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Schule der Folgenlosigkeit / Stipendien für Nichtstun

von Markus Schraml
Schule der Folgenlosigkeit

Nachdem auch Museen coronabedingt geschlossen sind (wieder mal) haben einige Ausstellungsmacher*innen und Museumsbetreiber*innen ihr digitales Angebot erweitert. So auch das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MK&G). Die Ausstellung „Schule der Folgenlosigkeit. Übungen für ein anderes Leben“ hätte eigentlich am 6. November starten sollen. Daraus wurde nichts. Und wann Museen in Deutschland und weiten Teilen Europas wieder ihre Pforten öffnen dürfen, ist ungewiss. Möglicherweise erst im Januar 2021. Deshalb haben das MK&G gemeinsam mit der Hochschule für bildende Künste Hamburg, der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) und der Hamburg Open Online University (HOOU) eine App zur Ausstellung „Schule der Folgenlosigkeit“ lanciert – als mediale, aber auch inhaltliche Erweiterung der Schau. Bis die innovative Ausstellung mit Selbstlernraum, historischen Vorbildern und dem „Stipendium für Nichtstun“ öffnet, können Interessierte nun schon zu Hause das folgenlose Leben üben. In der kostenlosen App kommen Expert*innen zu Wort und mit vielen Übungen und Aufgaben wird zu einem spielerischen Selbstversuch eingeladen. „Die App richtet sich an alle, die über den Zustand unserer Welt nachdenken und verstehen wollen, wie die eigene Lebenswirklichkeit mit dem Klimawandel, den gesellschaftlichen und politischen Strukturen verbunden ist“, heißt es in der Ankündigung.

Die Themen der Ausstellung im MK&G sind zu wichtig, der Ansatz zu faszinierend, als dass man nicht alle Wege versuchen müsste, dieses künstlerisch-diskursive Projekt von Friedrich von Borries unter die Leute zu bringen. Von Borries verbindet Sammlungsobjekte mit einem eigens für die Ausstellung eingerichteten Selbstlernraum so, dass ein neuer Blick auf „Nachhaltigkeit“ entsteht und bisherige Vorstellungen eines „richtigen Lebens“ hinterfragt werden. Besucher*innen können „im Selbstversuch Entscheidungen abgeben, ihre Hände in Unschuld waschen oder sich im Nichts-Tun üben“. Schon jetzt können sie dies über die App machen. Zu jedem der zwölf Handlungsfelder wie Warten, Entscheidungen abgeben, Zerstören, die Besinnung verlieren oder Solidarität gibt es ein einführendes Tutorial. Denkanstöße in Form von Interviews liefern zum Beispiel der Soziologe Hartmut Rosa, der Sozialpsychologe Harald Welzer, der Schauspieler Eric Stehfest, die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy oder der Klima-Aktivist Tadzio Müller.

Selbst aktiv können die Nutzer*innen mit den vorgeschlagenen Übungen in der App werden. So muss der Stein des Sisyphus einen virtuellen Berg hinaufgerollt oder ein Stapel virtueller Gläser durch die Wohnung balanciert werden. „Sie können mit dem Smartphone in der Hand tanzen, bis sie die Besinnung verlieren, danach im Multiple-Choice-Test die eigene Wissensperspektive zum Zustand der Welt erweitern“ oder einfach beim Warten entspannen. Noch mehr Aktivität erfordern die Aufgaben, die dazu anregen, künstlerisch im sozialen und öffentlichen Raum zu intervenieren. „So gilt es, Warteschlangen zu initiieren, einen Eierlaufparcours aufzubauen oder einen ekstatischen Tanz aufzuführen.“ Ihre Aktivitäten sollen die Nutzer*innen mit allen teilen, mit denen sie Veränderung gestalten und leben möchten. Der Hashtag #folgenlos soll in den sozialen Medien eine große Öffentlichkeit schaffen, um die Grundfragen der Gesellschaft zu diskutieren. Dazu gehören auch Ausblicke und Auswege, wie „bessere Zukünfte erträumen, eine Gegenmacht herzustellen und Zusammenhalt schaffen.“

Stipendien für Nichtstun

Die Schule der Folgenlosigkeit vergibt außerdem drei Stipendien für Nichtstun, die jeweils mit 1.600 Euro dotiert sind. Die Preisträger*innen und die Begründungen der Jury, der unter anderen der Philosoph Armen Avanessian (Theorie der Beschleunigung) angehört, werden noch bekannt gegeben. Die Stipendien sollen dokumentiert und im Rahmen der Ausstellung präsentiert werden.

Die verschiedensten Dimensionen von Folgenlosigkeit inklusive ihrer Ambivalenz und Widersprüchlichkeit werden von Friedrich von Borries und dem österreichischen Filmemacher Jakob Brossmann in begleitenden Filmen thematisiert. Das Ende der physischen Ausstellung Schule der Folgenlosigkeit ist mit dem 9. Mai 2021 angesetzt. Die App ist im Apple App Store und im Google Play Store verfügbar.


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