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Design/Kunst beim Fuorisalone 2019

von Caroline Wanderberg
Fuorisalone 2019

Die weltweit bedeutendste Möbelmesse, der Salone del Mobile, geht im April in Mailand über die Bühne. Das umfangreiche Geschehen beschränkt sich dabei nicht nur auf die Messehallen, sondern verwandelt ganz Mailand in eine Stadt des Designs. Ein Messestand kann durchaus seinen Reiz haben, vor allem wenn namhafte Designer*innen für die Gestaltung sorgen. Dennoch sind die Events, Installationen, Pop-up Stores und Shows, die an historischen Schauplätzen in der Stadt selbst geboten werden, um einiges interessanter als die Produktpräsentationen auf dem Messegelände – mögen sie auch noch so raffiniert erscheinen. Der Salone del Mobile steht für Business, Fuorisalone für einen Weg, der oft die Grenzen zwischen Design und Kunst lustvoll-kreativ überschreitet. Deshalb hat formfaktor aus der Fülle der Veranstaltungen einige herausgepickt, die auf jeden Fall einen Besuch in der norditalienischen Metropole wert sind.

Einer der Höhepunkte im Ausstellungsreigen während der Milan Design Week ist ein Event, der Teil des Leonardo Horse Projects ist. Er wird vom Mailänder Rennbahnbetreiber Snaitech organisiert und von Cristina Morozzi kuratiert. Anlässlich des 500sten Todestages von Leonardo Da Vinci wird seine majestätische Pferde-Bronzestatue neu interpretiert. Italienische und internationale Künstler wurden eingeladen, 10 weiße Fiberglas-Reproduktionen in unterschiedliche Designpferde zu verwandeln. Mit dabei ist Analogia Project, die mit Stoffen der venezianischen Manufaktur Rubelli eine beeindruckende neue Skulptur schufen. Auch Marcel Wanders, Markus Benesch, Serena Confalonieri oder Matteo Cibic werden das Leonardo-Pferd neu interpretieren. Man darf gespannt sein. Anfangs werden die Pferde auf dem Rennbahngelände Snai San Siro zu sehen sein, um danach zu verschiedenen Orten in Mailand zu reisen, die eine Verbindung zum toskanischen Meister haben.

Enter Porcelain“ heißt eine Ausstellung die Kober Porzellan gemeinsam mit Olivari (Designtür- und fenstergriffe) im Palazzo Litta (Corso Magenta 24) ausrichtet. Elf Designer wurden dafür engagiert (unter anderen das Studio Mark Braun und Thomas Schnur), die in Workshops neue Konzepte mit den Materialien Porzellan und Messing entwarfen. Ganz dem Ziel von Kober entsprechend, Porzellan auf moderne Weise zu interpretieren, ist eine vielseitige Kollektion von Griffen in verschiedenen Größen, Formen, Oberflächen und Farben entstanden. Kober wird in diesem Rahmen auch seine fortschrittlichen Technologien für die Herstellung hochwertiger Porzellanartikel präsentieren. Das deutsche Unternehmen möchte sein Know-how in diesem Bereich einer breiteren Fachwelt bekannt machen.

In der Galleria Rossana Orlandi werden neue Stücke der Collection IV: Below The Heavens von Ini Archibong gezeigt. Damit hat der in der Schweiz lebende Designer alle 22 Stücke dieser Serie für die Möbelmarke komplettiert. Während der erste Teil der Kollektion, der am selben Ort vor einem Jahr vorgestellt wurde, „himmlischen“ Inspirationen folgte, geht es im zweiten Teil um das Irdische. Archibong: „Im Besonderen war ich hier von den monolithischen Formen von stehenden Steinen inspiriert.“

Design aus Barcelona wird in einer zweiten Ausgabe (nach 2017) unter dem Titel „Inspired in Barcelona: Mediterranean Design“ in der Via Dante 14 gezeigt. Eine Auswahl von 100 Designs (Stühle, Sessel, Leuchten, Stoffe und Accessoires) macht das Lebensgefühl der katalanischen Hauptstadt spürbar.

Das japanische Designunternehmen Nendo kommt unter anderem mit einer Installation nach Mailand, die sich mit dem Thema „Luft“ auseinandersetzt. In Kooperation mit Klimaanlagenhersteller Daikin wird „breeze of light“ im TENOHA MILANO zu sehen sein.

In der Via Mascagni 8 werden Britt Moran und Emiliano Salci von Dimorestudio ihr neues Label DIMOREMILANO vorstellen. Es umfasst Möbel, Leuchten, Objekte und Stoffe. Außerdem wird in der Galerie des Designstudios DIMOREGALLERY das Ergebnis einer exklusiven Kooperation mit Gabriella Crespi gezeigt. (Via Solferino 11)

Mosaico+ präsentiert während der Mailänder Designwoche neue Produkte in Form einer Installation bei Agape12, dem Concept-Store von Agape (Via Statuto 12). Diamond und Jointed heißen die Neuheiten, die über traditionelle Dekors und Mosaiken hinausgehen sollen. Für die Herstellung wird sehr dünnes Glas verwendet, das sowohl zurückhaltend-einfach eingefärbt werden kann als auch durch Schattierungen und Strukturen Akzente setzen kann. Ebenfalls im Agape12 wird ein neues Paneelsystem von Matteo Brioni vorgestellt. Marialaura Rossiello von Studio Irvine hat sich dafür historische Wandteppiche zum Vorbild genommen und ein modulares System von Paneelen entworfen, das aus einer spannenden Kombination von Holz und Ton besteht.

