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Salone del Mobile wird zum Supersalone

von Markus Schraml
Rendering des Supersalone. © Salone del Mobile.Milano

Weniger als zwei Wochen nachdem Stefano Boeri mit der Kuratierung eines speziellen Salone del Mobile 2021 beauftragt wurde, gaben der Architekt und sein Team das Konzept und die visuelle Identität dieser Ausgabe bekannt. Sie wird Supersalone heißen und ein völlig neuartiges Messekonzept beinhalten. Allein der Name weist daraufhin, dass diesmal alles anders sein wird. Doch Boeri hat sich hier nicht bloß einen tollen Marketing-Coup einfallen lassen, sondern spricht mit diesem Konzept auch eines der großen Probleme von Messeveranstaltungen an, nämlich die unglaubliche Menge an Müll, die dabei anfällt.

Salone im Zeichen des REUSE

Deshalb ist einer der Schwerpunkte des Supersalone die Wiederverwertung. Das Wort REUSE wird großgeschrieben, oder wie Boeri-Teammitglied Lukas Wegwerth im Rahmen des Livestreams erklärt, ist es das Ziel, dass kein Material, das für den Aufbau verwendet wird, am Ende der Show weggeworfen werden soll. Deshalb sollen Materialien möglichst roh und nicht verarbeitet eingesetzt werden. Für die Elemente des Aufbaus der öffentlichen Bereiche wurde ein modulares System entwickelt, das mit wenigen Teilen unterschiedlichste Anwendungen ermöglicht. Es handelt sich um einen grundsätzlichen Ansatz, durch den auch die Zusammenarbeit mit Unternehmen und Institutionen verstärkt werden soll. Bleibt zu hoffen, dass alle am gleichen Strang ziehen.

Das Design-Kreativ-Team des Supersalone besteht unter anderen aus Maria Cristina Didero, Lukas Wegwerth, Andrea Caputo, Anniina Koivu, Marco Ferrari & Elisa Pasqual (Studio Folder), Stefano Boeri und Giorgio Donà. Fotos © Ferroni, Delfino Sisto Legnani, Laila Pozzo u. a.

Innovationskraft der italienischen Designbranche

Claudio Feltrin, Präsident des Messeveranstalters FederlegnoArredo, konnte Stefano Boeri überzeugen, dass der Salone del Mobile nicht ein weiteres Jahr ausfallen dürfe, sondern dass man vielmehr ein Zeichen für die Innovationskraft der Designbranche setzen müsse. Während der Präsentation des Supersalone machte Boeri dann doch ein wenig den Eindruck, als wäre er selbst überrascht, was in so kurzer Zeit an Ideen aufs Tapet gebracht wurde und schließlich in ein Konzept eingeflossen ist. Wie bereits erwähnt, wird diese Ausgabe ganz im Zeichen der Nachhaltigkeit stehen. Als Symbol dafür soll in den Außenbereichen des Messegeländes ein Wald entstehen.

Das Konzept der Innenbereiche sieht Pavillons vor, wobei jeder Pavillon „eine Welt für sich sein soll.“ Darin soll es eine Reihe von Präsentationswänden geben, die von Öffnungen durchbrochen sein werden. Teammitglied und Architekt Andrea Caputo erklärte während der Präsentation, dass man sich von der Quadratmeter-Logik einer konventionellen Messe verabschiedet und stattdessen eine lineare Logik angewandt habe. Die Präsentationsform soll also vertikal sein, wobei die Wände bis zu drei Meter dick sein können, was wiederum Platz für dreidimensionale Räume schaffen würde. Die Grundidee hinter diesem Konzept sei einerseits eine völlig andere Präsentationsform zu kreieren und andererseits dem Publikum mit diesem neuen Layout ein bisher ungekanntes Messeerlebnis zu bieten.

Rendering des Supersalone mit vertikalen Präsentationsflächen. © Salone del Mobile.Milano

Eine eigene kleine Stadt

Giorgio Donà, verantwortlich für Interieur, Ausstellungen und Design bei Stefano Boeri Architetti meinte, der Salone werde wie eine eigene Stadt sein. Es werde neuartige öffentliche Bereiche geben, Plätze für Geschäftsgespräche, Food Experience Courts sowie Ausstellungsflächen, die der Geschichte des Designs gewidmet sind (etwa eine Compasso d’Oro-Ausstellung) oder welche, die der Zukunft des Designs, also dem Designnachwuchs gewidmet sein sollen. Designabsolventen haben es in dieser Zeit besonders schwer, deshalb soll eine Plattform für sie geschaffen werden. Ein wichtiger Punkt dabei wird eine große Ausstellung unter dem Titel „The Lost Graduation Show – Class of 2020/21“ sein. Es läuft bereits ein Open Call an internationale Designschulen, sich für diese kuratierte Ausstellung zu bewerben. Diese Schulen machen bereits mit: Politecnico di Milano, ECAL Lausanne, Design Academy Eindhoven, MIT Self-Assembly Lab (Cambridge), Aalto University (Helsinki), NABA (Nuova Accademia di Belle Arti Milano), HfG Karlsruhe, ZhdK (Zürich) und andere. Verantwortlich für diesen Bereich ist Anniina Koivu.

Eine weitere Maßnahme ist, dass der Supersalone von Anfang an für das allgemeine Publikum geöffnet sein soll. Gleichzeitig wird der Großteil der gezeigten Stücke der Unternehmen auch vor Ort erworben werden können. Was der Fuori Salone seit Jahren betreibt, nämlich das Thema Design der „normalen“ Öffentlichkeit näher zu bringen, soll nun auch der Supersalone leisten. Und zwar in Form von Meetings, also Vorträgen, Talks und sogenannten Conversations für Firmen. Dadurch soll einem größeren Publikum Zugang zu den bedeutendsten Stimmen des Designs ermöglicht werden. Koordiniert wird diese Schiene von Maria Cristina Didero. Ein wichtiger externer Partner des Supersalone ist die Triennale Milano. Noch mehr Breitenwirksamkeit soll die digitale Plattform des Salone bieten, die ein integraler 365-Tage-Bestandteil der Messe sein wird und noch im Juni vorgestellt werden soll.

Arbeiten auf Hochtouren

Der Knackpunkt dieses ambitionierten Konzepts ist die extrem kurze Zeit, die für die Umsetzung bleibt. Es firmiert deshalb unter dem Titel „Work in progress“. Diverse Änderungen bzw. Anpassungen sind durchaus noch möglich. Claudio Feltrin ist jedenfalls zuversichtlich und behauptet, dass die Stärke der Italiener*innen nicht in der langfristigen Planung liege, sondern darin, schnell etwas auf die Beine zu stellen. Außerdem hätten die letzten Wochen gezeigt, dass hier hervorragende Teamarbeit geleistet werde.

Die Idee, ein außergewöhnliches Event in außergewöhnlichen Zeiten zu kreieren, ist gut. Dabei auch die brennendsten Fragen zu berücksichtigen, die weit über die derzeitige Pandemie hinausreichen, ist nur folgerichtig und Stefano Boeri zu verdanken. Inwieweit die Unternehmen darauf eingehen, werden die nächsten Wochen zeigen. In jedem Fall ist die Art und Weise des Konzepts lobenswert und eine Chance aus der „alten Lady“ Salone eine zukunftsfähige Veranstaltung zu machen. Rechtzeitig vor ihrem 60sten Geburtstag.

Hier der Livestream der Supersalone-Präsentation, in dem auch das neue von Studio Folder designte Logo zu sehen ist.


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