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Leblon Delienne – französische Handwerkskunst für Micky Maus

von Markus Schraml
Leblon Delienne, Handwerkskunst für Micky Maus

In manch konservativen Communities hierzulande (Mittel- und Osteuropa) gelten Comics und Cartoons immer noch als minderwertig im Vergleich zur sogenannten Hochkultur. Doch popkulturelle Phänomene und Erzeugnisse sind seit Jahrzehnten Mainstream. Egal ob Musikidole oder Ikonen in visuellen Darstellungen, Popkultur hat enormen Einfluss auf die Gesellschaft, die weit über nostalgische Kindheitserinnerungen hinausgeht. Dass ikonische Comichelden einen hohen Stellenwert haben, bewies das französische Label Leblon Delienne schon in den 80er Jahren, indem sie hochwertige Skulpturen dieser Ikonen anfertigte, meist aus der frankobelgischen Comicwelt. Gerade in Frankreich war die Einstellung gegenüber Comics sehr positiv. 1985 besuchte sogar der französische Präsident François Mitterrand das Internationale Comicfestival von Angoulême. Und die Leblon Delienne Skulpturenwerkstatt erhielt vom französischen Staat für seine bildhauerische Handwerkskunst die Anerkennung „Entreprise du patrimoine vivant“.

Nach vielen erfolgreichen Jahren schlitterte das Unternehmen ab 2011 in eine Krise, die zur Schließung der Werkstatt führte. Ein Umstand, den Juliette de Blegiers keinesfalls akzeptieren wollte. Gemeinsam mit Jean-Pierre Lutgen und Olivier Etienne übernahm sie das Unternehmen 2018 mit dem Ziel, das außergewöhnliche handwerkliche Know-how zu bewahren und die Arbeitsplätze in der Werkstätte in Neufchâtel-en-Bray in der Normandie zu erhalten. Im formfaktor-Exklusivinterview erzählt Juliette de Blegiers, die jahrelang in der französischen Luxusindustrie – unter anderem für Dior und Baccarat – tätig war, von ihrer Leidenschaft für Handwerkskunst und ihren Plänen, mit Leblon Delienne auf den internationalen Märkten zu reüssieren.

formfaktor: Was gab den Ausschlag für die Entscheidung, Leblon Delienne zu übernehmen?

Juliette de Blegiers: Seit zwei Jahren entwickle ich nun die Marke Leblon Delienne und stehe an der Spitze der strategischen Neuausrichtung. Dabei war es immer mein Ziel, dieses außergewöhnliche Savoir-faire fortzuführen, das es seit mehr als 30 Jahren gibt. Mit dieser Geschichte, DNS, dem Erbe und internationalen kulturellen Einfluss, schien es mir eine wirkliche Schande zu sein, dass das Abenteuer der Leblon Delienne Werkstatt aufhörte. Das ist der Grund, warum ich im April 2018 mit meinen beiden Partnern die Marke übernommen habe.

formfaktor: Was ist für Sie die besondere Faszination von Leblon Delienne?

Leblon Delienne schafft mit einem einzigartigen Stil und unverwechselbaren Know-how, außergewöhnliche Figuren, Skulpturen und Objekte. Es gibt eine echte Bindung und Zuneigung zwischen unseren Kunden und unseren Designs. Möglicherweise ist das der Beweis für die emotionale, nostalgische Natur, die jedes unserer Stücke besitzt.

formfaktor: Wie wichtig ist die Zusammenarbeit mit renommierten Designern?

Mit internationalen Designer*innen zu arbeiten, gibt der Werkstatt neue kreative Impulse. Eine der aufregendsten Phasen bei der Arbeit mit einem neuen Designer ist das erste Briefing und die Formulierung der nächsten Schritte. In der Regel entstehen in dieser Phase neue Herausforderungen, die uns dazu zwingen, uns jedes Mal weiterzuentwickeln und zu wachsen. Für uns ist es essenziell, die Grenzen im Hinblick auf Kreation, Materialien, Techniken und Finishes herauszufordern, um unsere innovativen Angebote voranzutreiben.

formfaktor: Sie kommen aus der französischen Luxusindustrie und haben dort viele Jahre gearbeitet. Wie hat sich Ihre Arbeit verändert, seit Sie Leblon Delienne leiten?