Im Zuge seines 70-jährigen Firmenjubiläums richtet Kartell eine Ausstellung im Appartamento die Principi im Palazzo Reale aus. „The Art Side of Kartell“ wird von Ferrucio Laviani und Rita Selvaggio kuratiert und zeichnet die Unternehmensgeschichte in traumhaft-surrealen Bildern nach. (70 Jahre Kartell – formfaktor-Interview mit Lorenza Luti)

Der australische Designer Tom Fereday hat für das bekannte asiatische Lifestyle- und Luxus-Kaufhaus Lane Crawford seine erste Kollektion gestaltet. The Crawford Collection besteht aus einem Lounge-Sessel, einem Bett, mehreren Tischen und einem Esszimmerstuhl. Fereday war Gewinner der letztjährigen Creative Call Out Campaign von Lane Crawford. Dieses Programm zur Unterstützung von Nachwuchsdesignern beinhaltet eine 18-monatige Partnerschaft, in der Fereday die Gelegenheit hatte, eine exklusive Kollektion zu entwickeln. Interessant an der Arbeit des Australiers ist die Fusion aus nachhaltigen Materialien und asiatischer Sensibilität in der Formfindung, die aber für ein internationales Publikum erfahrbar gemacht wird. In Mailand wird die Kollektion in Kooperation mit der asiatischen Designmarke Stellar Works präsentiert. Apropos Stellar Works – unter dem Titel „Behind The Scenes“ zeigt das Label in der Galleria Teatro Manzoni eine theatralische Inszenierung aus neuen Kollektionen von Neri&Hu, Space Copenhagen, Yabu Pushelberg, OEO Studio und Tom Fereday neben Mid-Century Arbeiten von Vilhelm Wohlert und Jens Risom. Für diese Ausstellung kooperiert Stellar Works mit Agapecasa.

In einem Projekt mit Beteiligung des Mailänder Polytechnikums (CILAB) geht es um das Spielerische im Wohnen und Zusammenleben. „The Playful Living“ zeigt auf 150 m² und zwei Ebenen Möglichkeiten, alle Facetten des Lebens mit spielerischer Energie aufzuladen. Objekte, Materialien, Licht und Möbel werden so gestaltet sein, dass sie Emotionen und die Kreativität sowohl von Erwachsenen als auch von Kindern anregen. Aspekte des modernen Wohnens unter dem Blickwinkel des Spielerischen sollen in diesem Rahmen – in der Via Tortona (Opificio 31) – in Expertentalks, runden Tischen und Workshops diskutiert werden. Die Veranstalter planen ein tägliches Programm von Meetings mit Experten, Eltern und Kindern.

Ventura Centrale wird in diesem Jahr zum dritten Mal die großen Industriehallen unter dem Mailänder Hauptbahnhof bespielen. (An diesem Ort findet sich über der Erde auch die Österreicher-Schau – formfaktor berichtete) Seit dem Start im Jahr 2017 wächst diese Veranstaltung zusehends. Waren es anfangs acht leer stehende Hallen, dann neun, so sind es 2019 ganze 16. Hier werden 17 zum Großteil interaktive Installationen und Ausstellungen zu sehen sein, die von Künstlergruppen, Designer*innen und Firmen gestaltet werden. Mit dabei sind asiatische Marken wie Yamaha, AGC, DNP, TAKT PROJECT und die NOROO Group. Arbeiten mit sehr unterschiedlichen Ansätzen und Themen kommen von Maarten Baas, Rapt Studio, Humanscale, Sky-Frame oder FREITAG.

Die koreanische NOROO Group antizipiert kommende Farbtrends und wird futuristische Farben präsentierten, die sich im Rhythmus der Natur verändern. Designer Benjamin Hubert hat mit Consentino zusammengearbeitet und wird in einer 25 Meter langen und 6 Meter hohen Passage eine Installation zeigen, die mit Lichtbrechungen das Gefühl vermittelt, unter Wasser zu sein. Zwei Spiegel an den Enden des Raums kreieren die Illusion von Unendlichkeit. Ebenfalls mit Licht spielen die Experten von ARIA (Italien), in dem sie einen Lichtzylinder in die Mitte eines Raums positionieren, der mit seiner Umgebung eine Verbindung eingeht. Die chromatischen Effekte erzeugen eine traumhafte Atmosphäre aus Formen im Raum.

Das Zürcher Unternehmen FREITAG, das aus LKW-Planen Taschen produziert, hat Künstler Georg Lendorff mit einem Projekt zum Thema „mieses Design und andere Sünden“ beauftragt. Lendorff hat ein begehbares Video entwickelt mit Projektionen von Tausenden von Fäden, die von der Decke hängen. Beabsichtigt ist die Auflösung von Raum- und Zeitgefühl bei Besuchern und Beobachtern. Eine Zuflucht und Erholungsphase im geschäftigen Treiben von Mailand. Die Installation ist Teil der Ventura Centrale-Ausstellung UNFLUENCER – De-sinning the Designer. Ventura Projects verlängert 2019 auch die im letzten Jahr gestartete Ventura Future. Innerhalb dieses Formats, das in Kooperation mit dem Kulturprojekt BASE stattfindet, geht es um Zukunftsvisionen und um völlig neue, revolutionär-innovative Designansätze.

Viele Events und Installationen, die im Rahmen der Mailänder Designwoche stattfinden, beweisen, dass Design mehr als die Gestaltung von Produkten ist. Design kann Grenzen verschieben und ungewisse Bereiche ausloten. So leistet es durch überraschende Lösungen einen Beitrag für eine bessere Welt. Dass die Designer*innen dabei oftmals das Areal der Kunst streifen, ist ein wunderbarer Nebeneffekt.

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