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Review: Helsinki Design Week 2018

von Markus Schraml
HDW 2018

Seit 2005 findet in der finnischen Hauptstadt jährlich die Helsinki Design Week statt und hat sich in dieser Zeit zu einem Event entwickelt, der durch seinen multidisziplinären Charakter viele Einblicke in die Welt der Architektur, Mode und Stadtkultur bietet. Die Präsentation von neuen Entwicklungen im Design und vor allem der reichen finnischen Designszene stehen im Fokus des Festivalprogramms, das mit über 200 Veranstaltungen auch im Jahr 2018 bewies, dass die HDW das größte und wichtigste Designevent in Nordeuropa ist.

Designwissen für Kinder

Die Organisatoren der Designwoche verstehen es, immer wieder neue Aspekte der Branche zu beleuchten. So wurde 2018 eine eigene Children’s Design Week ins Leben gerufen, in der, über die ganze Stadt verteilt, ein eigenes Kreativprogramm für Kinder von 0 bis 12 Jahren auf dem Plan stand. Im Rahmen der Eröffnung der Designwoche für Kinder erhielt Pihla Meskanen den Asko Avonous Award 2018. Sie ist Direktorin und Gründungsmitglied der Arkii School of Architecture for Children and Youth. Neben der schulischen Grundausbildung werden in diesen Einrichtungen (Helsinki, Espoo und Vantaa) regelmäßige Kurse zu den Themen Design, Modellerstellung und Computerdesign abgehalten oder auch Baumhäuser-Camps veranstaltet. Grundsätzlich geht es darum, den Kindern ein besseres Verständnis für die gestaltete und gebaute Umwelt zu vermitteln.

Young Designer of the Year

Preisverleihungen spielen während der Helsinki Design Week eine große Rolle. Antrei Hartikainen erhielt die Auszeichnung Young Design of the Year 2018. Dieser Preis wird vom Design Forum Finland vergeben, das damit junge Menschen ehrt, die neue, kreative Konzepte entwerfen und sich neue Fähigkeiten aneignen. Jungdesigner sollen unterstützt werden, ihre neuen Wege kompromisslos weiterzugehen. Antrei Hartikainen ist Tischlermeister und bewegt sich auf geschickte Weise an der Grenze zwischen Kunst und Serienproduktion. Mit einem exzellenten Verständnis für das Material Holz gelang es ihm, einen eigenen gestalterischen Ausdruck zu finden, der seine Möbel und Haushaltsgegenstände unverwechselbar macht. Seine Arbeit hat auch außerhalb Finnlands bereits Aufmerksamkeit erregt.

HDW HOP

Schon zum dritten Mal bevölkerten die HDW HOP die Straßen von Helsinki. Diese Reihe von Installationen war auf das diesjährige Festivalthema „TRUST“ zugeschnitten. An vier Standorten im Stadtgebiet wurde der Frage nach alltäglichen Begegnungen mit Menschen, die man überhaupt nicht kennt, nachgegangen. Designerin Leena Kouhia und Architektin Sofie Hägerström hatten dazu einen eigenen Fire Garden als zwanglosen Treffpunkt gebaut mit einer eigenen Soundkulisse von Tapani Rinne. Im Stockmann Kaufhaus installierte der Bildhauer Man Yau seine „10 Elements“. Wie auf Altären arrangiert, präsentierte der Künstler Skulpturen, Sounds, Räume, Licht, die Dinge und Personen symbolisierten, die für Yau sehr wichtig sind. Unter dem Titel „Rubbish Philosophy“ schuf das Trash Design Duo (Isa Kukkapuro-Enbom, Henrik Enbom) gemeinsam mit dem blinden amerikanischen Künstler Howard Smith ein multisensorisches Kunstwerk aus recyceltem Material und Arbeiten von Smith der letzten 50 Jahre. Am vierten Standort erarbeitete die Designagentur NEON mit Kindern eine Installation, die sich auf Grundlage von Ideen und Vorschlägen der Kids mit dem Thema Vertrauen interaktiv auseinandersetzte.

