Der Salone del Mobile.Milano 2023 verzeichnete 307.418 Besucher. Das sind zwar 15 % mehr als 2022, allerdings ist es auch ein sehr niedriger Wert, der laut Statista zuletzt 2009 registriert wurde. Vergleicht man diese Zahl mit dem Jahr 2019 (386.236), kann man durchaus von einem Einbruch sprechen. Die Anzahl der Aussteller lag mit knapp über 2.000 ebenfalls weit hinter der Beteiligung von 2019 (2.418). Dies dürfte der eigentliche Grund für die Umorganisation der Messepavillons auf nur eine Ebene gewesen sein. Die Ursachen dafür liegen sicher in den Folgen der Krise, die bei vielen zu einem Umdenken in Sachen Messebeteiligung geführt hat. Im Fall von Mailand wollen immer mehr Firmen lieber in der Stadt selbst präsent sein als auf dem Messegelände. Im internationalen Messevergleich liegt der Salone jedoch immer noch weit vor allen anderen und das Siegel als weltweit wichtigster Designevent hält.
Zudem zeigte das neue Messekonzept der Euroluce, der internationalen Lichtausstellung, dass Erneuerungen sowohl beim Publikum als auch den Ausstellern gut ankommen. Und nach vier Jahren Zwangspause war der Nachholbedarf groß. Dabei präsentierten nicht nur reine Leuchtenspezialisten neue Kreationen, sondern auch Möbelhersteller mit umfassenderen Einrichtungsportfolios. Ein Beispiel dafür ist Gallotti&Radice, die mit „Key-to-Heaven Fix“ ihrem Angebot eine attraktive Hängeleuchte hinzufügten. Das Design von Massimo Castagna zeigt eine geschwungene, 4-armige Struktur aus dunkel brüniertem Metall. Oder der österreichische Polstermöbelhersteller Wittmann, der für die Leuchtenkollektion „Detour“ das renommierte japanische Designstudio nendo engagierte. Diese Erweiterung des Portfolios folgt der Strategie des Unternehmens hin zu einem zunehmend kompletteren Angebot und der schrittweisen Internationalisierung.
Leuchtender Fuorisalone
Von der Messe in die Stadt: Henge zeigt in seinem Showroom in der Via della Spiga 34 unter anderem die Leuchte „Spyder X“ ebenfalls im Design von Massimo Castagna. Es handelt um eine Weiterentwicklung der 2022 vorgestellten Leuchte „Spyder“. Dabei ist die Palette an attraktiven Leuchten des Raumausstatters durchaus beachtlich und zeigt, dass der Vorteil von Leuchtenkreationen aus dem eigenen Haus in der passgenauen Abstimmung zum sonstigen Möbelprogramm liegt. Ein Besuch, der sich ebenfalls lohnte, führte zum neuen Showroom von Contardi, dem ersten Monobrand-Store am Corso Monforte. Die Räume mit einer beachtlichen Höhe von fünf Metern wurden von Massimiliano Raggi gestaltet. Zur Eröffnung wurde eine Ausstellung gezeigt, die einer einzigen Kreation gewidmet war: „Baggy“, eine Kollektion von Paola Navone – OTTO.
Goldener Marcantonio
Unweit des neuen Monobrand-Stores von Contardi befindet sich der Flagship-Store von Natuzzi Italia. Einige werden sich noch an die Installation von Germogli di Marcantonio im letzten Jahr im Innenhof erinnern. Gigantische Triebe nahmen den Raum ein. Daran anknüpfend schuf der Künstler die LED-Tischleuchte „Germoglio“. Ausgehend von der Idee der Wiedergeburt und als Hommage an die Vereinigung von Mensch und Natur hat Marcantonio eine poetische Leuchte entworfen, die an die sonnendurchflutete Atmosphäre des Mittelmeers erinnern soll – mit golden verspiegelter Oberfläche. „Germoglio“ ist als kabellos wiederaufladbare Leuchte konzipiert.
Occhios Feuerball
Die Präsentation der deutschen Marke Occhio im Glaspavillon der Villa Necchi Campiglio stand unter dem Motto „new horizons“. Gründer und Chefdesigner Axel Meise erblickt neue Horizonte einerseits in der Einführung einer Serie für das Einstiegssegment, andererseits in der technologischen Weiterentwicklung in Form einer „Fireball“ genannten Innovation, die auch in der emotionalen Neuheit „Luna“ zum Einsatz kommt. „Fireball“ ist eine patentierte Lichtquelle, die im Inneren der verspiegelten Glaskugel von „Luna“ weiches, blendfreies und doch gerichtetes Licht bietet. Dabei scheint der „Feuerball“ wie ein Mond in der Leuchte zu schweben. „Luna“ ist je nach Version kopf- oder bodenverspiegelt und in drei Größen erhältlich. Die Oberflächen „dark chrom“ oder „phantom“ stehen zur Wahl. Die Bedienung kann in Occhio typischer Weise per Geste oder über die air app erfolgen. Das Licht kann geschaltet, gedimmt und in seiner Farbtemperatur (von warm bis kalt) verändert werden. Die „Luna“-Serie soll ab Herbst 2023 erhältlich sein.
