Designer*innen gehen an Aufgabenstellungen immer mehr mit holistischen Lösungsansätzen heran. Der Blick auf das Big Picture eröffnet völlig neue Möglichkeiten. Wichtig ist dabei die Zusammenarbeit von Menschen aus unterschiedlichen Fachbereichen. In dieser Hinsicht verfolgt das Grazer Designstudio 13&9 eine vorbildliche und ziemlich kompromisslose Philosophie. Von Architekt Martin Lesjak und Designerin Anastasija Lesjak 2013 gegründet, wurden damals genaue Grundsätze festgelegt, in denen es vor allem um den innovativen Charakter ihrer Arbeit und die Berücksichtigung möglichst vieler unterschiedlicher (Design)disziplinen ging: Ganzheitliche Gestaltungen zu relevanten Themen, die wichtige Entwicklungen entscheidend voranbringen. In der Vergangenheit arbeitete das Studio mit Firmen wie BuzziSpace, Lande, XAL, Artifort, Viteo oder der Mohawk Group zusammen. Gleichzeitig betreibt 13&9 ein eigenes Label, das Schmuck, Modeaccessoires, Möbel und Leuchten produziert. Zahlreiche Awards sprechen für den Erfolg des im Vergleich zum auch von Martin Lesjak (mit Partner Peter Schwaiger, 1999) gegründeten Architekturbüros INNOCAD jungen Unternehmens. Sowohl 13&9 als auch INNOCAD teilen die gleichen Werte und arbeiten eng zusammen.
Das jüngste Projekt erregte bei den ersten Präsentationen dieses Jahr in New York und Chicago großes Aufsehen: Bodenbeläge, die eine Stress reduzierende Wirkung ausüben. Als Grundlage dafür arbeitete 13&9 mit dem US-amerikanischen Wissenschaftler Prof. Richard Taylor (University of Oregon) zusammen, der sich schon viele Jahre lang mit dem positiven Einfluss von fraktalen Mustern in der Natur auf den Menschen beschäftigt. Die „Relaxing Floors“ übersetzen diese Fraktale in Muster für Bodenbeläge. Für die Branche ist es eine bahnbrechende Neuheit, die die Innovationsführerrolle von Hersteller Mohawk fulminant bestätigt.
Im formfaktor-Interview sprechen Anastasija und Martin Lesjak über ihren transdisziplinären Designansatz, die Wiederverbindung von Mensch und Natur sowie die „Neue Ganzheitlichkeit“.
formfaktor: Warum wurde 13&9 gegründet und wie hat sich der spezifisch interdisziplinäre Designansatz entwickelt?
Martin Lesjak: Als Innocad vor fast 20 Jahren startete, arbeiteten wir eigentlich von Anfang an interdisziplinär. Denn wir waren zu viert und jeder beherrschte andere Bereiche: technische, kaufmännische, theoretische oder kreativ-praktische. Das hat uns damals sehr geholfen – nicht nur Entwerfer zu sein. Das heißt, dieser Ansatz hat bei uns sozusagen Tradition und liegt in unserer DNA. Es ging immer um das Arbeiten im Team, wobei die Teammitglieder verschiedene Stärken haben. Das hat sich über die Jahre weiterentwickelt und erweitert. Ungefähr vor 10 Jahren kamen wir von der Architektur auch zum Interieur, was sehr wenige Architekten heutzutage machen. Ich denke, das muss man ganzheitlich betrachten und wenn man Interieur ernst nimmt, dann muss man sich Kompetenz aufbauen, das kann man nicht so ein bisschen mitmachen. Einfach ein paar Möbel hinzustellen, hat mit Innenraum-Design nichts zu tun. Als dann Ana dazukam, haben wir auch mit Produktdesign begonnen.
formfaktor: Wie kam das?
Anastasija Lesjak: Durch ein gemeinsames Projekt.
Martin: Ganz zufällig. Es war ein interdisziplinärer Wettbewerb der UNESCO City of Design Graz, bei dem es um Architektur, Interieurdesign, Produktdesign und Modedesign ging.
Anastasija: Es war die Neugestaltung der Kanonenhalle, für das Tourismuszentrum Graz.