Helsinki Design Awards

Einer der Höhepunkte der Designwoche war die Verleihung der Helsinki Design Awards im Rahmen der Finnischen Designgala im Clarion Hotel. Diese Veranstaltung ist ein idealer Spiegel, der zeigt, worum es bei der Helsinki Design Week in erster Linie geht, nämlich darum, finnisches Design zu feiern und vor den Vorhang zu bitten. Den Preis für sein Lebenswerk erhielt der 85-jährige Designer und Innenarchitekt Yrjö Kukkapuro, der seinen Durchbruch mit dem Carousel Polyester Chair (1964) hatte, den er nach ergonomischen Regeln gestaltete.  Kukkapuro ist nach wie vor aktiv und neugierig. Mit dem Preis „Young Talent of the Year“ wurde die Modedesignerin Maria Korkeila ausgezeichnet. Sie sieht Design als eine Reflexion der Gesellschaft und der Kultur, die aber durchaus auch Fragen stellt. Für seinen Oura Ring erhielt Kari Kivelä den „Product of the Year“-Award. Dieser Ring funktioniert wie ein Aktivitäts-Tracker-Armband ist aber sehr viel genauer und vielseitiger und zeichnet auch Werte während des Schlafes auf. Den „Internationalization“-Preis verlieh die Jury der Designagentur COM-PA-NY von Aamu Song und Johan Olin. Mit ihrem „Secrets“-Projekt suchen sie lokale Handwerker in anderen Ländern und designen für sie neue Produkte. Die fünfte Kategorie, der „Jury’s Choice“-Award ging an diesem Abend an die Bryk & Wirkkala Visible Storage-Abteilung im EMMA (Espoo Museum of Modern Art). Das ist eine 1000 m² große Erweiterung des Museums, die die Kollektionen und Archive von Rut Bryk und Tapio Wirkkala beherbergt. Der Raum ist auch eine Ausstellungsfläche, die für wechselnde Schauen zum Thema Design reserviert ist.

Falsche Prozesse und glückliche Zufälle

Das Programm der HDW bestand zu einem großen Teil aus Ausstellungen, die entweder an unüblichen Plätzen in der Stadt als Installationen oder im gewohnten Umfeld eines Museums präsentiert wurden. Im renommierten Designmuseo wurde während der HDW die Ausstellung „Dialogue“ der Möbeldesignerin und Künstlerin Milla Vaahtera gezeigt. Der Dialog entsteht hier aus dem Zusammentreffen der Materialien Glas (mundgeblasen) und Messing (handgefertigt), die sie zu Mobiles und nicht beweglichen Objekten verbindet. Mit den Mobiles spielt Vaahtera auf die Beziehung der Menschen zu ihren Körpern und ihrer Sexualität an. Die Künstlerin liefert mit ihrer Arbeit einerseits einen Beitrag zum Thema Wiederaufleben der Glasbläserkunst in Finnland und andererseits eine kritische Position gegenüber der sehr kontrollierten Arbeitsweise im herkömmlichen Designprozess. Gerade der intuitive Ansatz dieser Arbeit, wo durchaus Zufälle und Irrwege zum Ziel führen können, überzeugte die Jury der offenen Ausschreibung des Design Museums, aus der „Dialogue“ als Sieger hervorging. „Finnisches Glas ist keine bloße Wiederholung der Geschichte. Es kann dafür ein neuer, zeitgenössischer Ausdruck gefunden werden. Die Glasproduktion musste in Finnland einige Rückschläge einstecken. Jetzt ist aber die Zeit, etwas zu unternehmen, das Erbe zu erneuern und Handwerkskunst zu einem neuen Trend zu machen“, sagt Vaahtera kämpferisch und zukunftsfroh. Die Ausstellung „Dialogue“ ist noch bis zum 28. Oktober 2018 zu sehen.

Die HDW fungiert als spartenübergreifende Plattform, die mit Helsinki Design Weekly das ganze Jahr über finnisches Design unterstützt und ihm Publicity verleiht. Das Festival selbst vermittelt das Gefühl der gemeinsamen Anstrengung und dass viele Finnen*innen verstanden haben, welch hohe Bedeutung Design in der gegenwärtigen Welt hat. Bedenkt man die reiche finnische Designtradition, ist diese Erkenntnis sicher nicht erst seit dem Status UNESCO City of Design (2014) in weiten Teilen der Gesellschaft angekommen.

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