Home Architecture Wie Tiere und Menschen bauen – Friedrich Kiesler / Kerstin Stoll

Wie Tiere und Menschen bauen – Friedrich Kiesler / Kerstin Stoll

von Markus Schraml
Kerstin Stoll

„Magische Architektur ist der Ausdruck der Schöpferkraft des Menschen. Sie ist eine Architektur der Berührung, nicht der Trennung (Resignation). Ihr Schwerpunkt liegt auf der Teilhabe, nicht auf der Isolation. Als ständiger Begleiter der Umwelt vollbringt sie Wunder in der Entwicklung des Menschen, so wie das Sonnenlicht Wunder in der Entwicklung der Pflanzen vollbringt“, schreibt der austro-amerikanische Architekt, Künstler und Theoretiker Friedrich Kiesler (1890 – 1965) in seinem Werk Magic Architecture. The Story of Human Housing, das im Frühjahr 2024 erscheinen wird. Die Österreichische Friedrich und Lillian Kiesler-Privatstiftung nimmt die Veröffentlichung dieser bisher nicht publizierten kulturhistorischen Studie Kieslers zum Anlass für eine Ausstellung. In Frederick Kiesler. MAGIC ARCHITECTURE | HABITAT. Kerstin Stoll treffen die Theorien Kieslers auf die künstlerisch-forschenden Positionen der Berliner Künstlerin Stoll.

Friedrich Kiesler war ein Visionär in Bezug auf seine Sicht auf die Architektur und vor allem auf die Art und Weise, wie Menschen zusammenleben und wohnen sollten. Mit dem Buchprojekt Magic Architecture erzählt er eine epochenübergreifende Geschichte des menschlichen Wohnens, wobei er auch das menschliche mit dem tierischen Bauen vergleicht. Aus dieser Gegenüberstellung entwickelt er den Begriff der magischen Architektur: „Die magische Architektur ist ein Generator. Sie kann in jedem Maßstab wirken. Jede Wohnzelle ist ein Nukleus für ein Kraftwerk des freudigen Lebens. Weder Reichtum, noch Geld, noch Baumaterial, noch soziale Macht sind dazu nötig. Es folgt der alten Regel, mit dem Wenigsten das Meiste zu erreichen. Es setzt auf Selbstvertrauen und auf das Vertrauen in die Entdeckung der natürlichen Fähigkeiten“, schreibt Kiesler.

Perfekte Schutzräume

Für Kiesler ist Bauen keine Erfindung des Menschen, die Architektur hingegen schon. Er meint, dass Tiere in vielen Fällen haltbarer, sparsamer und funktioneller bauen würden. „Der Bau von Unterkünften ist eine tierische Funktion des Menschen. Die Architektur beginnt an einem Punkt jenseits dieser tierischen Funktion, und das ist der Grund, warum Tiere niemals Architektur hervorbringen, jedoch perfekte Schutzräume bauen. Der außergewöhnlichste tierische Unterschlupf ist der Termitenbau … Die außergewöhnlichste tierische Ingenieursleistung ist der Damm des Bibers“, meint Kiesler. Die Fähigkeit des Menschen sei es, unterschiedlichste Methoden für den Hausbau einzusetzen, während Tiere immer nur eine Methode verwenden würden.

Das Innere des Webervogelnests

Das Thema Tierbauten untersucht Kerstin Stoll in ihrer Werkserie Habitat näher. Sie benutzt Lehmnester der Töpferwespe, die geflochtenen Nester des Webervogels oder die Bauten der Termiten und transformiert sie mittels 3D-Scan und Porzellandrucker. Ihre Beschäftigung mit Tierbauten bringt Stoll in Verbindung mit Artenschutz, nachhaltigen Lebenspraktiken und Fragen der sozialen Verträglichkeit. Den Ausstellungsraum der Friedrich Kiesler Stiftung verwandelt sie in ein Habitat, in dem sich die Besucher ins Innere eines Webervogelnestes begeben. Diese begehbare Rauminstallation entstand in Zusammenarbeit mit der TU Berlin.

Kerstin Stoll, Windmaschine, 3D Print in Porzellan eines Termitennests, 2023 © Kerstin Stoll

Die Ausstellung Frederick Kiesler. MAGIC ARCHITECTURE | HABITAT. Kerstin Stoll kann vom 15. November 2023 bis 7. Juni 2024 in der Friedrich Kiesler Stiftung in Wien besucht werden. (Mariahilfer Straße 1b/Top 1, Dienstag bis Freitag, 10 – 17 Uhr u. nach Vereinbarung)


Mehr zum Thema


Weitere TOP-Artikel

-
00:00
00:00
Update Required Flash plugin
-
00:00
00:00