Martin: Und diesen Wettbewerb haben wir gewonnen. Daraus entstand das Ganze. Wenn man Interieur konsequent macht, dann fertigt man für ein Projekt sehr viele Prototypen an. Das heißt, man baut sich ein Know-how auf, wobei die Produkte aber nur einmalig maßgeschneidert verwendet werden. Deshalb entstand der Wunsch, das weiterzudenken, und der logische Schritt war dann eine eigene Firma zu gründen – und das war 13&9.
Anastasija: Man investiert in eine Entwicklung sehr viel Zeit und generiert dabei sehr viel Wissen, dass dann irgendwie stecken bleibt. Mein Gedanke war, hier weiterzugehen, Produkte und Produktgruppen mehrfach zu verwenden, sie zu transformieren. Es geht dabei um die Nachhaltigkeit eines Produkts oder eines Prozesses. Wie kann die Lebensdauer eines Produkts verlängert werden? Welche Partner brauche ich dafür? Das waren die Grundsteine, die für den Aufbau des Labels wichtig waren.
Martin: Wir sind ja keine klassischen Produktdesigner, keine Industrial Designer, die technisch-innovativ oder an Objekten arbeiten. Das ist nicht unser Thema, weil wir von der Architektur-Interieur-Seite kommen. Wir beschäftigen uns immer mit der Anwendung im Raum. Das ist der große Unterschied. Es ging auch darum, dass wir nicht die passenden Produkte für unsere Interieurs gefunden haben. Wenn man als Interieurdesigner innovativ sein will, stößt man auf das Problem, dass es bestimmte Produkte einfach noch nicht gibt.
formfaktor: Und als Architekturbüro alleine, war das nicht zu schaffen.
Martin: Nein, das würde zu weit gehen. Man braucht für die Produktion professionelle Partner. Das kann man nicht immer nur mit einem Tischler oder Schlosser machen. Man braucht mehr Know-how. Das war einer der Haupttreiber, dass wenn etwas architektonisch neu ist, es oft noch keine Produkt-Antwort dazu gibt.
Anastasija: Bei der Entwicklung unserer eigenen Produkte ist es uns wichtig, dass sie in ihrem Lebenszyklus nachhaltig sind, dass das Ganze nachhaltig durchdacht wird. Diesen Anspruch übertragen wir auf unsere Herstellungspartner, die davon auch profitieren. Die jeweiligen Kooperationen waren auf sehr spezifische Art immer innovativ. Es ist jedes Mal eine neue Reise. Wobei wir daran wachsen, aber auch unsere Partner. Und wir pflegen jahrelange Kooperationen.
Martin: Wir versuchen, etwas zu machen, was Relevanz hat. Es muss einen Grund geben, warum man es macht, warum man Ressourcen verbraucht. Aus diesen Überlegungen gehen unsere Kooperationen oft sehr weit. Immer wenn man Innovationen anstrebt, seien es technische, funktionale, im Material oder wenn man ein neues User-Feld erschließt, dann gehen wir sehr intensiv in diese Kooperationen. Manchmal bis ins Marketing hinein, weil bei sehr innovativen Produkten, oft noch das Verständnis dafür fehlt.
formfaktor: Das heißt, es geht darum, sehr umfassend zu kooperieren, bis zu strategischen Überlegungen? Wie zum Beispiel beim jüngsten Innocad-Projekt für den österreichischen Hauptsitz von SAP.
Anastasija: Das ist ein gutes Beispiel. Da haben wir uns zuallererst im Team mit kreativen Strategien auseinandergesetzt – im Hinblick auf Architektur und Interieur und der Rolle des Menschen darin. Was bedeutet Raum für das Individuum, aber auch für das Zusammenleben und Zusammenarbeiten der Menschen. Und welche Bedeutung hat dabei der Zugang zur Natur. Wie sieht es mit den Ressourcen aus? Wenn man sich mit solchen Themen im Vorfeld beschäftigt und sie präzisiert, entstehen neue Richtungen, neue Gestaltungsprinzipien, neue Materialoptionen, neue Produkte. Es geht in unserer Arbeit nicht um Dekoration, sondern um sehr viel mehr.
