispielsweise aus Portugal und dem Fernen Osten. Daran konnte und wollte Bagni sich nicht messen. So fasste er 1992 schließlich den Entschluss, den Betrieb einzustellen.

Aber nur zwei Jahre später gründete Alvino Bagni die neue Marke Nuoveforme mit seinem Schwiegersohn Gianfranco Ghiretti. Bis zu seiner Pensionierung arbeitete Bagni tatkräftig an seinem eigenen Vermächtnis mit. Heute lebt Nuoveforme eine Synthese aus Fertigungstradition, die auf einem enormen Wissen über Materialien und Glasuren basiert, sowie neuen innovativen Projekten, bei denen externe Designer eine wichtige Rolle spielen.


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