Von Diamanten und Zirkusflair
Luca Nichetto ist einer der wohl vielbeschäftigsten und aufregendsten Designer der Gegenwart. In Mailand war er mit einer ganzen Reihe von Projekten vertreten – auch mit neuen Leuchten. So hat er für die australische Marke Rakumba Lighting „Argyle“ entworfen, eine modulare Leuchtenfamilie, die von den Werken der Bildhauerin Ruth Asawa inspiriert wurde. Die zentrale Metallstruktur ist von einer fein gearbeiteten Hülle aus Borosilikatglas umgeben. Ihre diamantähnliche Form soll an die bekannte Argyle-Diamantenmine erinnern, die im Norden Westaustraliens liegt und wo bis zu ihrer Schließung im November 2020 zeitweise über 90 % der rosafarbenen und roten Diamanten der Welt gefördert wurden.
Porzellanspezialist Lladró erweitert seine Leuchtenkollektion mit zwei Entwürfen von Luca Nichetto und fügt der recht konventionellen Reihe damit fröhlich-moderne Kreationen hinzu. Die Kollektion Soft Blown besteht aus dem Kronleuchter „Afloat“ und der Tischleuchte „Airbloom“. Nichetto taucht hier tief in der Welt der Ballons und des Zirkus ein. „Airbloom“ besteht aus einem zentralen weißen Lampenschirm, der aus durchscheinendem handverziertem Porzellan besteht und durch eine Reihe von Elementen in verschiedenen Farben ergänzt wird. „Afloat“ besitzt einen zentralen Körper mit sechs länglichen Modulen, auf denen Ballons aus durchscheinendem weißem Porzellan sitzen. Diese Zusammenarbeit beweist, dass durch die kreative Kraft eines Designers die traditionelle Handwerkskunst – in diesem Falle die Porzellanbearbeitung – in zeitgemäße Produkte übersetzt werden kann.
Fertigungskompetenz aus der Schweiz
In der Gallery Assab One präsentierte die Schweizer Leuchtenmarke Schätti während der Mailänder Designwoche das Ergebnis einer Kooperation mit Jörg Boner sowie ein Projekt, das in Zusammenarbeit mit der Schweizer Universität für Kunst und Design, ECAL zustande kam. Boner entwarf für Schätti die neue Leuchtenfamilie B020, dessen Konzept sich auf verschiedene Leuchtentypen anwenden lässt. So entstand eine harmonische Kollektion aus Decken-, Wand, Steh- und Tischleuchte. Boner folgte bei diesem Entwurf der Idee, dass das innere Licht die äußere Form bestimmen soll. Deshalb liegt die Lichtquelle außerhalb des Blickfeldes. „Mit der neuen Kollektion haben wir uns zum Ziel gesetzt, dass die Platine und damit auch der Diffusor nie sichtbar sind. Trotzdem soll über nur eine einzige Platine sowohl direktes wie auch indirektes Licht in den Raum strahlen“, erläutert Boner. Die B020-Leuchten bestehen aus einem deckend weißen Material (recyceltes Stahlblech bzw. Aluminium), das einerseits das Licht perfekt reflektiert und gleichzeitig eine ganz eigene Ästhetik erzeugt. Aus der Zusammenarbeit mit Masterstudenten der ECAL, die sich intensiv mit den Fertigungstechniken Schättis beschäftigten, entstand eine Kollektion von fünf tragbaren LED-Leuchten.
Frei schwebende Formen
Zurück zur Messe: Das Berliner Label ELOA zeigte in Mailand seine mundgeblasenen Leuchten. Seit bereits acht Jahren entstehen unter der Leitung der gebürtigen Schweizerin Simone Lüling kunstvoll-dekorative Glasobjekte. In der diesjährigen Kollektion gibt es drei Neuheiten: „Starglow Spiral“ ist eine attraktive Spirale, an der in Form einer Wendeltreppe unterschiedlich geformte und gefärbte Leuchten hängen. Diese Anordnung eignet sich vor allem für hohe Räume. Die weiteren Zugänge heißen „Haumea Convex“ und sind eine Ergänzung zu einer bestehenden Kollektion, die sich durch elliptische Gebilde auszeichnet, sowie „Pleiades“, eine schwebende Glasinstallation, die aus amorphen Glaskörpern besteht. Das typische Merkmal von ELOA-Leuchten ist die unregelmäßige Form des Glases, das in tschechischen Glashütten frei und ohne Form geblasen wird.
Lokale Produktion
Unter dem Motto „Ikonen für neue Gesten“ stellten die Designer Cesare Bizzotto und Tobias Nitsche (From Lighting) ihr bestehendes Portfolio sowie die beiden Messeneuheiten „Tiro“ und „Satellit“ vor. Für „Tiro“ arbeiteten sie erstmals mit einem externen Partner zusammen. Das isländisch-deutsche Duo Studio Brynja & Veronika schuf eine höhenverstellbare Hängeleuchte, deren Lampenschirm aus eloxiertem Aluminium besteht, der in verschiedenen Farben erhältlich ist. An einem bunten Glasstab lässt sich „Tiro“ leicht nach unten ziehen oder oben schieben. From Lighting ist eine unabhängige Leuchtenmarke, die von Padua aus agiert. In ihrer Selbstbeschreibung ist von einer „Gruppe von Freunden mit unternehmerischem Geist“ zu lesen. Als Kernwert wurde die lokale Produktion definiert.
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