Martin: Nicht dass Dekoration schlecht ist, es ist nur nicht das, womit wir uns beschäftigen. Wir haben einen starken philosophisch-theoretischen Überbau, der für unser gesamtes Tun Gültigkeit hat. Das gilt sowohl für Innocad also auch für 13&9. Dieser Human-centered Designansatz hat sich mit den Jahren immer mehr entwickelt und wir nennen ihn Die neue Ganzheitlichkeit, New Holism, die auf mittlerweile acht Säulen basiert. In der neuen Ganzheitlichkeit geht es darum, dass die aktuellen Herausforderungen in der Welt, wie Digitalisierung, Urbanisierung, Klimaveränderung usw. ganzheitliche Ansätze benötigen. Das kann nicht mehr jeder für sich schaffen, sondern es muss fächerübergreifend gedacht und gearbeitet werden. Die Lösungen müssen auf mehreren Säulen stehen und nicht nur auf Business oder Ökologie oder dem Sozialen. Dabei geht es um die Berücksichtigung der wahren, der Ur-Bedürfnisse des Menschen. Es geht uns nicht um das Individuum, denn das steht sowieso sehr im Vordergrund, vor allem durch die Digitalisierung. Nur wird dabei auf die Verbindung zur Natur vergessen. Wie soll man zum Beispiel mit dem Stress umgehen, dem man tagtäglich ausgesetzt ist und woraus Volkskrankheiten entstehen, die Milliarden kosten. Es hat mit taktilen Reizen, mit Sinneswahrnehmung zu tun…
Anastasija: …und mit Kommunikation. Wir merken zum Beispiel, wenn wir Workshops bei Firmen machen, dass die Menschen zum Teil gar nicht mehr richtig Face-to-Face kommunizieren können. Aber all diese Themen kann man mit einem entsprechenden Raumkonzept, wir nennen es space shapes behavior, ansprechen. Wenn wir für Unternehmen arbeiten, ist es ganz wichtig, herauszufinden, was brauchen die Menschen dort tatsächlich und wie kann das Unternehmen darauf positiven Einfluss ausüben. Wenn man an die Aufgabe auf diese Weise herangeht, dann sind die Lösungen Teil des Designkonzepts.
Martin: Man legt mit dem Gegenüber auch eine gewisse Wertestruktur fest, weil sonst kann es passieren, dass es am Ende um gar nichts geht. Am Anfang ist jeder sehr motiviert und es kommen viel Wünsche, aber man muss aufpassen, dass es zum Schluss nicht nur darum geht, Kosten einzusparen. Um dem entgegenzuwirken, versuchen wir das Ganze in gesellschaftlich-relevante Themen einzubetten und den Unternehmen zu vermitteln, dass diese Themen einfach wichtig sind. Die junge Generation wird nicht so weitermachen, wie wir die letzten 30 Jahre unterwegs waren. Ganz sicher nicht.
Anastasija: Mir geht es einfach darum, die Menschen einzubinden und nicht nur einen Auftrag zu bekommen und dann ein Produkt abzuliefern, sondern wirklich möglichst viele verschiedene Blickwinkel zu berücksichtigen. Daraus entstehen starke Grundsätze, mit denen man viel leichter ein gutes Endergebnis erzielen kann. Es geht um gemeinsames Denken mit individueller Performance, so könnte man unseren transdisziplinären Ansatz beschreiben.
formfaktor: Ihr postuliert „Die neue Ganzheitlichkeit“ – was sind denn die neuen Herausforderungen?
Martin: Die Themen sind schon einige Jahre alt, nur die Lösungen sind noch recht überschaubar, was zum Beispiel die Digitalisierung betrifft und welchen Einfluss sie auf den Menschen hat. Wo ist die Schnittstelle zwischen Raum, digitaler Welt und dem Menschen. Unser Leitspruch ist die Harmonisierung der digitalen, physischen und sozialen Umgebung. Dabei darf man auch die Urbanisierung nicht unterschätzen. Schon jetzt leben über die Hälfte der Menschen in Städten. Das bringt natürlich Veränderungen für jeden Einzelnen, aber auch für die Gesellschaft.