In meinem Berufsleben war ich immer für anspruchsvolle Projekte verantwortlich. Ich habe mehrere Jahre bei Baccarat gearbeitet und war auch für die Entwicklung von renommierten französischen Porzellan- und Leinenhäuser verantwortlich. Es gab auch einen wichtigen kreativen Aspekt in meiner Arbeit, weil ich für mehrere Projekte und Entwicklungen von Designern und Architekten verantwortlich war. Ich hatte immer auch die technischen Einschränkungen zu berücksichtigen, die mit diesen kreativen Prozessen verbunden sind. Heute leite ich ein Team von rund zehn Mitarbeiter*innen und habe mit all den Dingen tagtäglich zu tun, die typisch sind für ein kleines Unternehmen. Aufgrund der Breite meines Arbeitsspektrums habe ich über die Jahre zahlreiche neue Verantwortungen übernommen und Fähigkeiten erworben. Obwohl sich die Materialien im Lauf der Zeit verändert haben – zum Beispiel anstelle von Kristall und Porzellan, entwickeln wir heute unsere neuen Produkte aus Kunstharz – sind wir im High-End-Designbereich und im Dekorationsgeschäft gut etabliert. Und deshalb sind unsere Kunden oft die gleichen geblieben.

formfaktor: Ist Popkultur für unsere Gesellschaft wertvoll?

Popkultur ist Teil unseres Lebens und kann unterschiedliche Formen annehmen. Da viele dieser Charaktere ein wichtiger Teil unserer Kindheit waren, gibt es zu unseren Designs eine starke Verbindung. Ich bin immer von unseren Kunden bewegt, wenn sie eine Micky-Skulptur (140 cm – Anm.) kaufen. Es ist beeindruckend zu sehen, wie international der Einfluss dieser ikonischen und zeitlosen Charaktere ist, die schöne Werte verkörpern und ganze Generationen berührt haben und weiterhin berühren.

formfaktor: Müssen Sie eigentlich immer noch erklären, warum Skulpturen von Ikonen der Popkultur wertvoll sind?

Kommunikationsarbeit in puncto Popkultur ist kein großes Thema für uns, weil das für die Menschen eine sehr persönliche Sache ist. Unsere Kunden werden von den Emotionen und der Nostalgie unserer Produkte angezogen und von unserer einmaligen Markenidentität. Was wir mehr kommunizieren müssen, ist unser Savoir-faire und unsere Herstellungsschritte.

formfaktor: Haben Sie eine Lieblingscomicfigur oder einen Superhelden?

Ich habe keinen Liebling. Ich mag natürlich besonders jene, die wird selbst in Lizenz kreieren. Micky natürlich … und Minnie, die die erste weibliche Skulptur war, die wir kreiert haben, als wir die Werkstatt übernommen hatten. Auf dieses Stück bin ich ziemlich stolz, auch weil es heute fast so gut funktioniert wie Micky. Die Figur des „kleinen Prinzen“ berührt mich, philosophisch, und ich liebe es, meinen Töchtern aus dem Buch vorzulesen.

formfaktor: Leblon Delienne Produkte werden nicht nur in Frankreich verkauft.

Ein großer Teil unserer Verkäufe geht ins Ausland, insbesondere nach Asien. Wir sind zwar eine ziemlich exklusive Marke, aber international erhältlich. Unsere Produkte werden zum Beispiel exklusiv bei Bon Marché in Paris, Lane Crawford in Hongkong und Selfridges in London verkauft. Und natürlich über unsere Website, wo es vielfältige Möglichkeiten gibt.

formfaktor: Wie werden Sie ihre Produktpalette erweitern? Was ist in der Pipeline?

Juliette de Blegiers: Wir haben mehrere neue Produkte, die wir im September auf der Maison & Objet und nächsten April während der Mailänder Designwoche präsentieren werden. Wir können es kaum erwarten, unsere neue „Minnie Welcome“ (30 cm, Anm.) zu enthüllen, die schon mit Spannung erwartet wird, und unseren Uncle Scrooge in Chromgold. Die Werkstätte arbeitet auch mit Hochdruck an unserer neuen Snoopy Scale 1 Skulptur mit einer Größe von 90 cm. Und wir werden in Mailand zwei Kooperationen mit zwei neuen Designern vorstellen.

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