Anastasija: Thema Mobilität: Die Geschwindigkeit und Art der Fortbewegung bedingt eine bestimmte Struktur, der demografische Wandel, Klimaveränderungen – das sind alles Faktoren, die auch in Bezug auf Workplace-Design berücksichtigt werden müssen. Genauso im Wohnbau. Wie sehen Kommunen aus, in denen generationenübergreifend gewohnt wird? Wie kann Architektur das Zusammenleben positiv beeinflussen?
Martin: Grob kann man sagen: Digitalisierung, Urbanisierung, Klimaveränderung und alles, was mit dem sozialen Miteinander zu tun hat. Von der demografischen Entwicklung bis hin zur Migration, das sehen wir als die zentralen Herausforderungen. Und dazu versuchen wir, Antworten zu finden.
Anastasija: Und natürlich Wohlbefinden.
formfaktor: Wellbeeing?
Martin: Nein, dabei geht es um diese Wiederverbindung des Menschen mit der Natur. In der Stadt ist das schwierig, und von dort kommen auch viele der stressbedingten Krankheiten. Wichtig ist die Re-connection mit der Sinneswahrnehmung. Es gibt Studien, die belegen, dass Kinder, die in der digitalen Zeit aufwachsen, einen anderen Tastsinn entwickeln. Es betrifft aber nicht nur unsere fünf Sinne, sondern auch den Instinkt und die Intuition. Warum ist bei uns alles so überreguliert? – was uns in der Architektur oft wahnsinnig macht -, weil die Menschen ihre Instinkte immer mehr verlieren. Ein Junge in einer kroatischen Küstenstadt fällt auch nicht ständig vom Felsen, obwohl dort nicht überall eineinhalb Meter hohe Geländer angebracht sind.
formfaktor: Stressreduktion und die Wiederverbindung des Menschen mit der Natur – das sind Themen, die bei der jüngsten 13&9-Kooperation mit Mohawk eine wesentliche Rolle spielen.
Anastasija: Am Anfang stand die Frage, wie schaffen wir es, große Flächen so zu gestalten, dass der Mensch eine Wiederverbindung mit der Natur erfährt. Was können wir aus der Natur lernen? Martin und ich haben uns näher damit beschäftigt und sind auf den amerikanischen Forscher Richard Taylor gestoßen, der sich schon seit Jahrzehnten – ursprünglich für die NASA – mit Algorithmen aus der Natur beschäftigt, die auf den Menschen Stress reduzierend wirken. Dabei ging es um den Stress der Astronauten. Wir haben dann gesagt: Warum nur für Astronauten? Kann man diese Forschung nicht für die Allgemeinheit nutzbar machen und für Raum an sich?
Martin: Das kam aus unserem Interesse für Biophilic Design, mit dem wir uns schon länger beschäftigt hatten. Es geht um die Verbindung von Mensch und Natur und wie man diese Theorie in die Praxis umsetzen kann. Dabei sind wir eben auf Richard gestoßen. Ana hat ihm einfach eine E-Mail geschrieben, er hat geantwortet und so begann die Kooperation.
Anastasija: Witzigerweise sagte er, er habe genau auf das gewartet, dass Architekten, Designer mit ihm Verbindung aufnehmen und seine Ideen in die Praxis umsetzen wollen. Und dann haben wir Mohawk von unserer Idee überzeugt, den weltweit größten Hersteller von Bodenbelägen.
formfaktor: Wie ging dann die Arbeit voran?
Martin: Richard hat schon vor 25 Jahren mit seinen Forschungen begonnen. Denn es war vorauszusehen, dass Astronauten in ihren engen Räumen mit der Zeit Stress bedingte Probleme bekommen werden. Es war bekannt, dass die Verbindung des Menschen mit der Natur genetisch verankert ist, über Jahrtausende. Diese Verbindung kann man nicht ohne Auswirkungen einfach kappen. Richard Taylor ging der Sache auf den Grund und fand heraus, dass diese Verbindung mit fraktalen Mustern zu tun hat, die in der Natur vorkommen und die der Mensch unterbewusst-bewusst verarbeitet. Auch das Auge und das Gehirn verarbeiten fraktal.
Anastasija: Die fraktalen Muster müssen eine bestimmte Dichte und Komplexität haben, damit sie der Mensch als angenehm empfindet. Mitteldimension heißt das im Fachjargon. Das menschliche Auge sucht diese Muster, um sich sozusagen unbewusst Entspannung zu verschaffen. Die Aufgabe von Richard in dieser Kooperation war es, die richtige Dimension der Fraktale herauszufinden, damit man sie auf Bodenbeläge anwenden kann.
Martin: Die geeignete fraktale Dimension haben die Forscher dann D value genannt. Ein Wert um 1,5 wirkt am meisten Stress reduzierend – bis zu 60 % und das unbewusst. Richard Taylor begründet das damit, dass sich der Mensch in der Steppe entwickelt hat, eine Landschaft, die ein Mittelmaß an Überblick und Möglichkeiten zum Verstecken bot. Wenn man sich mit Arbeitsplätzen beschäftigt, ist es auch so, dass man ein gutes Mittelmaß an Rückzug und Offenheit braucht. Das heißt, der Mensch funktioniert heute noch genauso.
Anastasija: Für den Designprozess mussten wir eine Software erstellen, die die fraktalen Muster vervielfachen konnte.
Martin: Ein fraktales Muster mit dem genau richtigen D value per Hand zu erstellen, würde sehr lange dauern. Deshalb haben wir gesagt, wir wollen fraktale Muster wachsen lassen. Wir setzen sozusagen einen Samen, der in der Software dann wächst. Die fraktale Geometrie baut auf Selbstähnlichkeiten in verschiedenen Skalierungen und Iterationen auf. Im Unterschied zu den mathematischen Fraktalen, wie bei Mandelbrot oder Sierpinski, gibt es in natürlichen Fraktalen gewisse Ungenauigkeiten. Diese Ungenauigkeiten mussten wir ebenfalls einbauen, um die gewünschten Effekte zu erzielen.
Anastasija: Und dann kam die Umsetzung in ein tatsächliches Produkt. Dabei muss man auch seinem ästhetischen Empfinden vertrauen. Was kann man in einem Raum machen? Das war die nächste Stufe.
Martin: Das war nicht leicht. Denn Bodenbeläge werden in Fließen verlegt. Das heißt, wenn ich auf einer Fläche ein perfektes D value-Muster habe, wird es in rechteckige oder längliche Fließen zerschnitten, um sie zu verlegen. Deshalb haben wir eine zweite Software entwickelt, mit der wir festlegen konnten, wie ein Muster aussehen muss, damit, wenn es zerschnitten und wieder zufällig zusammengesetzt wird, es trotzdem die richtige fraktale Dimension hat.
Anastasija: Wir haben die „Relaxing Floors“ dann erstmals in New York für Presse und Profis und dann bei der heurigen NeoCon in Chicago präsentiert. Und das Echo war enorm: Viele Interviews, Innovationspreis etc. – es war so, als hätten alle auf so ein Produkt gewartet, ein Produkt, dass nicht nur ein bisschen Natur in ein Gebäude bringt, sondern das eine absolut tiefgehende Verbindung mit der Natur herstellt.
Martin: Ich glaube, es ist ein Sinnbild für das, wo die Reise hingehen sollte. Dass man wirklich interdisziplinär kooperiert. Und gerade in der Wissenschaft gibt es so viele Erkenntnisse, die keine Anwendungen in der Massengesellschaft haben. Diese Zusammenarbeit würde uns wirklich weiterbringen, als Wissenschaftler, als Designer, als Gesellschaft insgesamt.
formfaktor: Haben die Designerin, der Architekt das Potenzial oder sogar die Aufgabe Unternehmen und andere in diesem Sinne zu beeinflussen.
Anastasija: Man muss Haltung haben und Firmen davon überzeugen, dass es für sie auch von wirtschaftlichem Wert ist, wenn sie Design-Ideen stärker berücksichtigen und neue nachhaltige Wege gehen. Zum Beispiel wurde Mohawk in den USA von Mitbewerbern beglückwünscht, zu ihrem neuen Produkt, das einen neuen Entwicklungsschritt in der Branche darstellen würde.
formfaktor: Apropos USA. Ihr seid in den Vereinigten Staaten überaus erfolgreich. Warum?
Martin: Als wir in der Gründungsphase von 13&9 waren und über die Philosophie und die Grundsätze diskutiert haben, sagte Ana so ein bisschen im Spaß, sie möchte das Label nicht in Graz, sondern in New York launchen. Ich sagte darauf: gut. OK, machen wir. Wir hatten mit Innocad gerade ein Projekt in den USA laufen und ich war oft dort. Ein Jahr später haben wir dann wirklich 13&9 bei der New York Design Week, im Rahmen von „WantedDesign“ gelauncht und unsere ersten Sachen präsentiert: den Lounger von Viteo und unsere Schmuckserie. Darauf wurden wir gleich vom Metropolis Magazine in die TOP 5 Labels der New York Design Week gewählt. Unser Marketing hatte gleichzeitig zwei unserer INNOCAD-Projekte beim Interiors Award, einem der wichtigsten Preise in Amerika, eingereicht. Das Microsoft-Headquarter in Wien und das XAL cc. Und dann haben beide Projekte die Kategorien „large office“ und „small office“ gewonnen. Die Büro-Kategorien sind dort die Königsklasse. Das passierte alles gleichzeitig, in einem Jahr. Ein Jahr später haben wir mit „Rolling Stones“ nochmal gewonnen. Worauf ich 2015 zum „Designer of the Year“ gewählt wurde. Daraufhin hat uns der damalige Creative Director von Mohawk angesprochen, ob wir nicht gemeinsam etwas machen wollen. Und so hat das Ganze begonnen. Seit 5, 6 Jahren sind wir jetzt jedes Jahr zwei Monate in Amerika.
Anastasija: Das klingt jetzt so, alles würde bei uns alles ganz rasant gehen. Aber es ist schon so, dass wir uns lange und intensiv mit Themen auseinandersetzen. Dass das dann zum richtigen Zeitpunkt zur Geltung kommt, ist schön. Aber alles hat lange Vorgeschichten und wir planen längerfristig.
Martin: Und man muss sich etwas trauen.
formfaktor: Wie funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Anastasija und Martin? Da gibt es sicher Diskussionen.
Martin: Ja, die gibt es.
Anastasija: Martin hat seine Ansätze, ich habe meine und irgendwie kommen wir immer zusammen.
Martin: Der Vorteil ist, dass wir komplett unterschiedlich sind, aus völlig verschiedenen Richtungen kommen. Dadurch hat es diese Weite, die sehr gut ist. Wir denken sehr unterschiedlich.
Anastasija: Ja, wir haben unterschiedliche Fähigkeiten, unterschiedliche Zugänge zu Projekten, gehen anders mit Mitarbeitern um, aber unsere Vision ist die gleiche und das ist wesentlich.
Martin: Die Wertestruktur ist die gleiche.
Anastasija: Darüber haben wir nie diskutiert. Wer mit welchen Klienten besser umgehen kann oder welche Fähigkeiten jeweils gefragt sind, das ist von Projekt zu Projekt unterschiedlich, aber das große Ganze in Fragen der Relevanz und wofür wir etwas machen, das ist gleich. Und es geht auch nicht nur um uns zwei – wir sind Ehefrau und Ehemann – es geht um das gesamte Team.
fomfaktor: Welche nächsten Pläne gibt es bei 13&9?
Anastasija: Im Moment beschäftigen wir uns intensiv mit einem amerikanischen Unternehmen, das auf Akustik spezialisiert ist und interessante Technologien und Designansätze hat, wo wir glauben, dass sich das gut mit unserem Wissen in diesem Bereich ergänzt.
Martin: Die Kooperationen mit Mohawk oder auch mit XAL gehen weiter. Mit XAL arbeiten wir schon seit 20 Jahren zusammen, da wird jetzt wieder etwas Neues kommen. Und für ein anderes bekanntes österreichisches Unternehmen werden wir ebenfalls etwas machen – ich darf dazu aber noch nichts sagen.